Voith-Schneider-Antrieb
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Der Voith-Schneider-Propeller (VSP) ist ein Schiffsantrieb, bei dem der Schub in der Größe und Richtung beliebig eingestellt werden kann, ohne dass die Drehzahl verändert wird. Die Steuerung erfolgt durch Einstellung der Steigung für die Richtung voraus – zurück (Fahrt) und durch die Einstellung quer zum Schiff (Ruder). Diese Art der Steuerung verleiht dem Schiff höchste Manövrierfähigkeit und erlaubt eine sehr feine Dosierung des Schubes und extrem schnellen Wechsel der Schubrichtung ohne Änderung der Drehzahl. Wird das Schiff mit 2 oder mehr VSP ausgerüstet, kann sich das Schiff in jede Richtung bewegen, auch seitlich (traversieren).
Voith-Schneider-Propeller werden vorrangig dort eingesetzt, wo hohe Anforderungen an die Sicherheit und an die Manövrierbarkeit von Schiffen gestellt werden. Das Besondere des Voith-Schneider-Propellers ist seine vertikale Drehachse. Der Schub wird von individuell schwingenden, ausbalancierten Tragflügeln erzeugt.
Eine Schubverstellung kann aufgrund seines physikalischen Wirkprinzips und seines konstruktiven Aufbaus extrem schnell erfolgen. Der VSP ist ein flexibler Verstellpropeller, der eine stufenlose Schubveränderung variabel in 360° ermöglicht. Er ist gleichzeitig Antrieb und Steuerung. Insbesondere die schnelle und stufenlose Schubvariation nach X/Y-Koordinaten erhöht die Sicherheit des Schiffshandlings. Voith-Schneider-Propeller arbeiten mit vergleichsweise sehr geringen Drehzahlen. Deshalb zeichnen sie sich durch Langlebigkeit und einen sehr geringen Wartungsaufwand aus.
Eingesetzt werden VSP zur Zeit hauptsächlich bei Schleppfahrzeugen, Doppelendfähren, Fahrgastschiffen, Tonnenlegern, Minenbekämpfungsschiffen, Bohrinselversorgungsschiffen (PSV), Bugsteuermodulen (BSM), Megayachten und Schwimmkränen. Hervorzuheben ist die Entwicklung des Voith-Wassertreckers (VWT). Dieser Schleppertyp hat die Sicherheit in der Schleppschifffahrt maßgeblich erhöht. Beim Eskortieren von Schiffen mit gefährlicher Ladung erzielt der Voith-Wassertrecker sehr hohe Assistenzkräfte durch sein optimales Schiffskonzept. Auch bei hohen Geschwindigkeiten ermöglicht er einen sicheren Eskortbetrieb. Mit dem Voith-Wassertrecker wurde die indirekte Methode zur Schiffsassistenz in den Bugsierbetrieb eingeführt.
Erfunden wurde der Voith Schneider Propeller von Ernst Schneider. Entwickelt und produziert wird er seit 1926 von der Firma Voith in Heidenheim.
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[Bearbeiten] Funktionsweise
Die Flügel des Voith Schneider Propellers bewegen sich auf einer Kreisbahn und führen dabei eine zusätzliche überlagerte Schwenkbewegung aus, die durch das „Normalenschnittgesetz“ definiert wird. Das Normalenschnittgesetz geht auf Ernst Schneider zurück.
Die Normalen der Profilsehnen schneiden sich während des Umlaufes in einem Punkt, dem Steuerpunkt N. Das Bild 1 zeigt die Blattbewegungen a) für einen Betrachter, der sich auf dem Propeller befindet und sich mit ihm bewegt sowie b) für einen ortsfesten Betrachter. Die Exzentritzität e, sie wird auch als Steigung bezeichnet, ist für den Voith Schneider Propeller definiert als:
Die Steigung des Voith Schneider Propellers kann variabel im Bereich e < 1 eingestellt werden. Sie ist bei den aktuellen Propellers aus konstruktiven Gründen auf e < 0,8 begrenzt.
