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Terramare

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Vereinfachte Karte der zentraleuropäischen Kulturen um 1200 v. Chr., die Terramare-Kultur ist blau dargestellt
Vereinfachte Karte der zentraleuropäischen Kulturen um 1200 v. Chr., die Terramare-Kultur ist blau dargestellt

Terramaren bezeichnet Siedlungen, die während der mittleren Bronzezeit in der Poebene, in Italien, insbesondere südlich des Flusses, in der Emilia Romagna aber auch in der Lombardei, dort hauptsächlich am Gardasee und im Gebiet um Verona ober auch im Piemont, im Venetien und im Friaul entstanden. Die Terramare werden allgemein zu den Pfahlbau- bzw. Feuchtbodensiedlungen gerechnet.

Die ersten Pfahlbausiedlungen in Europa entstehen etwa 4250 v. Chr. beinahe zeitgleich in der Vasi a bocca quadrata-Kultur in Norditalien und in der Aichbühler- und Schussenrieder Gruppe in Deutschland. Um 3500 v. Chr. ist das zirkumalpine Phänomen der Pfahlbauten bereits zwischen der Franche Comté und Slowenien über einige Kulturen in Deutschland, der Schweiz und Österreich verbreitet. In Norditalien ist die Lagozza Kultur ihr Träger. Nach einem Hiatus dieser Bauform, der in Italien etwa 1500 Jahre anhält, lebt der Gedanke um 1750 v. Chr. mit den Terramaren wieder auf. Jetzt ist die Polada- und die Terramaren-Kultur des so genannten "Bronze medio"-Kulturgruppe ihr Träger. Diese letzte Phase, wenn man sie überhaupt mit der Frühphase in Verbindung bringen kann, verebbt nach etwa 500 Jahren. [1]

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Namensgebung

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde auf den ansonsten tonreichen Äckern der Poebene archäologisch fundreiche Erde, die größere Anteile Mergel enthielt, als Dünger verwendet. Ihr Name terra-marne (Mergel) wurde später zu Terramare verschliffen. Heute sind als Folge dieses Vorgehens die meisten alten Siedlungsplätze zerstört.

[Bearbeiten] Forschung

Die wissenschaftliche Erforschung der Terramaren erfolgte zweiperiodig. Sie begann bereits in der Geburtsstunde der prähistorischen Archäologie Italiens im Kontext mit den Analysen der zirkumalpinen Pfahlbauten, wurde dann jedoch für beinahe ein Jahrhundert unterbrochen.

Zwischen l860 und 1880 sammelten Luigi Pigorini (1842 – 1925 - nach ihm ist das National Museum in Rom benannt), Gaetano Chierici (1838 - 1920) und Pellegrino Strobel (1821 -1895) stratigraphische Informationen in den Terramaren. Ab den 1985er Jahren richtete sich das Interesse der Forschung verstärkt auf die Terramaren, um ihre Gesellschaftstruktur zu erkunden. Die ältere Bronzezeit, zwischen dem Ende des 30. und dem 17. Jahrhundert v. Chr., hat in der Emilia Romagna wenig Spuren hinterlassen, in diesem Zeitraum war die Gegend vermutlich dünn besiedelt. Im 16. und 15. Jahrhundert. v. Chr wurden etwa 60 Terramaren errichtet, was mit einem starken Bevölkerungswachstum einherging. In der Frühphase war die Größe der Siedlungen mit 1 - 1,5 ha recht einheitlich. Ab dem 14. Jahrhundert tritt eine größere Fluktuation ein, Siedlungen werden aufgegeben oder vergrößert, einzelne Siedlungen werden bis zu 20 ha groß. Nur etwa jede zehnte Siedlung war vier bis fünf Jahrhunderte lang kontinuierlich besiedelt.

[Bearbeiten] Landwirtschaft

Durchgeführte Pollenanalysen in Monte Leoni (Parma), Tabina (Modena) und Poviglio zeigen, dass die Umgebung der Siedlungen Weizen, Gerste und [Hafer]] und einige Gemüsearten, insbesondere die Saubohne angebaut wurden. Genutzt wurden auch Apfel, Birne, Brombeere, Kornelkirsche und Feige, möglicherweise auch Wein. Gesammelt wurden Haselnüsse, Eicheln und Beerenfrüchte. Die in der ansonsten für die Landwirtschaft gerodeten Siedlungsumgebung stehen gebliebenen Waldinseln bestehen aus Erlen, Ahorn, Hasel, Holunder und vereinzelt Eiche.

