Joseph II. (HRR)
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Joseph II. Benedikt August Johann Anton Michael Adam (* 13. März 1741 in Wien; † 20. Februar 1790 ebenda), Erzherzog von Österreich aus dem Geschlecht Habsburg-Lothringen, wurde 1764 römisch-deutscher König, war von 1765 bis 1790 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, ab 1780 auch König von Ungarn und Böhmen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] Herkunft
Joseph Benedikt August Johann Anton Michael Adam von Habsburg-Lothringen erblickte am 13. März 1741 als erster Sohn und viertes Kind von Maria Theresia und ihrem Gemahl Franz Stephan von Lothringen in Wien das Licht der Welt.
[Bearbeiten] Heirat und Nachkommen
Joseph heiratete am 6. Oktober 1760 in Wien die Prinzessin Isabella von Bourbon-Parma (1741-1763), Tochter des Herzogs Philipp von Parma, Piacenza, Guastalla und dessen Gattin Prinzessin Louise Elisabeth von Frankreich a.d.H. Bourbon. Der auch für heutige Verhältnisse etwas unkonventionell geführten Ehe entsprangen zwei Kinder, die aber bereits früh verstarben.
- Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich (1762-1770)
- Christine, Erzherzogin von Österreich (*/† 1763)
In zweiter Ehe heiratete er am 23. Jänner 1765 in Wien-Schönbrunn seine Cousine 2. Grades Prinzessin Maria Josepha von Bayern (1739-1767), Tochter des Kurfürsten Karl Albrecht und dessen Gattin Erzherzogin Maria Amalie von Österreich. Die von Joseph vernachlässigte Ehe blieb kinderlos.
[Bearbeiten] Kaiser ohne Macht?
Als römisch-deutscher Kaiser und Mitregent unternahm Joseph mehrere Reisen, so durch Böhmen, nach Italien und Frankreich unter seinem offiziellen Incognito als Graf von Falkenstein ( oder als Comte de Falckenstein auf seiner Reise nach Versailles ). Die linksrheinische Grafschaft Falkenstein war eine der kleineren Besitztümer der Habsburger. Incognito-Reisen des Hochadels oder auch regierender Fürsten waren im 18. Jahrhundert gängig und sollten in erster Linie den Aufwand für Repräsentationen mindern. Beliebt waren Incognito-Reisen insbesonders bei protestantischen Fürsten auf der Grand Tour nach Italien.
1764 wurde er mit Zustimmung seines Vaters, Kaiser Franz I. Stephan, in Frankfurt am Main zum römisch-deutschen König gewählt.
Wahlspruch: Virtute et exemplo = Mit Tugend und Beispiel
Joseph wurde 1765 nach dem Tod seines Vaters Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und offizieller Mitregent in den erzherzöglichen Ländern, ohne allerdings viel regieren zu können. Das erhebliche finanzielle Erbe des Vaters verwendete er zu großen Teilen für die Sanierung des Staatshaushaltes. Die Position des deutschen Kaisers war bereits zu dieser Zeit rein dekorativ, und seine Mutter Maria Theresia überwachte in ihrer Besorgnis um sein unbedachtes Wesen seine Handlungen und Entscheidungen. Wenn sie auch Joseph zuletzt bei seinen hochgreifenden Plänen hinsichtlich der bayrischen Succession viel Freiheit ließ, war es letztlich ihrem Eingreifen 1778 zu verdanken, daß der Successionsstreit nicht in einen verlustreichen Krieg eskalierte.
In vielen Fragen hatte Joseph andere, zum Teil auch konträre Meinungen zu seiner Mutter Maria Theresia, die bei ihren eigenen Reformen geistig und emotional noch im Zeitalter der Gegenreformation lebte, während Joseph bereits ein Anhänger aufklärerischer Ideen war. Nach ihrem Tod 1780 versuchte er diese Ideen politisch umzusetzen, dies allerdings auf überhastete oder undiplomatische Art, so dass viele davon durch Verzögerungen oder Widerstand letztlich unwirksam blieben.