Die im Bild 1 dargestellte Bewegung des Flügels relativ zu einem ortsfesten Betrachter entsteht durch die Überlagerung der Drehbewegung und der gradlinigen Bewegung. Die von dem Blatt durchlaufene Kurve wird als verlängerte Zykloide bezeichnet. Der Rollradius der Zykloide ist λD/2. Während einer Umdrechung hat der Propeller die Entfernung λDπ in Fahrtrichtung zurückgelegt. Aufgrund der von einem Blatt durchlaufenen Zykloidenbahn wird der Voith Schneider Propeller auch als Zykloidalpropeller bezeichnet.
Zur Schuberzeugung werden die Flügel um einen Winkel α gegenüber der Flügelbahn angestellt. Infolge der Anströmung unter einem Anstellwinkel α entsteht am Flügel eine hydrodynamische Auftriebkraft (A) und Widerstandskraft (W). Die Widerstandskraft setzt sich aus dem induzierten Widerstand und dem Profilwiderstand zusammen.
Bild 2 veranschaulicht die Schuberzeugung. Die Veränderung des Steuerpunktes erfolgt mit Hilfe der Kinematik.
In Bild 3 sind die am Propeller wirkenden Kräfte für ausgewählte Flügelpositionen dargestellt. Der Auftrieb verändert sich während des Umlaufes infolge der instationären Anströmung an den Propellerflügeln. Die quer zur gewünschten Schubrichtung wirkenden Kräfte heben sich auf, während die Kräfte in Schubrichtung sich über den Propellerumfang addieren.
Voith Schneider Propeller arbeiten mit sehr geringen Drehzahlen. Sie betragen nur ca. 25% der Drehzahlen von Schraubenpropellern mit vergleichbaren Größen und Leistungen. Mit der geringen Drehzahl sind hohe Momente verbunden, die zu einer robusten Konstruktion führen, die allerdings als Nachteil ein erhöhtes Gewicht impliziert.
VSP-Antriebe werden bis ca. 4000 kW Leistungsaufnahme gebaut und weisen Flügelkreisdurchmesser bis 4,0 m auf. Die Flügellänge wird mit einer Länge von bis zu 82% des Flügelkreisdurchmessers ausgeführt. Der Antrieb erfolgt meist durch Dieselmotoren oder Elektromotoren bei See- und Binnenschiffen.
[Bearbeiten] Vergleich
Ein wesentlicher Unterschied des Voith Schneider Propellers im Vergleich zum Schraubenpropeller besteht in der Lage der Drehachse relativ zur Schubrichtung. Während beim Schraubenpropeller Drehachse und Schubrichtung weitestgehend identisch sind, stehen sie beim VSP senkrecht aufeinander (Bild 4).
Deshalb existiert für den VSP keine bevorzugte Schubrichtung. Der Voith Schneider Propeller ist ein Verstellpropeller, der eine stufenlose Variation des Schubes bezüglich Größe und Richtung ermöglicht.
Da der VSP gleichzeitig Antriebs- und Steuerkräfte erzeugt, sind zusätzliche Anhänge – wie Wellenblöcke, Schiffruder, Gondeln, Schäfte etc. – bei Schiffen mit VSP nicht erforderlich.
Die rechteckige Strahlfläche eines VSP ist bei gegebenen Einbauverhältnissen in etwa doppelt so groß wie die einer Schraube (Bild 5).
[Bearbeiten] Verwendung
Wegen seiner ausgezeichneten Eigenschaften zur Erhöhung der Manövrierbarkeit von Schiffen und seiner sehr guten Steuerbarkeit wird der VSP bei Schleppfahrzeugen, Doppelendfähren, Fahrgastschiffen, Tonnenlegern, Schwimmkränen, Bohrinselversorgungsschiffen (PSV), Bugsteuermodulen (BSM), Megayachten und solchen Fahrzeugen eingesetzt, die hohe Manövrierfähigkeit benötigen oder das Schiff gegen Wind, Strömung und Wellen auf der Stelle halten können (dynamic positioning). Im Binnenschiffbau kommt der VSP auch beim Antrieb von Schubverbänden (BSM) zur Anwendung. Besonderen Einsatz findet der Propeller bei Minensuchbooten. Schon während des 2. Weltkriegs waren Minensucher in der Capella-Klasse mit 2 VSP ausgerüstet.