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Wahlrechtsausschluss

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Unter Wahlrechtsausschluss versteht man den Ausschluss bestimmter Personen vom aktiven und passiven Wahlrecht, obwohl diese an sich (vom Alter, der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz her gesehen) wahlberechtigt wären.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Wahlrecht in Deutschland

Im deutschen Wahlrecht finden sich hierzu drei Ausschlussgründe. In allen Bestimmungen (Wahlgesetze des Bundes und der Länder incl. Kommunalwahlgesetze) finden sich die ersten beiden Ausschlussgründe:

  • wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt und
  • derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten (Postkontrolle sowie Sterilisation) nicht erfasst.

In den meisten Wahlgesetzen ist weiterhin folgender Ausschlussgrund genannt:

[Bearbeiten] Ausschluss durch Richterspruch

Der zuerst genannten Ausschlussgrund kann nur durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 Abs. 2 Grundgesetz i. V. m. § 39 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) angeordnet werden. Nach § 45 Abs. 1 Strafgesetzbuch verliert zwar, wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. Dies betrifft jedoch grundsätzlich nur das passive Wahlrecht (die Wählbarkeit), nicht das aktive Wahlrecht. Bei bestimmten anderen "politischen" Straftaten (z. B. Hoch- oder Landesverrat, Wahlfälschung, Wählernötigung, Wählerbestechung) kann außerdem das aktive Wahlrecht für zwei bis fünf Jahre entzogen werden (vgl. § 92a StGB, § 101 StGB, § 108c StGB, § 109i StGB).

[Bearbeiten] Ausschlussgrund Betreuerbestellung

Der Ausschlussgrund Betreuerbestellung betrifft nur Personen, bei denen eine (endgültige, jedoch keine vorläufige) Betreuung mit dem Aufgabenkreis „alle Angelegenheiten“ angeordnet ist. Nicht angeordnet sein müssen die Post- und Telefonkontrolle nach § 1896 Abs. 4 BGB sowie der Aufgabenkreis Sterilisation nach § 1905 BGB.

Vor dem Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes am 1. Januar 1992 hatten Personen, die unter Vormundschaft oder Gebrechlichkeitspflegschaft standen, kein Wahlrecht. Dieser diskriminierende Zustand sollte durch das Betreuungsgesetz aufgehoben werden. Grundsätzlich sollte es gar kein Wahlverbot geben, aber im Rechtsausschuss des Bundestags wandten die Verfassungsrechtler ein, damit würde die Ernsthaftigkeit des Wahlrechtes gefährdet. Man einigte sich auf folgende Formel:

Betreuung (und Einwilligungsvorbehalt) berühren grundsätzlich das Wahlrecht nicht. Ist aber für einen Menschen eine Betreuung ausdrücklich „für alle Angelegenheiten“ angeordnet, entfällt das Wahlrecht. Da Menschen, denen für alle Angelegenheiten ein Betreuer bestellt wird, nach diesen Vorstellungen ohnehin wahrscheinlich vollkommen desorientiert, hilflos und ohnehin nicht in der Lage seien, an einer Wahlhandlung teilzunehmen, wurde dies allgemein akzeptiert. „Für alle Angelegenheiten“ bedeutet hierbei, dass diese Formel in der Betreuungsanordnung des Vormundschaftsgerichtes stehen muss; eine faktische Betreuung für alle Angelegenheiten, also die üblichen Standardaufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, beinhalten kein Wahlverbot.

Die Übergangsbestimmungen (Artikel 9 § 7 BtG) für die sog. Altfälle, also die Menschen, die am 31. Dezember 1991 unter Vormundschaft/Pflegschaft standen, die am 1. Januar 1992 automatisch in Betreuungen übergingen, sahen allerdings vor, dass automatisch allerdings nur das Wahlverbot der zuvor unter Gebrechlichkeitspflegschaft stehenden Menschen aus dem Wahlregister gestrichen wurde (ca. 180.000 Personen), nicht das der bisher unter Vormundschaft (ca. 65.000 Personen).

Bei den Letztgenannten, die aufgrund der Übergangsbestimmungen einer Betreuer „für alle Angelegenheiten“ bekamen, sollte erst im Rahmen der Überprüfungsfrist für die Altfälle ggf. der Umfang der Betreuung eingeschränkt und damit das Wahlverbot aus dem Wählerregister gestrichen werden. Die Überprüfungsfrist betrug fünf Jahre (also bis zum 31. Dezember 1996) für Menschen, die länger als 10 Jahren unter Vormundschaft standen (also die Vormundschaft vor dem 1. Januar 1982 angeordnet worden war) und 10 Jahre (also bis zum 31. Dezember 2001) für Menschen, die weniger als 10 Jahre unter Vormundschaft standen (also die Vormundschaft nach dem 1. Januar 1982 angeordnet worden war).