Als er 1790 nach längerem Siechtum ungeliebt und vereinsamt an Tuberkulose verstarb, erhielt sein jüngerer Bruder Leopold II. die Kaiserwürde des Deutschen Reiches. Nur wenige trauerten um ihn: "Aus der Fackel seines Geistes ist... ein Funke gefallen, der nie mehr erlöschen wird".
[Bearbeiten] Joseph, ein aufgeklärter Absolutist
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Er gilt als Exponent des aufgeklärten Absolutismus. Für ihn war das Herrschertum ein Amt, ein Dienst am Staat als übergeordnetem Ganzen.
[Bearbeiten] Einheitsstaat Österreich
Joseph II. versuchte den Einfluss des Adels und des Klerus zugunsten der Bürger und Bauern zurückzudrängen. Die Leibeigenschaft der Bauern etwa wurde durch das Untertanenpatent am 1. November 1781 aufgehoben. Die adligen Ständeversammlungen wurden zugunsten von Staatsbeamten zurückgedrängt. Dies hatte auch mit seinen Zentralisierungstendenzen zu tun.
Ebenfalls versuchte er, aus Österreich einen Einheitsstaat mit Deutsch als Einheitssprache zu schaffen und wollte die althergebrachten Sonderrechte der Länder seines Herrschaftsbereiches abschaffen.
Er verzichtete sogar darauf, sich in Prag und Pressburg zum König von Böhmen bzw. Ungarn krönen zu lassen. Diese Bestrebungen lösten in den Österreichischen Niederlanden Unruhen aus und brachten Ungarn an den Rand eines Aufstandes.
Ein solcher Einheitsstaat sollte in erster Linie für Wohlstand und Fortkommen seiner Bürger sorgen. Im Gedächtnis blieben aber zunächst nur unwesentliche Verordnungen, z.B. Regelungen bei Begräbnisfeierlichkeiten bis in kleinste Details; Festlegung der Zahl der Kerzen, die bei einer Messe anzuzünden seien; das Verbot von Pfeffernüssen als Genußmittel, welche er für gesundheitsschädlich hielt.
Die wesentlichen, seiner Zeit teilweise vorausgreifenden Projekte wurden erst viel später nach seinem Tode anerkannt: Die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Frondienste; das durch Kataster belegbare Grundeigentum der Bauern; die Reform des Gesundheitswesens mit der Einrichtung allgemeiner Krankenanstalten und des Josephinum, einer Gleichstellung der Chirurgie mit der konservativen Medizin und dem Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesen zur Bekämpfung der allgegenwärtigen Seuchengefahr; der Ausbau des Schulwesens und die Einrichtung von Sonderschulen für Behinderte ( Taubstumme ), die er auf der Frankreichreise 1777 kennengelernt hatte; Gewährung der vollen Bürgerrechte für die Juden, was den Schulbesuch und die Zulassung zum Militär beinhaltete; eine erstmals durch einen Kunsthistoriker Christian von Mechel konzipierte öffentliche Galerie im oberen Belvedere; die in die Verantwortungnahme des Adels und die Auflösung der unproduktiven kontemplativen Orden, denen lediglich nach der Übernahme sozialer Funktionen ein Existenzrecht zuerkannt wurde; eine von Beccaria beeinflusste Reform des Justizwesens, u.a.
Richtschnur war dabei das ihm zugeschriebene Motto: „Alles für das Volk – Nichts durch das Volk“. Sein Reformwerk scheiterte letztlich am offenen und versteckten Widerstand der alten Eliten. Bei der Auswahl seiner Mitarbeiter übersah er oft deren Fehler und mangelnde Konsensfähigkeit. So bot der geniale Protochirurg Alessandro Brambilla der konservativen Ärzteschaft so viel Angriffsfläche, dass sich die Entwicklung der Chirurgie in Österreich letztlich um Jahrzehnte verzögerte. Der Graf Belgioso schweisste als Statthalter der österreichischen Niederlande durch sein ungeschicktes Agieren sogar den Klerus und die Freigeister zu einer gemeinsamen Opposition zusammen.
[Bearbeiten] Justizreformen
Dies bedeutete allerdings auch, dass die Rechtsordnung unter ihm bedeutende Fortschritte machte. 1783 wurden Teile des Eherechts in der "Verordnung in Ehesachen" kodifiziert, 1787 wurde ein neues Strafgesetzbuch erlassen, und die Ausarbeitung eines Bürgerlichen Gesetzbuches, die schließlich zum ABGB führen sollte, wurde begonnen.
