Symbolischer Interaktionismus
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Der symbolische Interaktionismus ist eine soziologische Theorie aus der Mikrosoziologie, die sich mit der Interaktion zwischen Personen beschäftigt. Er ist eine Handlungstheorie. Sie basiert auf dem Grundgedanken, dass die Bedeutung von sozialen Objekten, Situationen und Beziehungen im symbolisch vermittelten Prozess der Interaktion/Kommunikation hervorgebracht wird.
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[Bearbeiten] Theorie
[Bearbeiten] Grundlage
Die Schule des symbolischen Interaktionismus (auch 2. Chicagoer Schule) wurde von Herbert Blumer (1900 - 1987) begründet. Blumer war ein Schüler des Sozialphilosophen und frühen Sozialpsychologen George Herbert Mead (1863 - 1931). Als Blumer den Symbolischen Interaktionismus ausarbeitete, orientierte er sich vor allem an Meads Überlegungen zur stammesgeschichtlichen (phylogenetischen) Bildung des Bewusstseins und persönlichen (ontogenetischen) Entwicklung der Identität unter Verwendung einer gemeinsamen Sprache: "Logisches Universum signifikanter Symbole". Siehe auch: John Cunningham Lilly
[Bearbeiten] George H. Meads Überlegungen zum Symbolischen Interaktionismus
Der Mensch als soziales Wesen
Die Menschen sind soziale Wesen, und dank der sozialen Beziehungen entsteht die Fähigkeit der Menschen zum Denken und zum Selbstbewusstsein. Im Gegensatz zu den Tieren, die sich rein instinktiv verhalten. So ist das Individuum mit der Gesellschaft prozesshaft verwoben und sich gegenseitig bedingend. Dementsprechend ist das Handeln der Menschen sozial erklärbar.
Entwicklung des Menschen zu einem sozialen Wesen
Mead meint, dass die Kommunikation der Faktor ist, der zur Entwicklung des Menschen zum sozialen Wesen geführt hat, weil die typische menschliche Kommunikation und auch Interaktion über „signifikante Symbole“ stattfindet. Diese Symbole sind Allgemeinbegriffe, d. h., dass das Symbol in der eigenen Identität das gleiche auslöst wie bei den Anderen. Der Sinn oder die Bedeutung eines Symbols wird bei allen Mitgliedern der Gesellschaft gleich interpretiert. Ein Beispiel dafür wäre eine Situation, in der jemand „Feuer!“ schreit. Die Menschen interpretieren das Wort, und da das ein Allgemeinbegriff ist, reagieren und handeln sie in der Situation gleich. Wie am Beispiel gesehen, wird die soziale Interaktion durch den symbolischen Interaktionismus möglich. Er setzt voraus, dass man die Fremdperspektive einnehmen und verinnerlichen kann, und sich selbst aus der Fremdperspektive betrachten kann.
Meads Sozialisationstheorie
Die organisierte Gemeinschaft oder gesellschaftliche Gruppe gibt dem einzelnen seine einheitliche Identität(dies geschieht mittels Kommunikation). Wie läuft das ab? Ein „signifikanter Anderer“ spielt eine Rolle bei der Sozialisation. Er übt prägenden Einfluss auf den Einzelnen aus. Merkmale eines „signifikantes Anderen“ sind:
emotionale Besetzung; permanente Interaktion; Machtgefälle.
Beispiele: Eltern, Lehrer
Das Kind wird zu einem Mitglied der Gesellschaft, indem es die Rollen und Einstellungen der „signifikanten Anderen“ und somit die Moral und die Normen der Gesellschaft übernimmt.
Sozialisation als Prozess der Identitätsbildung
Durch die Übernahme der Haltungen der Anderen entwickelt sich bei den Menschen die Identität und konsistentes Selbstbewusstsein. Eine Identität eines Menschen besteht aus elementaren Identitäten, die den verschiedenen Aspekten des Gesellschaftlichen Prozesses entsprechen. Die Struktur der vollständigen Identität ist somit eine Spiegelung des vollständigen gesellschaftlichen Prozesses. So wird die Identität nur möglich, wenn ein Mensch in einer Gemeinschaft oder in einer gesellschaftlichen Gruppe lebt.