Von weiterer Bedeutung war primär die Haltung von Rindern, aber auch von Schafen und Schweinen. Sie wurden sowohl für Sekundärprodukte (Knochengerät, Fell etc.), die Rinder auch als Arbeitstiere genutzt. Die Jagd spielte dagegen eine geringe Rolle. Pferde wurden in geringer Zahl nachgewiesen, es fanden sich auch (Votivfiguren aus Ton). Diese Figuren sind ein Hinweis auf die soziale Bedeutung der Pferdes [2]

[Bearbeiten] Poviglio

Die Terramare San Rosa di Poviglio wurde großflächig ausgegraben, und wird in Anbetracht der mageren Datenlage als beispielhaft für die Terramare gesehen[3]. Die Siedlung wurde mehrfach gegründet: Anfangs war die weniger als einen Hektar große Fläche mit einem Graben und einer Palisade umgeben. Später wurde letztere durch einen Wall ersetzt. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts wurde das Dorf südlich des Walls um das fünffache erweitert. Diese nun 5 ha große Anlage war mit einem neuen Wall und einem kleinen Graben umgeben.

Innen bestand die Bebauung aus Silogruben für Getreide, Zisternen und aus Pfostenreihen, deren Orientierung in einigen Siedlungen, so auch in Poviglio konstant bleibt. Die Pflaster aus gestampfter und im Feuer gebrannter Erde scheinen in Muraiola di Povegliano Veneto, zu ebenerdigen Strukturen, in Poviglio dagegen zu abgehoben, auf einer hölzernen Plattform errichteten Strukturen zu gehören. Ähnliche Muster wurden in der Levante gefunden und anlässlich der Ausgrabung von Dhra, am Toten Meer einer Darre zugeordnet[4]. In Poviglio fand man in Verbindung mit den Pfostenreihen von Keramik und Lehmresten umgebene konische Aschehaufen. Da Mollusken-Untersuchungen und bodenkundliche Analysen belegen, dass an diesem Ort kein Wasser stand, dürfte es sich um eine Aufpfählung auf trockenem Land gehandelt haben.

[Bearbeiten] Kulturgut

Neben den Kochgefäßen, die sich in den Formen wiederholen, wurden große, bikonische Vorratsgefäße, Feinkeramik, Ess- und Trinkgeschirr gefunden. Keramik ist durch Material- und Formenreichtum gekennzeichnet und deutet auf hohes technisches Niveau hin.[5] Die Verzierung der Henkel mit hornförmigen Fortsätzen, die symbolisches Format besaßen, tritt innerhalb des Gebietes der Terramaren regional begrenzt auf und verändert sich mit der Zeit.

Es wurden viele Bronzegegenstände gefunden, in Italien sind nur die Funde im Gebiet um den Gardasee reichhaltiger. Das Formenspektrum der südlichen Terramarebronzen ähnelt diesen. Durch zahlreiche Gegenstände und Abfälle ist Knochen- und Geweihbearbeitung belegt, vor allem die von Hirschgeweih. Ihre Standardisierung in Form, Größe und Verzierung besonders am Ende der mittleren Bronzezeit deutet auf Produktion in spezialisierten Werkstätten hin.

Eingeführt wurden Bernsteinperlen aus dem Baltikum und durchbohrte Muscheln, die aus fossilen Lagerstätten oder von der adriatischen oder tyrrhenischen Küste stammen. Außerdem wurden Bronzen,Pfeilspitzen, Rasiermesser und Sichelklingen aus Silex gefunden (Ende der späten Bronzezeit). Sie stammen wahrscheinlich aus der Gegend um Verona. Ein Beispiel, das vielleicht für Handel, auf jeden Fall aber für kulturinternen Tausch spricht, ist die Existenz von Mahlsteinen, aus appeninischem Sandstein, mitunter auch Tuff oder aus Granit, der aus der Gegend nördlich des Gardasees stammt. Diese Güter wurden vermutlich in Einbäumen auf dem Wasserweg transportiert, aber auch ein Transport mit Wagen sind wäre denkbar[6].