Rechtsprechung: BayObLG, Beschluss vom 12. März 1997 - 3 Z BR 47/97, FamRZ 1998, 452 = NJW-RR 1997, 967 = BayObLGR 1997, 45 (Ls) = BtE 1997, 95 (Ls) = NJW 1997, 2662 (Ls) = NJWE-FER 1997, 228 (Ls): Voraussetzungen für die Anordnung einer Totalbetreuung 1. Keine Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers auf die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen, wenn dieser in der Lage ist, einen Teilbereich seines Lebens zu bewältigen. 2. Erfährt der Betroffene die notwendige, nicht mit Freiheitsentziehung verbundene "Führung" durch das Heimpersonal, liegt darin eine "andere Hilfe" i. S. des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, die eine Betreuung insoweit erübrigt. 3. Es ist unzulässig, bei Betreuungsbedürftigen, die aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung ihr Wahlrecht nicht ausüben können, der Gefahr von Wahlmanipulationen durch die Anordnung einer Totalbetreuung zu begegnen, ohne dass eine solche Maßnahme nach den allgemeinen Grundsätzen erforderlich ist.

Weitere Rechtsprechung:

  • BayObLG vom 27. April 1995 - 3 Z BR 25/95 = FamRZ 1995, 1085
  • BayObLG vom 22. Oktober 1996 - 3 Z BR 178/96 = BtPrax 1997, 72
  • LG Zweibrücken vom 20. Juli 1999 - 4 T 167/99 = BtPrax 1999, 244
  • VerwG Neustadt vom 10. Juni 1999 - 3 L 1535/99.NW – FamRZ 2000, 1049

[Bearbeiten] Ausschlussgrund strafrechtliche Unterbringung

Der dritte Ausschlussgrund betrifft strafrechtliche (forensische) Unterbringungen, also Personen im sogenannten Maßregelvollzug, die aufgrund ihrer fehlenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit (Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB) für begangene Straftaten nicht bestraft werden können und die gem. § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind.

Nicht betroffenen sind Personen, die gem. § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind. Ebenfalls nicht betroffen sind Personen, die im Wege einstweiliger Anordnung (§ 126a StPO) vorübergehend untergebracht sind. Sonstige freiheitsentziehende Unterbringungen (sog. zivilrechtliche nach § 1906 BGB oder öffentlich-rechtliche nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Bundesländer) führen in keinem Falle zu einem Wahlrechtsausschluss.

[Bearbeiten] Rechtsgrundlagen für Wahlausschlüsse

  • § 7 Abs. 2 Landeswahlgesetz Baden-Württemberg**
  • Art. 2 Landeswahlgesetz Bayern
  • § 2 Landeswahlgesetz Berlin
  • § 7 Landeswahlgesetz Brandenburg
  • § 2 Bremisches Wahlgesetz**
  • § 7 Wahlgesetz für die Hamburger Bürgerschaft
  • § 3 Landtagswahlgeetz Hessen**
  • § 15 Landeswahlgesetz Mecklenburg-Vorpommern**
  • § 3 Niedersächs. Landeswahlgesetz
  • § 2 Landeswahlgesetz NRW**
  • § 3 Landeswahlgesetz Rheinland-Pfalz
  • § 9 Landeswahlgesetz Saarland
  • § 12 Sächs. Landeswahlgesetz
  • § 3 Landeswahlgesetz Sachsen-Anhalt**
  • § 7 Landeswahlgesetz Schleswig-Holstein
  • § 14 Thüringer Landeswahlgesetz


  • § 14 Gemeindeordnung Baden-Württemberg**
  • Art. 2 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz Bayern
  • § 9 Kommunalwahlgesetz Brandenburg
  • § 31 Hessische Gemeindeordnung**
  • § 8 Kommunalwahlgesetz Mecklenburg-Vorpommern**
  • § 8 Kommunalwahlgesetz Nordrhein-Westfalen**
  • § 2 Kommunalwahlgesetz Rheinland-Pfalz
  • § 14 Kommunalwahlgesetz Saarland
  • § 16 Abs. 2 Sächsische Gemeindeordnung**
  • § 21 Abs. 2 Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt**
  • § 4 Gemeinde- und Kreiswahlgesetz Schleswig-Holstein**
  • § 2 Thüringer Kommunalwahlgesetz

(soweit mit ** gekennzeichnet, ist der Ausschlussgrund der Unterbringung nach § 63 StGB nicht genannt).

Auch die kirchenrechtlichen Wahlbestimmungen (für Kirchenvorstände, Presbyterien usw.) enthalten i. d. R. die gleichen Wahlrechtsausschlüsse in Bezug auf die Betreuung (z.B. § 4 Abs. 3 des Kirchenwahlgesetzes der ev. Kirche Berlin-Brandenburg).

[Bearbeiten] Literatur

  • Hellmann, Ulrich: Anmerkung zum Beschluss des LG Zweibrücken vom 29.7.99, BtPrax 1999, 229
  • Paßmann, Thomas: Wahlrecht und Betreuungsbedürftigkeit, BtPrax 1998, 6
  • Schwab, Dieter: Probleme des materiellen Betreuungsrechts, FamRZ 1992, 493
  • Zimmermann, Walter: DasWahlrecht des Betreuten; FamRZ 1996, 79

[Bearbeiten] Weblinks

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