Sozialer Friedensdienst
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Ziviler Ungehorsam entwickelte sich auch in der DDR. Im Oktober 1981 verbreitete sich als Kettenbrief die Forderung einer Initiatorengruppe aus der evangelischen Weinbergsgemeinde Dresden nach einem "Sozialen Friedensdienst" (SoFd) : „(...) Die Volkskammer möge beschließen: Als gleichberechtigte Alternative zum Wehrdienst und Wehrersatzdienst wird ein ´Sozialer Friedensdienst (SoFd)´ eingerichtet. Die Erfassung, Musterung und Einberufung dazu erfolgt dem Wehrdienst entsprechend. Das Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht vom 24.1.1962 ist dahingehend zu ändern.“
Jene Gruppe von ca. 20 jungen Leuten um den Dresdener Pfarrer Christoph Wonneberger war hervorgegangen aus einer kirchlichen „Offenen Arbeit“. Der Aufruf war unterzeichnet von Christian Burckhardt, Christoph Wonneberger sowie dem Superintendenten Christoph Wetzel. In der Form eines kirchlichen "Rundschreibens" wurde das Verbot von Unterschriftensammlungen geschickt umgangen. Mangels Vervielfältigungsmöglichkeiten wurde der Brief hundertfach per Hand oder Schreibmaschine abgeschrieben. Das Anliegen, Eingaben an die Landessynoden der evangelischen Kirchen in der DDR zu senden, verbunden mit der Bitte, sich bei Gesprächen mit dem Staat für den waffenlosen Wehrersatzdienst „Sozialer Friedensdienst“ einzusetzen, kam an. Unerwartet überfluteten bis Ende 1981 mehr als 12000 Eingaben die Landessynoden. Allein zur sächsischen Herbstsynode waren es ca. 800 Eingaben mit mehr als 2000 Unterschriften. Erich Honecker schätzte diese Initiative per Fernschreiben an die SED-Bezirksleitungen als „staats-, verfassungs- und friedensfeindlich“ ein. Mit einer vernichtenden Stellungnahme des Cottbusser SED-Chefs Werner Walde Ende 1981 im „Neuen Deutschland“ brachte auch die Regierung der DDR diese Position klar zum Ausdruck. Auf diesem Novemberplenum proklamierte das ZK der SED ausdrücklich, dass „bereits unsere gesamte Republik ein Sozialer Friedensdienst sei”.
Gegen Pfarrer Christoph Wonneberger und fünf seiner engsten Mitarbeiter, darunter dem späteren Greifswalder Bischof Eduard Berger, wurde deshalb 1981 vom Ministerium für Staatssicherheit ein Operativer Vorgang (OV) „Provokateur“ eröffnet. Bis 1986 wurden fünf Bände Spitzelberichte und Massnahmepläne angelegt. Das Ziel des Geheimdienstes war die Zurückdrängung dieser unabhängigen Friedensbestrebungen, mittels Verunsicherungen im persönlichen und beruflichen Leben der Initiatoren. Während die Jugendlichen noch an vertrauensbildenden Maßnahmen bastelten, plante der Staat bereits, die unliebsame Friedenskonkurrenz mit rigiden administrativen Mitteln aus dem Weg zu schaffen.
Dies wurde möglich mit Hilfe von inoffiziellen Mitarbeiter (IM) in der Gruppe. Sie gaben sich Decknamen wie „Schnieps”, „Karl-Heinz Adam“ und IMB „Michael Müller“. Letzterer bot sich der Gruppe als Kontaktadresse an und wurde dafür von der Stasi mit monatlich 400 Mark bezahlt. Analog dazu übernahm ein IMB „Werner Lehmann“ als Beauftragter der Gruppe die Kontakte zur Evangelischen Studentengemeinde, so dass auch diese Verbindung unter Kontrolle des MfS stand.
