West-östlicher Diwan
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Mit dem „West-östlichen Diwan“ (ursprünglicher Titel: „West-östlicher Divan“) hat Johann Wolfgang Goethe von 1819 bis 1827 seine letzte große Gedichtsammlung verfasst. Sie ist in 12 Bücher eingeteilt. Ein hoher Anteil der Gedichte geht auf Goethes Briefwechsel mit Marianne von Willemer zurück, von der auch einige Gedichte des Diwan stammen (West, um deine feuchten Flügel, Ach wie sehr ich dich beneide ...).
1814 las Goethe den von dem Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall 1812 ins Deutsche übersetzten Diwan des persischen Dichters Hafis.
Anders als der Dichter Rudyard Kipling („Ost ist Ost, West ist West, sie werden nie zueinander kommen“) begegnet Goethe dieser persischen Dichtung mit Gelassenheit und Gleichberechtigung:
- „Wer sich selbst und andere kennt,
- Wird auch hier erkennen:
- Orient und Okzident
- Sind nicht mehr zu trennen.“
ja er dichtet sogar:
- „Und mag die ganze Welt versinken,
- Hafis, mit dir, mit dir allein
- Will ich wetteifern! Lust und Pein
- Sei uns, den Zwillingen, gemein!
- Wie du zu lieben und zu trinken,
- Das soll mein Stolz, mein Leben sein.“
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[Bearbeiten] Schreibweise
In der Erstausgabe (Cotta, Stuttgart 1819) trägt das Werk den Titel „West-östlicher Divan“. Einige spätere Ausgaben erschienen als „West-östlicher Divan“ oder „West-östlicher Diwan“ oder „Westöstlicher Divan“.
Das Wort Diwan (persisch für Gedichtsammlung) kommt in der Schreibweise Divan im Deutschen sonst nicht vor, dies spricht dafür, die richtig aus dem Persischen transkribierte Schreibweise mit w zu bevorzugen.
[Bearbeiten] Goethe über den Islam
Goethe hat immer wieder Probleme mit bestimmten Aspekten des Christentums.
- „Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche.“ (Eckermann, 11. März 1832)
Er lehnte auch das Kreuz als Symbol des Christentums ab:
- „Mir willst du zum Gotte machen
- Solch ein Jammerbild am Holze!“
Goethe war sehr am Islam interessiert, und bestimmte Aspekte des Islams entsprachen eher seinem Glauben als die christliche Lehre. Das lyrische Ich des West-östlichen Diwans ist Moslem, und im West-östlichen Diwan werden moslemische Lehrmeinungen vorgestellt. Zum Beispiel:
- „Jesus fühlte rein und dachte
- Nur den Einen Gott im Stillen;
- Wer ihn selbst zum Gotte machte
- kränkte seinen heil'gen Willen.
- Und so muß das Rechte scheinen
- Was auch Mahomet gelungen;
- Nur durch den Begriff des Einen
- Hat er alle Welt bezwungen.“
- (WA I, 6, 288 ff)
Auch verleiht er an einigen Stellen seiner Überzeugung der göttlichen Herkunft der Worte des Korans, wie in einem Brief an Blumenthal vom 28. Mai 1819, in welchem er sich auf den vierten Koranvers der 14. Sure bezieht, Ausdruck:
- „denn es ist wahr, was Gott im Koran sagt: Wir haben keinem Volk einen Propheten geschickt, als :in seiner Sprache!“ (WA IV, 31, 160)
Dieser Überzeugung entsprechend, ist in den Noten und Abhandlungen des west-östlichen Diwans zu ersehen, dass Goethe beabsichtigte -
- „ehrfurchtsvoll jene heilige Nacht [zu] feiern, wo der Koran vollständig dem Propheten von :obenher gebracht ward“ (Noten und Abhandlungen zum West-östlichen Divan, WA I, 7, 153)
Die moslemische Positionierung des lyrischen Ichs ist, der Haltung Hafis entsprechend, am ehesten dem Sufismus (islamische Mystik) zuzuordnen. So wie Goethe Distanz zur christlichen Lehrmeinung hatte, drückt auch das lyrische Ich im West-östlichen Diwan ironische Distanz zur orthodoxen Lehrmeinung des Islam und Nähe zum Mystizismus zum Ausdruck. So benutzt er beispielsweise auch die Metapher des Weins, wie es auch die Sufis symbolisch für die Berauschtheit eines Derwischs mit der Liebe Gottes verwenden:
- Ob der Koran von Ewigkeit sei?
- Darnach frag' ich nicht ! ...
- Daß er das Buch der Bücher sei
- Glaub' ich aus Mosleminen-Pflicht.
- Dass aber der Wein von Ewigkeit sei,
- Daran zweifl' ich nicht;
- Oder dass er vor den Engeln geschaffen sei,
- Ist vielleicht auch kein Gedicht.
- Der Trinkende, wie es auch immer sei,
- Blickt Gott frischer ins Angesicht.
- (WA I, 6, 203)
Am 24. Februar 1816 schrieb Goethe:
- „Der Dichter ... lehnt den Verdacht nicht ab, daß er selbst ein Muselmann sei.“
- (WA I, 41, 86)“
Ähnlich heißt es in einem Brief an Zelter vom 20. September 1820:
- Weiter kann ich nichts sagen, als daß ich hier mich im Islam zu halten suche.»
- (WA IV, 33, 123)
1995 wurde in Weimar von Schaikh 'Abdalqadir Al-Murabit sogar eine Fatwa ausgestellt, in der Goethe posthum zum Muslim erklärt wird: „Im Lichte seiner überwältigenden Bestätigung des Propheten - möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben! - soll er bei den Muslimen von nun an bekannt sein als Muhammad Johann Wolfgang von Goethe.“
[Bearbeiten] Inspiration für weitere Werke
Einige Gedichte wurden unter anderem von Franz Schubert, Robert Schumann, Hugo Wolf, Arnold Schönberg und Othmar Schoeck vertont.[1]
Der persischsprachige, indienstämmige Dichter Iqbal hat im Jahre 1923 in seinem Gedichtband „Botschaft des Ostens“ Goethes an den Osten gerichteten Gruß beantwortet.
Christian Morgenstern endet ein Palmström Gedicht mit:
- ...
- daß man mit der Erdumdrehung
- schlafen müsse, mit den Pfosten
- seines Körpers strikt nach Osten.
- Und so scherzt er kaustisch-köstlich:
- "Nein, mein Diwan bleibt - westöstlich!"
[Bearbeiten] Quellen
- Johann Wolfgang Goethe: West-östlicher Divan. Frankfurt am Main: Reclam 1999, ISBN 3150067855
- ↑ http:recmusic.org/lieder/
[Bearbeiten] Weblinks
Wikisource: West-östlicher Divan – Quellentexte |
- Goethe: West-östlicher Divan im Projekt Gutenberg-DE
- "Goethe und der Islam" (Nachwort von Peter-Anton von Arnim)
[Bearbeiten] Literatur
- Erstausgabe: J. W. Goethe: West-Östlicher Divan. Stuttgard [sic], in der Cottaischen Buchhandlung 1819, 556 S. mit gestochenem Titel
- Katharina Mommsen: Goethe und der Islam. Insel-Taschenbuch (it 2650) - ISBN 3-458-34350-4