Mead unterscheidet drei Stufen von Entwicklungen der Rollenübernahme, die sich nach Komplexität unterscheiden:
1)Nachahmendes Rollenspiel(play) Bezugspunkt der Perspektivenübernahme ist dabei ein individueller Anderer und Orientierungsgrundlage des Handelns sind antizipierte Handlungen. „Play“ ist nach Mead eine spielerische Interaktion des Kindes mit einem imaginären Freund. Das ist die einfachste Art, wie man sich selbst ein anderer sein kann. Diese Stufe der Identitätsbildung erreicht ein Kind, wenn es variable Rollen übernehmen kann, z. B. wenn es einen Indianer oder Verkäufer spielt. Dadurch haben Kinder zwei elementare Identitäten: ihre eigene und die gespielte (aber noch keine voll entwickelte Identität, weil die Reize in diesem Stadium noch nicht organisiert sind. Die Rollenübernahme findet also nacheinander statt und nicht gleichzeitig.).
2)Regelrechte Kooperation(game) Dies ist das zweite Stadium der Identitätsbildung. Das Wettspiel repräsentiert im Leben des Kindes den Übergang von der spielerischen Übernahme der Rolle anderer zur organisierten Rolle, die für das Identitätsbewusstsein entscheidend ist. Bei einem organisierten Spiel(Wettkampf) muss das Kind verschiedene Rollen in einer systematischen Ordnung wahrnehmen. Nur die systematische Verknüpfung der Einzelrollen ermöglicht das Spiel. Dies bedeutet, dass ein Kind bereit sein muss, die Haltung aller am Spiel beteiligten Personen zu übernehmen und diese Rollen müssen eine definitive Beziehung zueinander haben. Beispiel :Baseball Bevor ein Kind einen bestimmten Wurf macht , so muss es wissen, um ein erfolgreiches Spiel zu leisten, wie die anderen Teilnehmer auf seine Tat reagieren werden.. Dies wird dann erst möglich, wenn es verschiedene Rollen(z. B. des Fängers und des Werfers) übernimmt. Die Reaktionen der anderen müssen so organisiert sein, dass die Haltung des einen Spielers die Haltung des anderen auslöst. Bei dieser Stufe ist der Bezugspunkt der Perspektivenübernahme die begrenzte Gemeinschaften, in denen das Kind sich befindet. Dabei handelt das Kind unter Berücksichtigung der gemeinschaftsspezifischen Normen.
3)Universelle Kooperation und Verständigung Bezugspunkt der Perspektivenübernahme ist dabei die universelle menschliche Gesellschaft (universeller anderer), so zu sagen eine Weltgesellschaft. Das Handeln soll dabei nach einem Universalisierungsprinzip ablaufen. Dafür müssen gemeinsame Normen und Symbole geschafft werden, damit der Zusammenhang zwischen verschiedenen Gesellschaften besteht.
Persönlichkeitstheorie
Es gibt keine Identität ohne Berücksichtigung der sozialen Ordnung, aber man kann auch nicht sagen, dass die Identität nur in der Organisation gesellschaftlicher Haltungen existiert. Es gibt einen individuellen Raum, der auch zur Bestimmung des Handelns eines Menschen beiträgt. So besteht die Identität(selbst) aus zwei Teilen: das „me“ und das „I“ Das „I“ oder personales selbst bezeichnet Spontaneität, Kreativität und das einmalig Subjektives. Das „me“ oder soziales selbst bezeichnet die Vorstellung von dem Bild, das der andere von mir hat, die Verinnerlichung seiner Erwartungen an mich. Das „me“ als Niederschlag einer Bezugsperson in mir ist Bewegungsinstanz für die Strukturierung der spontanen Impulse. Die beiden Teile befinden sich ständig im inneren Dialog. Der Dialog entscheidet über die weitere Handlung einer Person. Der Ausgang dieses ist aber zunächst offen, weil die Gewichtung zwischen „me“ und „I“ von mehreren Faktoren abhängt.
