Schulmediation
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Schulmediation ist Mediation (Streitschlichtung) an Schulen. Die Mediation kann durch speziell zu Mediatoren ausgebildeten Schülern, durch externe Mediatoren oder durch ausgebildete Lehrer durchgeführt werden. In allen drei fällen wird mit den betroffenen Schülern, Eltern sowie Lehrern über mehrere Wochen durch Workshops, Seminare, Vorträge ein Lösungsprogramm vollzogen. In Österreich gibt es bereits ein solches Projekt, es läuft unter dem Namen "Nobody Is Perfect". Die Schule stellt für diese Art von Streitschlichtungen gewöhnlich einen besonderen Raum zur Verfügung. Schulmediation versteht sich als Maßnahme zur Konfliktregulierung, aber auch zur Gewaltprävention.
Die Idee zur friedlichen Lösung von Konflikten an Schulen durch Mediation stammt aus den USA. Die Erfolge dort ließen erste Nachahmungen Anfang der 1990er Jahre in Deutschland entstehen. Inzwischen verbreitet sich das Modell der schulischen Streitschlichtung in nahezu alle Bundesländer.
Ausgangspunkt für den Einsatz von sogenannten Gewaltpräventions- und Interventionsprogrammen sind die Einstellungen von Schülern zum Thema Gewalt. An diesem Punkt müssen die Schüler von den Mediatoren innerlich erreicht und abgeholt werden. Hier gilt es, den Lösungsversuchen durch Gewalt alternative Lösungen zur Streitschlichtung und -bewältigung entgegezusetzen. Erich Fromm schrieb:"Die Zerstörung ist die Kreativität des Hoffnungslosen." Dieses Zitat beschreibt kurz und knapp die Situation vieler Jugendlicher heutzutage: Diese haben häufig das Gefühl, keinen Einfluss auf gesellschaftliche und politische Prozesse zu haben, und sehen ihrer Zukunft wenig optimistisch entgegen. Im Folgenden werden zwei Beispiele für Gewaltpräventionsprogramme an Schulen vorgestellt, in denen vor allem Pädagogen als Mediatoren agieren:
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[Bearbeiten] 1. Gewaltpräventionsprogramm von Dan Olweus (1995):
Dan Olweus gilt als der Gründervater der Erforschung von Gewalt an Schulen. In zahlreichen Untersuchungen in den 80er Jahren sammelte er Wissen über die Bedingungen aggressiven Verhaltens in Schulen. Anlass der Entwicklung seines Programms waren die Selbstmorde von drei Jungen Ende 1982, die vermutlich die Folgen schwerer Gewalttätigkeit durch Gleichaltrige waren. Olweus' Programm wurde von Hanewinkel und Kraak 1997 für Deutschland an 15 000 Schülern zwischen 1994/95 in Schleswig-Holstein evaluiert und weiterentwickelt. Voraussetzung für die Durchführung ist ein vorhandenes Problembewusstsein und ein Veränderungswillen bei den beteiligten Erwachsenen, die jedoch auch durch die eingeleiteten Maßnahmen erst hervorgerufen werden können. D. Olweus warnt jedoch davor, dass eine "Aktion gegen Gewalt an einer Schule nicht zu einer Show mit kurzlebigen, fieberhaften Aktivitäten ausarten sollte." Die vorgeschlagenen Maßnahmen können entsprechend der spezifischen Situation der Schule frei ausgewählt und modulartig hintereinander geschaltet werden. Strukturell lassen sich die Maßnahmen dieses Programms auf folgenden Ebenen darstellen: a. Schulebene b. Klassenebene c. Persönliche Ebene