[Bearbeiten] Innen- und Wirtschaftspolitik
Unter seiner Regierung wurden merkantilistische und physiokratische Ideen verwirklicht. Die Bevölkerung wurde dabei ausschließlich als Arbeitskräftereservoir angesehen.
Maßnahmen zur Hebung der Bevölkerungszahl gehen damit Hand in Hand. Vor diesem Hintergrund ist z. B. die Aufhebung der Todesstrafe 1787 zu sehen – die Delinquenten wurden schließlich für die Zwangsarbeit gebraucht.
Ebenso verwirklichte er einen straffen Polizeistaat mit Spitzelsystem. Kurze Experimente mit der Pressefreiheit wurden rasch wieder aufgegeben.
[Bearbeiten] Außenpolitik
In seiner Außenpolitik war Joseph expansiv, aber meistens nicht vom Glück begünstigt. Die Beteiligung Österreichs an der 1. Teilung Polens mit dem Zugewinn Galiziens ging auf die Initiative Preußens zurück, das als Ausgleich für Russlands Zugewinne im Krieg mit der Türkei einen Korridor durch Polen (als Verbindung zwischen Pommern und Ostpreußen) forderte. Dem war eine Politik der Annäherung an Österreich vorausgegangen, das 1771 einen geheimen Vertrag mit der Türkei geschlossen hatte und damit Druck auf Russland ausübte. Als Katharina II. von Russland von diesem geheimen Vertrag erfuhr, wurde Österreich auch ein Angebot gemacht, an der Teilung des souveränen Polens zu partizipieren. Die Initiative zu den Teilungsplänen ging also nicht von Joseph aus, zumal die Rolle Österreichs unter den europäischen Mächten 1771/72 nicht tonangebend war. Allerdings soll er im Gegensatz zu seiner Mutter keinerlei Skrupel bei diesem Handel gehabt haben.
Im Bayerischen Erbfolgekrieg, bei dem ursprünglich geplant war, Bayern an Österreich anzuschließen und dafür den Wittelsbachern die Österreichischen Niederlande zu überlassen, musste er sich letztlich mit dem Innviertel begnügen.
1780 wurde er als Verbündeter Katharinas II. in einen erfolglosen Türkenkrieg hineingezogen.
[Bearbeiten] Josephinismus
Am berühmtesten ist allerdings seine Religionspolitik, die meistens allein gemeint ist, wenn man von Josephinismus spricht.
In seinem Toleranzpatent wurde das Glaubensmonopol der Katholischen Kirche gebrochen – Protestanten und Juden durften ihren Glauben ausüben, allerdings nur unter Duldung; der Vorrang der Katholischen Kirche blieb aufrecht.
Alle Orden, die im volkswirtschaftlichen Sinne unproduktiv waren, also keine Krankenpflege, Schulen oder andere soziale Aktivitäten betrieben, wurden aufgehoben, ihr Besitz verstaatlicht. Dies führte dazu, dass viele kontemplative Abteien mit zum Teil langer Tradition geschlossen wurden. Andererseits erklärt dies, warum andere dieser Abteien noch heute z.B. Schulen betreiben. Aus dem Erlös der Aufhebungen wurde der bis ins 20. Jahrhundert bestehende Religionsfonds gegründet, der die Besoldung der Priester übernahm, die auf diese Weise zu Staatsbeamten wurden.
Auch viele Feiertage und Kirchenfeste (Wallfahrten, Prozessionen u. Ä.) wurden abgeschafft – hauptsächlich um die Arbeitsproduktivität zu erhöhen.
[Bearbeiten] Bewertung
Die historische Beurteilung seiner Person ist sehr unterschiedlich. Aufgrund der Überstürztheit und Radikalität seiner Maßnahmen, die das Leben des Einzelnen teilweise bis ins Kleinste bestimmten, war Joseph zu Lebzeiten unpopulär bis zur Verhasstheit und er musste einige seiner Reformen kurz vor seinem Tod wieder zurücknehmen.