Ostern 1982 plante die SoFd-Gruppe eine DDR-weite „Friedenssternfahrt“ aller Petenten zur Dresdener Kreuzkirche. 2000 junge Fahrradfahrer wurden erwartet. Einzelgespräche staatlicher Funktionäre mit evangelischen Bischöfen zur Zurückdrängung der Initiative hatten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Auch Bischof Schönherr erklärte im Mai 1982 auf einer Tagung der Heinemann-Initiative in Rastatt, dass „...wir Christen in der DDR gut daran tun, daß unser Friedenszeugnis rein bleibt. Wir Christen erinnern uns mit Scham daran, wie wenige von uns im verbrecherischen 2. Weltkrieg den Kriegsdienst verweigerten und dafür mit dem Leben bezahlten. Nicht zuletzt ist der Gedanke furchtbar, daß in einem nächsten Krieg Deutsche auf Deutsche schießen werden und damit das Gericht des zweiten Weltkrieges vollendet werden würde.“
Der sächsische Bischof Johannes Hempel verbot Wonneberger weitere Planungen für dieses Großtreffen in Dresden, aber versicherte gleichzeitig, das Anliegen „SoFd“ als gesamtkirchliches Anliegen weiter vorzubringen. Für die inzwischen 40 jungen Leute der Initiative gelte aber, nachdem Kirchenstaatssekretär Klaus Gysi dem Bischof Tonbänder der überregionalen Arbeitstreffen vorgespielt habe: „Wir können Euch nicht mehr schützen!”
Als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber dem Staat beschloss deshalb das 3. überregionale SoFd-Arbeitstreffen in Dresden am 28. - 30. Dezember 1981 zum Beispiel Arbeitseinsätze in staatlichen Alters- und Pflegeheimen. Der Lohn sollte für ein Warschauer Kinderkrankenhaus gespendet werden. Ein lange vorbereitetes „Friedensforum” in der Dresdener Kreuzkirche fand am 14. Februar 1982 statt, am 16. Mai das Friedensseminar Königswalde, am 27. Juni eine ‚Friedenswerkstatt’ in der Berliner Erlöserkirche. In Jena bildete sich eine „Friedensgemeinschaft“. Im Februar wurde ein Kurier der Gruppe von der Stasi verhaftet und im Juni 1982 zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Berliner Konsistorialpräsident Manfred Stolpe, dessen „differenzierte Haltung” ansonsten von Klaus Gysi gelobt wurde, charakterisierte dieses staatliche Vorgehen als „mit Haubitzen auf Schmetterlinge zu schießen”.
Die Entwicklung der Friedensgebete in der DDR
Trotzdem funktionierte über persönliche Kontakte der Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen regionalen Friedenskreisen weiter. Spätere Bausoldaten in der Gruppe wirkten maßgeblich an der systematischen Vernetzung mit. Da eine weitere zentrale Koordinierung der nichtstaatlichen Friedenskreise aufgrund heftiger staatlicher und kirchlicher Reglementierung unmöglich schien, wurde von Pfarrer Wonneberger am 8. Februar 1982 erstmals ein Konzept dezentraler Friedensgebete angeregt. Die Gruppe beschloss, weitere SoFd-Initiativen in Form von Friedensgebeten durchzuführen. In Großstädten der DDR sollten zeitgleich, wöchentlich am Samstagabend (später am Sonntag bzw. Montag), Friedensgebete in zentral gelegenen Kirchen angeboten werden. Sie hatten richtig kalkuliert: 1989 brachten diese Friedensgebete als dezentrale Proteste mit Montagsdemonstrationen die SED-Diktatur zum Einsturz.
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.archiv-buergerbewegung.de/Texte/Zeittafel.htm
- http://www.dhm.de/lemo/forum/kollektives_gedaechtnis/176/index.html
- http://www.jugendopposition.de/index.php?id=638
- http://www.welt.de/data/2007/01/25/1188064.html
[Bearbeiten] Literatur
- Kuhrt, Eberhard/ Buck, Hannsjörg F./ Holzweißig, Gunter: Opposition in der DDR. Bestandsaufnahme der DDR-Wirklichkeit in den 80er Jahren. Band 3., Leske + Budrich, Opladen 1999
- »Neues Deutschland«, 21./22. November 1981, S. 3: "Diskussionsbeitrag des Gen. Walde auf der 3. Tagung des ZK der SED"