a. Auf der Schulebene werden nötige Rahmenbedingungen geschaffen. Zunächst wird eine anonyme Fragebogenerhebung durchgeführt, um den Ist-Zustand der Gewalttätigkeit in ihrer Ausbreitung und Intensität an der Schule zu erfassen und um ein Problembewusstsein aller Beteiligten zu wecken (Sensibilisierung für dieses Thema). Dieser Fragebogen enthält Fragen zur Gewalttätigkeit unter Schülern, zum Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern, zu Ort und Art erlebter Gewalt,... Daraufhin kann ein Pädagogischer Tag folgen, an dem neben Lehrern, Schulleitern auch Eltern- und Schülervertreter sowie externe Experten (aus Beratungsstellen/ externe Schulpsychologen) teilnehmen sollten. Anschließend kann auf einer Schulkonferenz ein offizieller Beschluss zum Start des Programms gefasst werden ebenso wie eine gemeinschaftliche Verpflichtung zur Durchführung des Programms. Eine regelmäßige Aufsicht auf dem Pausenhof ist unverzichtbar, um bei aggressivem Verhalten entschlossen einzugreifen, um zu signalisieren, dass keine Gewalt akzeptiert wird. Hingegen ist eine Aufsicht ohne Eingreifen fatal, da sie stillschweigend Billigung vermittelt. Es kann ein anonymes Telefon eröffnet werden, bei dem eine Vertrauensperson oder ein externer Experte als Gesprächspartner zur Verfügung steht, der sozial unsicheren Opfern Beistand leistet und sich ein Bild von der Situation macht. Längerfristiges Ziel sollte es sein, ein Opfer zu einem persönlichen Gespräch zu bewegen, besonders bei einer desolaten Kommunikationssituation der Schule. Sinnvoll ist es, die Zusammenarbeit von Lehrern, möglicherweise auch mit den Eltern zum Beispiel in Form einer Arbeitsgemeinschaft zu institutionalisieren.
b. Auf der Klassenebene bieten sich spezifischere Präventionsmöglichkeiten an. Schüler und Lehrer handeln gemeinsam konkrete Klassenregeln gegen Gewalt aus (Beispiel: Wir helfen den Schülern, die gemobbt werden!). Wichtig ist hierbei die Diskussion über diese Regeln in der Klasse. Verletzungen dieser Regeln sollen möglichst zeitnah und direkt negative Konsequenzen zur Folge haben, was jedoch im Schulalltag häufig nur schwer zu realisieren ist. Bei Vandalismus hat sich aktive Behebung des Schadens durch Eigenarbeit des Täters anstelle der anonymen Haftpflichtversicherung bewährt. Regelmäßige Klassengespräche sind sinnvoll, um Regeln zu verändern oder um Fragen zur Gewaltanwendung zu diskutieren mit dem Ziel, die allgemeine Einstellung zur Gewalt in der Klasse zu verändern. In diesen Gesprächen soll prosoziales und nicht-aggressives Verhalten gelobt und positiv verstärkt werden. Kombinationen von großzügigem Lob für positive Handlungen und konsequente und gezielte Strafen für aggressives, regelbrechendes Verhalten erscheinen psychologisch sinnvoll. Der Lern-und Lehrstil soll in Richtung kooperatives Lernen - eine besondere Form der Gruppenarbeit - verändert werden. Z.B. sollen in einer Gruppe von zwei bis sechs Schülern gemeinsame Aufgaben gelöst werden, so dass auch gemeinsame Erfolgserlebnisse möglich sind. Lehrer sollten sich über die sozialen Beziehungen in der Klasse im Klaren sein bzw. sich Klarheit verschaffen. Im Sportunterricht sollte mehr Fairnesstraining anstelle des aggressionsfördernen Wettbewerbs im Mittelpunkt stehen. Gemeinsame positive Aktivitäten sind zu fördern, um den Klassenzusammenhalt und das Gefühl der Solidarität zu stärken. Zu bedenken ist, dass dies für gemobbte Schüler auch negative Erlebnisse zur Folge haben kann.
c. Auf der persönlichen Ebene sind gezielte Gespräche mit den aggressiven Kindern, deren Opfern und den betroffenen Eltern beiderseits zu führen. Eine möglicherweise überdauernde Täter-Opfer-Beziehung zwischen einzelnen Kindern ist zu verändern, um den Opfern Mut zu geben, ihre Bedürfnisse durchzusetzen. Eltern von aggressiven Kindern sollen in kooperative Arbeit eingebunden werden, z.B. in einem Versuch, Täter- und Opferfamilien an einen Tisch zu setzen. Das zweite Gewaltpräventions- und Interventionsprogramm, das hier vorgestellt wird, ist eine auf der persönlichen Ebene stattfindende Maßnahme.