Unter der Regentschaft seines zum Starrsinn neigenden Neffen Franz I. wurde er hingegen allmählich zu einer mit Nostalgie verklärten Lichtgestalt.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird er einerseits als fortschrittlicher Vertreter eines aufgeklärten Absolutismus gesehen, andererseits wird auch auf den paternalistischen und zentralistischen Charakter seines Regiments hingewiesen.
Nichtsdestoweniger war er einer der wichtigsten Herrscher, auf den viele konstruktive Ansätze zurückgehen und der einen bedeutsamen Reform- und Modernisierungsschub gebracht hat.
[Bearbeiten] Übersicht über die Reformen
Joseph führte viele Reformen durch, von denen er aber kurz vor seinem Tode noch viele zurücknahm.
[Bearbeiten] Staatswesen
- Aufhebung der Leibeigenschaft
- Als erster Herrscher der Welt: Abschaffung der Todesstrafe im Zivilstrafrecht (nicht im Militärstrafrecht)
- Religionsfreiheit
- Öffnung des Praters und des Augartens für die Öffentlichkeit
- Einschränkung des strengen Spanischen Hofzeremonielles
- Schutzzölle für den Handel
- Grundsteuer für den Adel
- Versuch: Deutsch als Staatssprache im Vielvölkerreich
[Bearbeiten] Soziales
- Bau von Schulen und Krankenhäusern (u. a. des alten AKH Wiens)
- Gründung von Waisen- und Armenhäusern
- Verbannung der Friedhöfe aus den Städten, um das Grundwasser zu schonen
- Einrichtung eines steirischen Volksmuseums
[Bearbeiten] Kirche
- Neugründung von Pfarren
- Auflösung von 700 Klöstern
- Verringerung des päpstlichen Einflusses
- Verbot von „abergläubischen“ Bräuchen der Kirche, gleichzeitig Religionsfreiheit für Christentum und Judentum
- Abschaffung von Särgen für jeden Toten (stattdessen ein allgemeiner Sarg, der eine Falltür hatte, ein sogenannter Klappsarg -> von den Wienern als pietätlos empfunden -> Reform zurückgenommen)
[Bearbeiten] Literatur
- Karl Gutkas: Kaiser Joseph II. Eine Biographie. Zsolnay, Wien 1989. ISBN 3-552-04128-1.
- Francois Fejtö: Joseph II. Porträt eines aufgeklärten Despoten. Matthes & Seitz, München 1987. ISBN 3-88221-512-7.
- Justin V. Prášek: Panování císaře Josefa II., I.-II., Prag 1903, 1904
- Robert Widl: Joseph II. und Isabella von Parma. Roman einer wundersamen Ehe. Stieglitz 2003
- Alfred Ritter von Arneth: Joseph II und Katharina von Russland "Ihr Briefwechsel", Wien 1869
- Friedrich Weissensteiner, Die Söhne Maria Theresias, Kremayer & Scheriau, 1991
- Lorenz Mikoletzky, Kaiser Joseph II - Herrscher zwischen den Zeiten, Göttingen-Frankfurt-Zürich 1979
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Kaiser Joseph II. – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Literatur von und über Joseph II. (HRR) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Joseph II. (HRR). In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Bd. 14, S. 542.
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
- Eintrag über Joseph II. (HRR) im Österreich-Lexikon von aeiou
Vorgänger |
Römisch-Deutscher Kaiser 1765-1790 |
Nachfolger |
Vorgänger |
König von Böhmen 1780-1790 |
Nachfolger |
Vorgänger |
König von Ungarn 1780-1790 |
Nachfolger |
Vorgänger |
König von Kroatien und Slawonien 1780 - 1790 |
Nachfolger |
Vorgänger |
Herzog von Mailand 1780 - 1790 |
Nachfolger |
Vorgänger |
Herzog von Luxemburg 1765 - 1790 |
Nachfolger |
Personendaten | |
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NAME | Joseph II. |
KURZBESCHREIBUNG | Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von 1765 bis 1790 sowie Alleinherrscher in den österreichischen Ländern von 1780 bis 1790 |
GEBURTSDATUM | 13. März 1741 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 20. Februar 1790 |
STERBEORT | Wien |