Phasen des Selbst im inneren Dialog
Phase I:Handlungsentwurf des Individuums("I")
Phase II:Stellungnahme aus der Perspektive des generalisierten anderen("me")
Phase III:Stellungnahme und Entscheidung des Individuums("Self")
[Bearbeiten] Symbolischer Interaktionismus nach Herbert Blumer
Grundannahmen
Blumer stellte 1981 folgende Grundannahmen zum Symbolischen Interaktionismus auf:
1.Menschen handeln gegenüber Dingen auf der Grundlage der Bedeutungen, die diese Dinge für sie besitzen.
2.Die Bedeutung der Dinge entsteht durch soziale Interaktion.
3.Die Bedeutungen werden durch einen interpretativen Prozess verändert, den die Person in ihrer Auseinandersetzung mit den ihr begegnenden Dingen benutzt.
Weitere Grundannahmen :
->Menschen erschaffen die Erfahrungswelt, in der sie leben.
->Die Bedeutungen dieser Welten sind das Ergebnis von Interaktionen und werden durch die von den Personen jeweils situativ eingebrachten selbstreflexiven Momente mitgestaltet.
->Die Interaktion der Personen mit sich selbst ist mit der sozialen Interaktion verwoben und beeinflusst sie ihrerseits.
->Formierung und Auflösung, Konflikte und Verschmelzungen gemeinsamer Handlungen konstituieren das soziale Leben der menschlichen Gesellschaft.
->Ein komplexer Interpretationsprozess erzeugt und prägt die Bedeutung der Dinge für die Menschen.
Die Aktivität der Menschen besteht also laut Blumer darin, dass sie den Situationen begegnen, in denen sie handeln müssen.Ihr Handeln ist auf der Grundlage dessen aufgebaut, was sie wahrnehmen, wie sie das Wahrgenommene einschätzen und interpretieren und welche Art geplanter Handlungslinien sie entwerfen.
Soziales und individuelles Handeln
Diese Interpretation menschlichen Handelns lässt sich ebenso auf gemeinsames, kollektives Handeln anwenden, an dem eine Vielzahl von Akteuren bzw. Individuen beteiligt ist. Soziales Handeln|Gesellschaftliches Handeln (im wörtlichen Sinne, d.h. Handeln in einer Gesellschaft / in einem sozialen Umfeld) lässt sich somit nach Blumer immer als soziales Handeln benennen. Da gesellschaftliche Handeln immer von Individuen ausgeht, ist es durch den symbolischen Interaktionismus möglich, dieses Handeln sowohl in seinem gemeinsamen, kollektiven Charakter zu betrachten wie auch in seinem individuellen, d.h. durch die symbolischen Interaktionen einzelner Individuen konstituierten Komponenten.
Menschliches Zusammenleben
Gemeinsames, kollektives Handeln stellt für den symbolischen Interaktionismus immer das Resultat bzw. den Verlauf eines Prozesses gegenseitig interpretierender Interaktionen dar. Menschliches Zusammenleben besteht also in dem gegenseitigen Aufeinanderabstimmen der Handlungen durch die Beteiligten, wobei der spezifische Charakter der gemeinsamen Handlungen in der Verbindung der Beteiligten selbst begründet ist.
Das gemeinsame Handeln bezeichnet Blumer auch als das „verbundene Handeln der Gesamtheit“. Somit ist das gemeinsame Handeln die Gesamtheit der Verkettungen / Aufeinanderabstimmungen einzelner Handlungen der Individuen und somit das Ergebnis einer fortwährend ablaufenden, niemals abgeschlossenen Entwicklung.
