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Zinsverbot

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Zinsverbot bezeichnet das im Alten Testament und auch im Koran ausgesprochene Verbot, Zinsen zu verlangen. Dieses Verbot galt über lange Zeit auch im Christentum, wurde später jedoch abgeschwächt bzw. ganz aufgehoben.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Zinsverbot im Alten Testament

Während im Umfeld des Volkes Israel in biblischer Zeit Zinsen selbstverständlich waren, schreibt die hebräische Bibel ("Altes Testament") klar ein Verbot des Zinsnehmens gegenüber Glaubens- und Volksgenossinnen und -genossen fest. Das Zinsverbot gehört zu den am breitesten belegten Bestimmungen der hebräischen Bibel. Es bezieht sich wohl zunächst auf Solidarkredite für in Not geratene Landsleute. In der theologischen Diskussion ist es umstritten, ob sich daraus auch das Verbot von Zinsen bei produktiven Darlehen ableiten lässt.

Folgende Bibelstellen müssen im Zusammenhang mit dem Zinsverbot genannt werden: Exodus 22,24; Levitikus 25,35-38; Deuteronomium 23,20-21; Ezechiel 18,5-17; Ezechiel 22,12; Psalm 15,5; Sprüche 28,8.

Im Buch Levitikus ist besonders der Zusammenhang mit den Regeln zum Sabbatjahr und zum Schuldenerlass interessant.

[Bearbeiten] Anwendung des Zinsverbots im christlichen Mittelalter und der frühen Neuzeit

Seinen Ausgangspunkt nahm das schon altkirchliche Zinsverbot im Mittelalter mit dem Decretum Gratiani, dem Zweiten Laterankonzil von 1139, einem ausdrücklichen Zinsnahmeverbot durch Papst Innozenz III. von 1215 und dem Konzil von Vienne von 1311. Danach war es verboten, Zinsen auf geliehenes Geld zu verlangen. Auch Thomas von Aquin sprach sich philosophisch gegen den Zins aus. Zulässig war verzinste Einbringung von Kapital in ein Geschäft (societas) und der im Mittelalter weit verbreitete Rentenkauf (census). Im übrigen wurde zwischen unzulässiger usura und zulässigem interesse unterschieden. So war auch bei einem Darlehen eine Zinsvereinbarung zulässig, wenn dem Geldgeber ein Vorteil entging (lucrum cessans), er einen Schaden erlitt (damnum emergens) oder die Gefahr des Kapitalverlusts (periculum sortis) bestand. Ein Fall des damnum emergens ist z.B. die Vereinbarung einer Strafgebühr für die verspätete Rückzahlung eines zinslosen, befristeten Darlehens. Nicht unter das Zinsverbot fielen außerdem Geldwechselgeschäfte. Zudem konnten entsprechend privilegierte Gruppen wie Juden und Lombarden (Bankiers) verzinste Kredite vergeben.

Im weltlichen Recht wurde das Zinsverbot zunehmend aufgehoben. So legalisierte Heinrich VIII. 1545 nach seinem Bruch mit dem Papst die Zinszahlung. Die Reichsabschiede von 1500, 1548 und 1577 erlaubten nach ihrem Wortlaut einen Zins von 5 % für den Rentenkauf, diese Erlaubnis wurde aber allgemein auch auf Darlehen bezogen. Im Westfälischen Frieden von 1648 wurden mit 5 % verzinste Darlehen für zulässig erklärt. Im Anschluss daran hielt die deutsche Rechtswissenschaft das Zinsverbot für gewohnheitsrechtlich abgeschafft.

Noch 1745 wandte sich Papst Benedikt XIV. in der an die hohe Geistlichkeit Italiens adressierte Enzyklika Vix pervenit entschieden gegen den Zins. In § 3, Absatz I heißt es: Die Sünde, die usura heißt und im Darlehensvertrag ihren eigentlichen Sitz und Ursprung hat, beruht darin, dass jemand aus dem Darlehen selbst für sich mehr zurückverlangt, als der andere von ihm empfangen hat [...] Jeder Gewinn, der die geliehene Summe übersteigt, ist deshalb unerlaubt und wucherisch.

Innerhalb der katholischen Kirche wurde das Zinsverbot 1822 endgültig abgeschafft.

In die Zeit des Zinsverbotes fällt die überwiegende Zahl der deutschen Städtegründungen, der Bau zahlreicher europäischer Kathedralen sowie ein massiver Bevölkerungsanstieg in der Zeit des Hochmittelalters. Die Phase des Zinsverbotes deckt sich mit der Epoche der Gotik (1140-1500).

Das Zinsverbot wurde von den Templern (Ritterorden) und anderen Bankiers durch einen Zuschlag geschickt umgangen.

Zu Ende des 17. Jahrhunderts sprach sich der niederländische Jurist Gerhard Noodt gegen das Zinsverbot aus. Er begründet dies damit, dass der Erlös aus geliehenem Geld eigentlich dem Eigentümer zustehe, sodass es gerecht sei, den Eigentümer durch Zinsen zu entschädigen. Das biblische Zinsverbot hielt Noodt für unbeachtlich, da es kein ius gentium sei, sondern nur für die Juden untereinander gelte, sodass Christen Zinsen nehmen dürften.