[Bearbeiten] 2. Streitschlichtung durch Lehrer bzw. Schüler:
Streitschlichtungsverfahren ruhen auf drei Säulen:
1. Mediation Mediation bedeutet wörtlich übersetzt Vermittlung. Dieses Konzept wurde in den 60er Jahren in den USA entwickelt und dort zunächst hauptsächlich im juristischen Bereich bei Trennungen und Scheidungen, später auch in verschiedenen anderen Bereichen angewendet. Sie dient der gütlichen Einigung zwischen den Parteien durch unparteiische, neutrale Dritte, die von allen Seiten akzeptiert werden. Nicht die Schuldfrage steht im Vordergrund, sondern, wie die Parteien in Zukunft miteinander umgehen wollen, sind also lösungs- und zukunftsorientiert. Dabei entscheidet nicht der Mediator, sondern die Parteien entscheiden, worüber sie verhandeln und wie sie ihren Konflikt lösen wollen.
2. Harvard-Konzept Das Harvard-Konzept geht auf den amerikanischen Rechtswissenschaftler R. Fisher zurück. Es geht davon aus, dass Konflikte (wohlgemerkt nicht Gewalt) im Zusammenleben normal, gleichzeitig aber auch ein Signal dafür sind, dass etwas nicht stimmt und Veränderung nötig ist. Verstehen heißt nicht unbedingt einverstanden sein! Für das pädagogische vorgehen sind folgende Prinzipien bedeutsam: Sachbezogen und zielorientiert diskutieren (Trennung von Sach- und Personenebene, Konzentration auf Bedürfnis- und Interessenausgleich (Unterscheidung von Position und Bedürfnis), Kompromiss als herkömmliches Verhandlungsmodell nicht ausreichend,sondern strebt danach, einen Konsens zu finden (sogenannte Win-Win-Situation).
3. Peer Group Education In der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen wird Gleichaltrigen eine bedeutsame Rolle in der Definition und Aufrechterhaltung der eigenen individuellen Identität zugeschrieben. Es geht darum, Kinder und Jugendliche nicht nur als Problemverursacher zu sehen, sondern ihre Problemlösungskompetenzen einzubeziehen. In jeder Peer Group gibt es Personen, die besondere Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit bei den anderen Jugendlichen genießen. Gerade diese häufig lautstarken Typen besitzen oftmals eine hohe Interventionsberechtigung in ihren Cliquen (sogenannter Akzeptanz-Bonus). Hier setzt die Peer Group Education an. Die Arbeit und Kooperation mit diesen Peers soll es ermöglichen, Jugendliche durch Gleichaltrige (mit gleichem sozialen und kulturellen Hintergrund) zu informieren und ihnen leichter Einsichten zu vermitteln. Dies ist besonders bei Schülern als Streitschlichter der Fall. Im Fall von Schülern als Mediatoren lassen sich diese freiwillig neben dem Schulunterricht für diese Aufgabe ausbilden. Diese Vorbereitung dauert meist ein halbes Jahr und wird von Psychologen oder erfahrenen Mediatoren übernommen.
Nur Schüler, die die Mediation beherrschen, dürfen sich selbst Konfliktlotsen nennen!
Literatur
Olweus, Dan (1997): Gewalt in der Schule. Huber-Verlag.
Schäfer,M.; Frey, D. (1999): Aggression und Gewalt unter Kindern und Jugendlichen. Hogrefe.