Menschliches Zusammenleben besteht also „aus und in dem gegenseitigen Aufeinanderabstimmen der Handlungslinien durch die Beteiligten“, wobei der spezifische Charakter der gemeinsamen Handlungen in der Verbindung eben dieser selbst begründet und unabhängig von dem ist, was jeweils verbunden oder verknüpft wird.
- Das gemeinsame Handeln, welches Blumer auch als das „verbundene Handeln der Gesamtheit“ bezeichnet, ist somit immer die Gesamtheit der Verkettungen / Aufeinanderabstimmungen einzelner Handlungen der Individuen und somit das Ergebnis einer fortwährend ablaufenden, niemals abgeschlossenen Entwicklung.
Deutungen
Wenn man diejenigen Fälle betrachtet, in denen das gemeinsame Handeln wiederkehrend und stabil ist (also gesellschaftlich gefestigte, sich wiederholende Muster gemeinsamen Handelns), so haben die an der jeweiligen Situation beteiligten Menschen im Voraus ein Verständnis davon, wie sie und andere handeln wollen und wahrscheinlich werden. Dieses Verständnis ergibt sich aus den gemeinsamen, schon bestehenden Deutungsmustern bzw. Deutungen dessen, was von der Handlung eines Teilnehmers einer Situation zu erwarten ist. Aufgrund eben dieses Verständnisses ist jeder Teilnehmer in der Lage, sein eigenes Verhalten auf der Grundlage dieser Deutungen zu steuern.
Das Entstehen von sozialen Normen und Regeln
Hierbei besteht die Gefahr, Ursache und Wirkung dahingehend zu vertauschen, dass man zu dem Schluss kommen könnte, es seien die Normen, Regeln, Werte und Sanktionen, welche das Handeln der Menschen determinieren. Und zwar indem sie vorschreiben, wie Menschen in den unterschiedlichsten Situationen zu handeln haben.
Jedoch werden laut Blumer die Interaktionen der Teilnehmer einer Situation nicht von den Werten und Normen determiniert; sondern die Werte und Normen werden erst durch das kontinuierliche Aushandeln von Bedeutungen in den Interaktionen der Teilnehmer konstituiert.
Dies gilt auch wenn die Handlungen konsistent bleiben. Denn auch wenn es sich um eine dauerhaft bestehende und wiederkehrende Form gemeinsamen Handelns dreht, muss jede einzelne Wiederholung einer solchen gemeinsamen Handlung erneut entwickelt werden. Wenn sich die Handlung wiederholt, so tun die Teilnehmer dies, indem sie dieselben wiederkehrenden und konstanten Bedeutungen benutzen.
Hierbei könnte man allerdings erörtern, ob die jeweiligen Handlungen dennoch eine einzigartige Qualität besitzen, da selbst bei konstant bleibenden Deutungen keine Situation genau wie die andere sein wird.
Akzeptiert man die ständige Neubildung von Handlungen und Deutungen, auch wiederkehrender, bedeutet dies gleichsam eine Verschiebung der Perspektive. Folglich ist es nicht die gemeinsame Handlung, die sich einer immer schon vorhandenen („über allem schwebenden“) Regel oder Norm unterordnet; sondern, die Regeln und Normen entstehen dann, wenn Bedeutungen ausgehandelt werden und die gemeinsamen Handlung konstruiert wird.
Fazit
Sowohl wiederkehrende Handlungen als auch neue Formen gemeinsamen Handelns sind also das Ergebnis eines durch Interaktion angetriebenen Interpretationsprozesses.
[Bearbeiten] Literatur
- Heinz Abels, Interaktion, Identität, Repräsentation. Kleine Einführung in interpretative Theorien der Soziologie. 3.Auflage. Wiesbaden 2004: VS Verlag
- Herbert Blumer, Der methodologische Standort des symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.), Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1973 (1981 ISBN 3-531-22054-3)
- Kaesler, D. / Vogt, L. (Hgg): Hauptwerke der Soziologie, Stuttgart 2000, S. 298-299.
- Mead, Georg H.: Geist,Identität und Gesellschaft, Frankfurt 1978, S. 187 - 221.