Vollbeschäftigung
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Vollbeschäftigung ist nicht eindeutig zu definieren. Eine mögliche näherungsweise Definition ist: Vollbeschäftigung herrscht dann, wenn alle, die arbeiten wollen, eine bezahlte Arbeit haben. Diese Arbeit kann selbstständig oder abhängig sein.
Eine weitere mögliche Definition, die von einfach handhabbaren Zahlen ausgeht, ist: Vollbeschäftigung ist ein Zustand mit weniger als 2 % Arbeitslosenquote. Aber letztlich ist jede Definition, die mit einer konkreten Arbeitslosenquote arbeitet, willkürlich. Hat man in Westdeutschland in den Zeiten des Wirtschaftswunders und des Arbeitskräftemangels noch die Ein-Prozent-Marke als Grenze zur Vollbeschäftigung betrachtet, werden seit den 1990er Jahren mehrheitlich Marken von 4, 5 oder gar 6 % als Maßstab genommen.
Beide Arten der Definition haben Mängel. Bei der ersten sind Messungen schwierig, bei der zweiten fehlen alle die, die in der Statistik nicht erfasst sind.
Nicht zur Vollbeschäftigung zählt zum Beispiel ehrenamtliche Tätigkeit, diese können auch Arbeitslose haben.
Es gibt eine volkswirtschaftliche Theorie, die sagt, dass Vollbeschäftigung in deregulierten Märkten automatisch entsteht, falls Marktversagen ausgeschlossen werden kann. Diese kann aber kaum den Zustand der hohen tatsächlichen Arbeitslosigkeit erklären, es sei denn, man geht grundsätzlich von Marktversagen (Krisen, zyklischen Krisen) aus. Allerdings führt nach dieser Theorie auch höheres und länger gezahltes Arbeitslosengeld zu einer höheren Arbeitslosenquote.
Andere Theorien sagen, dass Vollbeschäftigung innerhalb eines kapitalistischen Systems grundsätzlich nicht erreicht werden könne, zumindest nicht dauerhaft. Das läge an den Regelungsmechanismen des kapitalistischen Marktes.
In sozialistischen Volkswirtschaften wurde praktisch Vollbeschäftigung erzielt, jedoch zulasten der Volkswirtschaft, wie z.B. durch Doppelbeschäftigung.
Der Vollbeschäftigung als wichtiges Ziel der Politik und Teil des magischen Vierecks steht jedoch ein gesellschaftliches Gerechtigkeitsempfinden gegenüber, mit dem Wunsch einer Umverteilung zugunsten der Schwachen der Gesellschaft. Beispielsweise verhindern Steuereinnahmen zum Zweck dieser Umverteilung durch Nettowohlfahrtsverluste ein Marktgleichgewicht. Um "soziale Gerechtigkeit" zu erreichen nimmt man hierbei eine gewisse Arbeitslosigkeit bewusst in Kauf.
In vorkapitalistischen Gesellschaften war der Begriff noch nicht relevant, da es den Begriff der Arbeitslosigkeit noch nicht gab.
Tatsächlich ist wohl auch in komplett deregulierten Volkswirtschaften eine Vollbeschäftigung nicht erreichbar. Man geht davon aus, dass es grundsätzlich eine natürliche Arbeitslosigkeit gibt. Selbst in relativ deregulierten Staaten wie der Schweiz oder Norwegen, die wegen ihrer ausgewogenen Wirtschaftspolitik für hohes Wirtschaftswachstum und geringe Arbeitslosigkeit gesorgt haben, ist eine gewisse Arbeitslosigkeit zu beobachten.
[Bearbeiten] Zitate
- "Vollbeschäftigung ist eine wirtschaftliche Situation, in der das Produktionspotential einer Volkswirtschaft ausreichend genutzt wird."
- Duden, das Lexikon der Wirtschaft - "Vollbeschäftigung bezeichnet den Zustand einer Gesellschaft, die morgens kollektiv zur Arbeit fährt und abends müde, aber glücklich heimkehrt. Am Wochenende haben alle frei und montags macht man auch mal blau."
- Bodo Mrozek: Lexikon der bedrohten Wörter, Rowohlt Verlag 2005 - "Alle vorhandenen Arbeitskräfte sollen in Arbeit gebracht werden und ausreichend entlohnt werden."
- wissen.de, Internet-Lexikon - "Vollbeschäftigung wird es nie wieder geben."
- Richard von Weizsäcker, deutscher Ex-Bundespräsident im Bild-Interview - "Politiker sind narkotisiert vom Vollbeschäftigungswahn. Vollbeschäftigung ist eine Lüge, ein Mythos."
- Götz Werner, dm-Chef, im Stern-Interview, April 2006 - "Mir bereiten ein paar Milliarden Schilling mehr Schulden weniger schlaflose Nächte als ein paar hunderttausend Arbeitslose."
- Bruno Kreisky, österreichischer Ex-Bundeskanzler 1979 - "Lieber 5 Prozent Inflation als 5 Prozent Arbeitslose."
- Helmut Schmidt, Ex-Bundeskanzler Deutschland
[Bearbeiten] Literatur
- brand eins Wirtschaftsmagazin, Schwerpunktthema: ARBEIT, Nie wieder Vollbeschäftigung!, 7. September 2005
- Wolfgang Engler: Bürger, ohne Arbeit, 2005, ISBN 3351025904
- Georg Vobruba: Alternativen zur Vollbeschäftigung. Die Transformation von Arbeit und Einkommen. Suhrkamp-Verlag 2000. ISBN 3518121677