[Bearbeiten] Kult und Gräber

In Poviglio konnte ein für die Niederlegung von Weihegaben bestimmter Bereich lokalisiert werden. Auf wenigen Quadratmetern lagen hier 20 Hengstfigürchen, die ein ausgeprägtes Geschlechtsteil aufwiesen, so dass diese Darstellung mit Fruchtbarkeitsriten in Zusammenhang stehen dürfte. Votivobjekte zählen allerdings zu den raren Zeugnissen der Kultur. Es handelt sich um recht rohe Tierfiguren ohne künstlerischen Wert, Brotlaibidole oder Miniaturgefäße, die als Beleg für eine an den Haushalt gebundene Herstellung bzw. Kultausübung interpretiert werden.

Unterschiede im Totenbrauchtum der Terramaren-Leute werden in der Lombardei und der Emilia Romagna fassbar. In beiden Gegenden wurde Kremation praktiziert. In der Emilia wurden die Urnen ohne Beigaben und sonstige Auszeichnung mit Tonschüsseln bedeckt auf Friedhöfen etwa 100 Meter außerhalb der Siedlungen beigesetzt, teilweise in Reihen übereinander. Dies wird als Hinweis gesehen, dass kein Interesse daran bestand, an die soziale Stellung oder Identität des Verstorbenen zu erinnern.[7]. In der Lombardei wurden auch hingegen auch Körperbestattungen mit Grabbeigaben gefunden wie etwa Schwerter in zehn gruppierten Gräbern in der Nekropole von Olmo di Nogara bei Verona.

Diese Kreamation wird als Zeichen der Indoeuropäisierung der Halbinsel angesehen.

[Bearbeiten] Ende der Terramaren

Mitte des 12. Jahrhunderts v. Chr. wurden, offenbar überraschend, alle Terramaren aufgegeben. In der Emilia Romagna lebte in mehr als 60 Siedlungen eine Bevölkerung die auf ca. 35000 Personen geschätzt wird. Einige Jahrhunderte, bis zur erneuten Kolonisierung durch die Etrusker im 6. Jahrhundert, war die mittlere Poebene dann scheinbar entvölkert, es gibt keine Funde aus dieser Zeit. Die früher vertretene Hypothese einer Klimakatastrophe konnte durch Untersuchungen in Poviglio widerlegt werden: Pollenanalysen zeigen, dass die Sedimentation zwischen der Bronze- und der römischen Zeit kontinuierlich verlief. Ein Grund für die Aufgabe kann die Auslaugung der intensiv genutzten Ackerflächen sein. Ein weiterer eine gestiegene äußere Bedrohung. Auf diese weisen die gegen Ende der Besiedlung deutlich vergrößerten Verteidigungsanlagen hin. Gegen wen diese scheinbaren Verteidigungsanlagen errichtet wurden ist unbekannt. Die Kultur zerfiel während der Periode als sich die Protovillanova-Kultur herausbildet.

Es existieren Freilichmuseen an folgenden Orten:

  • Ledro: Museo tridentino di scienza naturaliam Lago di Ledro
  • Trento: Museo d´elle Palafitte

[Bearbeiten] Quellen

  1. Strahm 1997, Chronologietabelle Seite 125
  2. Brea 1997, Seite 66
  3. Brea 1997, Seite 65
  4. M. Ziegler 2004, Bericht im Daily Star (Libanon)
  5. Brea 1997, Seite 68
  6. Brae 1997, Seite 68
  7. Brea 1997, Seite 69

[Bearbeiten] Literatur

  • Maria Bernabò Brea: Die Terramaren in der Poebene in: Helmut Schlichtherle (Hrsg.) Pfahlbauten rund um die Alpen, 1997, Stuttgart:Konrad Theiss Verlag
  • Christian Strahm: Chronologie der Pfahlbausammlungen in: Helmut Schlichtherle (Hrsg.) Pfahlbauten rund um die Alpen, 1997, Stuttgart:Konrad Theiss Verlag
  • A. Pedrotti u.a.: Le palfitte dell´arco alpino meridionale In. Archäologie der Schweiz 2004/2


[Bearbeiten] Weblinks

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