Sexuelle Appetenzstörungen
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Der Begriff Sexuelle Appetenzstörung (Appetenz, von lat. appetentia, Begehren), auch Lustlosigkeit, früher auch Alibidinie, bezeichnet im Allgemeinen den unwillentlichen Mangel (Libidomangel) oder die unwillentliche Abnahme (Libidoreduktion) an sexueller Phantasie und sexuellem Verlangen (siehe Sexuelle Appetenz).
Im Unterschied zur Asexualität identifizieren sich die betroffenen Personen nicht selbstbestimmt mit ihrer sexuellen Lustlosigkeit, sondern stehen unter Leidensdruck. Bei dem ungenauen Begriff der sexuellen Hypoaktivität (Hyposexualität) ist die sexuelle Appetenz gering ausgeprägt und wird nicht als nachteilig empfunden.
Sexuelle Appetenzstörungen gehören zu den sexuellen Funktionsstörungen. Der Zustand ist das Grundproblem und besteht nicht aufgrund (enger zeitlicher Zusammenhang) zugleich bestehender körperlicher Krankheiten (organische Störungen), psychischer Störungen oder der Wirksamkeit chemischer Stoffe. Bei der Entwicklung sexueller Funktionsstörungen tragen - wie bei den sexuellen Reaktionen selbst - sowohl psychische als auch somatische Prozesse bei. Es vermengen sich oft organische, hormonelle, gynäkologische, urologische, neurologische und psychische Aspekte.
Sexuelle Funktionsstörungen aufgrund von Erkrankungen (DSM-IV 607-25), die neben psychischen Ursachen für eine Erektile Dysfunktion verantwortlich sein können, oder auch genitale Schmerzsyndrome wie Vaginismus oder Dyspareunie zählen nicht zu den sexuellen Appetenzstörungen.
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[Bearbeiten] „Sexmuffel“
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort „Sexmuffel“ ironisierend vor allem für Männer gebraucht, die in einer Partnerschaft kaum oder kein sexuelles Interesse zeigen, oder deren Sexualität gleichgültig anmutet. Gelegentlich werden auch Tiere als „Sexmuffel“ bezeichnet, die wenig oder keine Ambitionen verspüren, mit einem Geschlechtspartner in sexuellen Kontakt zu treten. Der Begriff leitet sich von Muffel ab, einer Bezeichnung, die im Volksmund auch in anderen Wortkombinationen (wie Morgen-, Fernseh- oder Gurtmuffel) Verwendung findet und jemanden beschreibt, der einer Sache abneigend oder gleichgültig gegenübersteht.
[Bearbeiten] Gründe für die mangelnde sexuelle Aktivität
Die möglichen Gründe für das sexuell inaktive oder wenig aktive Leben sind vielfältig. Teilweise beruht das Verhalten auf hormonellen Störungen, teilweise sind psychische oder andere Störungen die Ursache. Nicht immer sind bei Menschen, die als "Sexmuffel" bezeichnet werden, sexuelle Funktionsstörungen im Spiel, und nicht immer ist ihre sexuelle Inaktivität mit einem Leidensdruck verbunden. Insofern muss die Bezeichnungsweise "Sexmuffel" von einer "sexuellen Appetenzstörung" unterschieden werden. Die sexuelle Appetenzstörung ist daher nur eine von mehreren sich manifestierenden Erscheinungsformen der mangelnden sexuellen Aktivität, die Menschen zu Sexmuffeln machen.
[Bearbeiten] Hormonell bedingte Asexualität
Asexuellen Menschen fehlt die sexuelle Anziehung. Sie haben kein Interesse am Geschlechtsverkehr, können auf jegliche sexuelle Betätigung verzichten, empfinden dies aber nicht als Nachteil. Bei der so genannten Impotentia satisfactionis des Mannes ist die Fähigkeit zur Erektion und zum Samenerguss zwar gegeben und die Zeugungsfähigkeit nicht eingeschränkt, aber der Beischlaf wird nicht als Befriedigung erlebt. Eine zusätzlich evtl. mangelnde Libido kann vorübergehend durch Stress verursacht sein oder langfristig durch einen Mangel an männlichem Geschlechtshormon Testosteron hervorgerufen werden. Die mangelnde Libido der Frau beruht nicht, wie früher vermutet, auf einem Mangel an männlichem Testosteron, das auch bei Frauen vorkommt, vielmehr spielt bei ihr eine zu geringe Konzentration des in den Nebennieren produzierten Hormons DHEA (Dehydroepiandrosteron), einer Vorstufe des Testosterons und unter bestimmten Bedingungen auch des Östrogens, die entscheidende Rolle.