[Bearbeiten] Zinsverbot im Judentum

Juden, die den Verboten der christlichen Kirche nicht direkt unterlagen (Papst Alexander III. gestattete ihnen 1179 ausdrücklich das Zinsgeschäft), waren deshalb zeitweise die einzige Gruppe im mittelalterlichen Europa, die gewerbsmäßig Geld verleihen durfte. Hierdurch und wegen der ihnen von der christlichen Obrigkeit ab dem Spätmittelalter auferlegten Verbote, Handwerk und ähnliches auszuüben (Zunftzwang), waren vor allem die europäischen Juden sehr häufig als Geldverleiher tätig.

Zur Begründung des Zinsverbots dienten gleichwohl vorwiegend die in ihrem Entstehungszusammenhang der jüdischen Überlieferung entstammenden Texte des Alten Testaments. So heißt es in 2. Mose 22,24 "Falls du einem aus meinem Volk, dem Elenden bei dir, Geld leihst, dann sei gegen ihn nicht wie ein Gläubiger; ihr sollt ihm keinen Zins auferlegen", in 3. Mose 25, 36-37 "Du sollst nicht Zins von ihm (deinem Bruder) nehmen und sollst dich fürchten vor deinem Gott, damit dein Bruder neben dir lebt. Dein Geld sollst du ihm nicht gegen Zins geben, und deine Nahrungsmittel sollst du nicht gegen Aufschlag geben." und in 5. Mose 23, 20-21 "Du sollst deinem Bruder keinen Zins auferlegen, Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgendeine Sache, die man gegen Zins ausleiht. Dem Fremden magst du Zins auferlegen, aber deinem Bruder darfst du nicht Zins auferlegen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem Geschäft deiner Hand in dem Land, in das du kommst, um es in Besitz zu nehmen."

[Bearbeiten] Zinsverbot im Islam

Hauptartikel: Islamic Banking

Ein Zinsverbot besteht heute vor allem im Islam. Da der Scharia-Islam sich als göttliches Regelwerk sieht, dessen wichtigstes Heilsmittel in der Erfüllung der Scharia-Vorschriften besteht, ist die Einhaltung des Zinsverbots zentraler Bestandteil der Religion. Im Koran, dessen Autorität bei Scharia-Bestimmungen fast unanfechtbar ist, steht in Sure 3, Vers 130 "Ihr Gläubigen! Nehmt nicht Zins, in dem ihr in mehrfachen Beträgen wiedernehmt, was ihr ausgeliehen habt!". Somit ausgeschlossen sind sowohl Kredite und Kreditkarten, aber auch Obligationen, Optionen, Derivate, Termingeschäfte, konventionelle Hedge Funds und der Kauf von Bank- und Versicherungsaktien.

Hingegen sind alle Erträge akzeptabel, welche auf einem Handel oder einer Investition in ein bestimmtes Produkt basieren. Zugelassen sind also Handelsfinanzierungen, Risikokapitalverleihungen, Vermietungen, Leasing und der Rohstoffhandel. Die gebräuchlichste Investitionsform ist allerdings der Kauf von Aktien privater und öffentlicher Unternehmungen, denn Dividenden gelten nicht als Zinsen.

Im Islam gibt es eine Vielzahl von Rechtskniffen (hīla) um die Scharia-Bestimmungen zu umgehen. Um islamischen Gläubigen trotzdem die verzinsliche Geldanlage zu ermöglichen, werden so genannte islamische Anleihen vergeben, die direkte Zinszahlungen auf Geld durch Mieteinnahmen, Firmenbeteiligungen oder ähnliche, im Islam erlaubte Praktiken umgehen.

Für das Bankgeschäft ist das Zinsverbot (Sure 2, Vers 278 u.a.; ربا riba, in engerer Auslegung „Wucher“) eine besondere Belastung, was schon früh zu Umgehungsgeschäften geführt hat: So kann man z. B. eine Ware mit Zahlungsziel kaufen und sofort zu einem niedrigeren Preis an den Verkäufer, der sofort zahlt, zurückveräußern. Da die Ware letztlich den Besitz nicht gewechselt hat, jedoch Geld ausgezahlt wurde, ist das Resultat wie bei einem Kredit mit Zinsen, der Wortlaut des Gesetzes jedoch eingehalten. Rechtskniffe (حيلة hīla; pl. حيل hiyal) dieser Art finden sich in der islamischen Rechtspraxis häufig; sie sind eines der Mittel, die Schari'a zu umgehen.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Mittelalter und frühe Neuzeit

  • Noonan, John T.: The scholastic analysis of usury. Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1957
  • Kerridge, Eric: Usury, Interest and the Reformation. Aldershot: Ashgate 2002 (ISBN 0754606880)

[Bearbeiten] Judentum

  • Werner, Klaus: Das israelitische Zinsverbot. Seine Grundlagen in Torah, Mischnah und Talmud. in: Heil, Johannes; Wacker, Bernd (Hrsg.): Shylock? Zinsverbot und Geldverleih in jüdischer und christlicher Tradition. München: Fink 1997, 11-20 (ISBN 3770531604)
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