[Bearbeiten] Psychische Ursachen
Psychische Ursachen können auch dafür sorgen, dass Menschen zu Sexmuffeln werden. Hierzu zählen schwere Depressionen, Angststörungen oder Minderwertigkeitsgefühle. Manche Menschen haben aufgrund einer sexualfeindlichen Erziehung oder eines traumatischen Erlebnisses in ihrer Kindheit Angst vor Sex.
[Bearbeiten] Bequemlichkeit
Neben den hormonell und psychisch bedingten Ursachen sind einige Menschen offenbar zu bequem, um sich der Anstrengung des sexuellen Aktes hinzugeben. Vor allem vorübergehende Erschöpfungszustände oder Stresssituationen im Berufsleben können bei solchen Personengruppen dazu führen, dass die Betroffenen eine Zeit lang kein Verlangen nach einer sexuellen Betätigung haben, obwohl ihr Hormonspiegel als normal bezeichnet werden muss und obwohl keine psychische Störung vorliegt.
[Bearbeiten] Medikamente und Krankheiten, die die Libido einschränken
Bestimmte Medikamente, die regelmäßig eingenommen werden müssen, können den Geschlechtstrieb nicht unerheblich einschränken. Ebenso können Krankheiten die Abnahme der sexuellen Lust bedingen.
[Bearbeiten] Unterschiedliches sexuelles Verlangen innerhalb einer Partnerschaft
Es kann sein, dass der Mann am liebsten jeden zweiten Tag, die Frau nur fünf Mal pro Monat Geschlechtsverkehr haben möchte. Es handelt sich hierbei um ein natürliches Libido-Gefälle. Problematisch wird es, wenn der Partner, der häufiger sexuell aktiv sein möchte, zu stark drängelt. Dies kann die Ursache für psychosomatische Störungen sein. Auch körperliche Symptome treten auf: So kommt es bei "überbeanspruchten" Frauen häufiger zu Scheidentrockenheit, Infektionen, Krämpfen, und die betroffenen Frauen werden zu Sexmuffeln, die eine Migräne vorschieben. Bei Männern, die weniger Lust als ihre Frauen haben, kann es zu Erektionsproblemen kommen.
[Bearbeiten] Abnehmendes Interesse am Sex
Andere Menschen verlieren mit der Zeit fast gänzlich das Interesse an ihrem Geschlechtspartner, und es kommt nur noch sporadisch zum Koitus. Oft ist dies auf die nachlassende Attraktivität des Geschlechtspartners zurückzuführen, die mit der Länge einer geschlechtlichen Beziehung oder mit dem Alter der Betroffenen einhergeht. Die Zeitschrift Psychologie heute berichtet, dass fünf Prozent der 18- bis 40-jährigen Frauen, die innerhalb einer Partnerschaft leben, im Jahre 2005 sexuell inaktiv waren. Bei den 41- bis 60-Jährigen waren es zehn Prozent, bei den über 60-jährigen 43 Prozent. Bereits nach einem Jahr Beziehung lässt schon bei jungen Menschen die Häufigkeit sexueller Handlungen nach. Ein Drittel der Männer und knapp 60 Prozent der Frauen würden nach einem Jahr von sexueller Unlust befallen. Nach sechs Jahren Beziehung ist 80 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer die Lust am gemeinsamen Liebesspiel vergangen.
[Bearbeiten] Verschwiegene Impotenz
Nicht zu unterschätzen ist bei Männern eine gegenüber dem Geschlechtspartner verschwiegene Impotenz, die dazu führt, dass sie sich nicht mehr sexuell betätigen wollen. Das mangelnde sexuelle Verlangen ist eine Art Selbstschutz, der den Mann davor bewahrt, in eine Situation zu geraten, die er als extrem peinlich und erniedrigend empfindet.
[Bearbeiten] Enthaltsamkeit aus religiösen Gründen
Manche Menschen lehnen die Sexualität aus religiösen Gründen ab. Priester sind wegen des Zölibats dazu gezwungen, ihrem natürlichen Sexualtrieb nicht nachzugeben. Andere Personen lehnen den Geschlechtsverkehr vor der Ehe ab.
Siehe auch: Asexualität, Zölibat, Askese, Triebverzicht, Sexualangst
[Bearbeiten] Unterscheidung
ICD-10 und DSM-IV unterscheiden die sexuelle Appetenzstörung nach sexuellem Appetenzmangel (allg. Inhibited Sexual Desire, ISD) und sexueller Aversion:
DSM-IV | ICD-10 |
---|---|
Störung mit verminderter sexueller Appetenz (VSA, DSM-IV 302.71, Hypoactive Sexual Desire Disorder) [1] | Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen (ICD-10 F52.0, Lack or loss of sexual desire) [2] |
Störung mit sexueller Aversion (Sexualphobie, DSM-IV 302.79, Sexual Aversion Disorder) [3] | Sexuelle Aversion und mangelnde sexuelle Befriedigung (ICD-10 F52.1, Sexual aversion and lack of sexual enjoyment) |
[Bearbeiten] Studien zur sexuellen Aktivität/Inaktivität
Laut einer vom Kondom-Hersteller Durex (jährlich) durchgeführten Online-Umfrage im Jahr 2004, an der sich 350.000 Menschen aus 41 Ländern beteiligten, kam es bei den Franzosen durchschnittlich zu 137 sexuellen Akten im Jahr. Die Deutschen dagegen lagen mit 98 Liebesakten pro Jahr unter dem Weltdurchschnitt (103 Mal). Am enthaltsamsten sind dieser Studie zufolge die Japaner, die nur 46 Mal pro Jahr Sex miteinander hatten [4].
Nach einer Studie des Georg Elias Müller-Institut für Psychologie der Georg-August-Universität Göttingen, die im November 2005 veröffentlicht wurde und bei der 13.483 Männer und Frauen nach der Häufigkeit ihrer sexuellen Kontakte befragt wurden, gaben die Mehrzahl der Befragten, nämlich 57 Prozent an, nur einmal pro Woche sexuellen Kontakt mit ihrem Partner zu haben. 17 Prozent der deutschen Paare haben sogar weniger als ein Mal im Monat Sex. Nur 28 Prozent der Befragten lebten mindestens zwei Mal in der Woche ihre Sexualität aus. Der Mittelwert lag bei 5,6 sexuellen Betätigungen innerhalb von vier Wochen [5].
Nach einer nicht unumstrittenen Studie des schottischen Neuropsychologen Dr. David Weeks (Universität Edinburgh, 1999), in der 16 Jahre lang 3500 Europäer und Amerikaner zwischen 21 und 101 (!) Jahren untersucht wurden, leben sexuell aktive Menschen gesünder. Regelmäßiger Sex ließe Menschen um bis zu zehn Jahre jünger aussehen. Dies läge hauptsächlich an den Beta-Endorphinen, Glücksbringerhormonen, die beim Geschlechtsverkehr ausgeschüttet werden. Diese lösen die Ausschüttung weiterer Hormone aus, von denen ein Teil eine positive Wirkung über Nacht entfaltet, was sich dann langfristig auch auf die Stimmung am Tage auswirkt. Während des Geschlechtsverkehrs würde zudem das Gehirn besser durchblutet, und nach dem Sex soll die Konzentrationsfähigkeit höher sein. Der Geist würde gestärkt und die Kreativität angekurbelt [6].
[Bearbeiten] Literatur
- Pschyrembel Wörterbuch Sexualität, de Gruyter, 2003, ISBN 3110169657
[Bearbeiten] Weblinks
- Interview zur Sexualtherapie beim Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit (ISG) e.V.
- Sexualstörungen, Karl C. Mayer
- Störung mit Verminderter Sexueller Appetenz, Sexuelle Störungen beim Mann. Aus Sicht der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie (GIPT), von Rudolf Sponsel, Erlangen
- Luststörung (Syn.: Libidostörung, Störung des sexuellen Verlangens)
- Sexmuffel auf Zeit
- Zahl der Sex-Abstinenzler wächst, rhein-zeitung.de
- Sexualtherapie für eine bessere Partnerschaft, stern.de
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ DSM-IV: 302.71 Hypoactive Sexual Desire Disorder (Verminderte sexuelle Appetenz)
- ↑ ICD-10: F52.0 Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen
- ↑ DSM-IV: 302.79 Sexual Aversion Disorder (Störung mit sexueller Aversion)
- ↑ Durex Global Sex Survey 2004
- ↑ Wenig Sex in vielen Partnerschaften, aerztlichepraxis.de
- ↑ Sex keeps you young, BBC, 10. März 1999