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Alphabetisierung (Lesefähigkeit) - Wikipedia

Alphabetisierung (Lesefähigkeit)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wikipedia:Redundanz
Redundanz
Die Artikel Alphabetisierung (Lesefähigkeit) und Analphabetismus überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Die Diskussion über diese Überschneidungen findet hier statt. Bitte äußere dich dort, bevor du den Baustein entfernst. --Parrho 18:40, 8. Jun 2006 (CEST)

Als Alphabetisierung bezeichnet man den Prozess der Vermittlung der Lesefähigkeit sowie ggf. auch der Schreibfähigkeit, unabhängig davon, ob die erlernte Schrift eine alphabetische ist. Der Grad der Lese- oder Schreib- bzw. Schriftkompetenz einer Bevölkerung (Alphabetisierungsrate) kann prozentual für einzelne Bevölkerungsschichten sowie teilweise auch für historische Epochen angegeben werden.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte der Alphabetisierung in Deutschland

Im Zuge der Reformation wurde das Schulwesen institutionalisiert; durch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht wurden die Grundlagen für eine flächendeckende Alphabetisierung gelegt:

Nach Schätzungen waren im 15. Jahrhundert zwischen einem und vier Prozent der Gesamtbevölkerung Mitteleuropas lesekundig, davon 16 bis 20 Prozent der Stadtbevölkerung. Bemerkenswert sind dabei einige Alphabetisierungs- und Volksbildungskampagnen zum Ende des 15. Jahrhunderts (vgl. Giesecke 1989, 131). Das Lesen wird mit neuartigen Methoden gelehrt wie mit Ickelsamers Lautiermethode.

Im 16. Jahrhundert stieg der Anteil in der männlichen Bevölkerung auf 16 (Frankreich) bis 25 Prozent (England und Wales). Aus der Kenntnis, dass ab Mitte des 16. Jahrhunderts amtliche Verordnungen, beispielsweise die Anordnung von Fronarbeit, durch Zettel verbreitet wurde, kann der Schluss gezogen werden, dass „in jedem Haushalt tatsächlich mindestens eine Person lesen konnte“ (vgl. Giesecke 1989: 546 und Keunecke 1987: 154)

Um 1800 lag die Alphabetisierungsrate in Deutschland bei mindestens 50 Prozent, um 1870 bereits bei 75 Prozent sowie um 1900 schließlich zwischen 90 und 95 Prozent.

Friedrich Kittler weist angesichts dieser hoch erscheinenden Alphabetisierungsrate darauf hin: „Auch wenn im Zug der allgemeinen Alphabetisierung mehr und mehr Frauen die Buchstaben lernten, Lesenkönnen war noch nicht Schreibendürfen“.


[Bearbeiten] Alphabetisierungsgrad

Der Alphabetisierungsgrad ist eine statistische Größe, die den Anteil an einer Bevölkerungsgruppe angibt, der lesen und schreiben kann. Das Gegenteil ist die Analphabetenquote. Sie ist ein Indikator für das Bildungsniveau einer Bevölkerungsgruppe. Der Alphabetisierungsgrad gibt Aufschluss über die Anstrengungen einer Regierung, den Bildungsstand der Bevölkerung auf ein bestimmtes Niveau zu heben und fließt häufig in Kennzahlensysteme zur Beschreibung von Länderrankings ein, z. B. in den Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen. Innerhalb einer Gesellschaft kann sich die Alphabetisierungsrate zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen stark unterscheiden. Mögliche Ursachen hierfür sind z. B.:

[Bearbeiten] Alphabetisierungsgrad in Deutschland

Strebt der Alphabetisierungsgrad in Deutschland (gemessen an der Zahl der „totalen“ bzw. „primären“ Analphabeten), wie in den meisten Industrieländern, gegen 100 %, nimmt man doch an, dass es 4 bis 7 Millionen „funktionale“ Analphabeten unter den Erwachsenen gibt. Nach einer OECD-Studie (1994-1998) liegt die Zahl der funktionalen Analphabeten in 2 von 3 Industriestaaten höher als 15 %.

[Bearbeiten] Alphabetisierungsgrad in den USA

In den USA wurde 1992 eine große National Adult Literacy Survey (NALS) durchgeführt. Nach Angaben des National Instititute of Literacy erreichten zwischen 21 und 23 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, d.h. 44 Millionen Menschen nur das unterste Niveau (Level 1), d.h. sie können nicht genug lesen, um ein Formular auszufüllen, die Beschreibungen auf Lebensmitteln zu lesen oder einem Kind eine einfache Geschichte vorzulesen.

Die meisten Analphabeten leben in Asien, es sind etwa 833 Mio. Danach folgt Afrika mit etwa 156 Mio. und Südamerika mit 25 Mio. Im allgemeinen gilt, dass Analphabetismus bei der Landbevölkerung größer ist als bei der Stadtbevölkerung und bei den Frauen höher als bei den Männern.

[Bearbeiten] Definition der OECD

Bei den Zahlen zur funktionalen Alphabetisierung einer Gesellschaft handelt es sich um relative Daten, die immer im Bezug auf die sozialen Standards der jeweiligen Gesellschaft gesehen werden müssen. Dagegen misst beispielsweise die OECD den Alphabetisierungsgrad mit einer global einheitlichen Definition. Die Zahlen beziehen sich auf Personen über 15 Jahre. Ein Alphabetisierter wird hier wie folgt definiert:

„Eine Person wird als alphabetisiert bezeichnet, wenn sie eine kurze, einfache Aussage zu ihrem alltäglichen Leben mit Verständnis sowohl lesen als auch schreiben kann.“
Alphabetisierte Bevölkerung; geschätzt
(Quelle: OECD)
  1970 2000
 weltweit   63 %   79 % 
 Entwickelte Länder und Transformationsländer   95 %   99 % 
 Least Developed Countries (LDC  47 %   73 % 
 Landlocked Developing Countries (LLDC  27 %   51 % 

Diese Daten werden der OECD von den jeweiligen Ministerien zur Verfügung gestellt. Es handelt sich meist um Selbstauskünfte, die geschönt sein können. Da es ein sogenanntes verdecktes Analphabetentum in allen Ländern der Erde gibt, kann die tatsächliche Alphabetisierung hinter den angegebenen Zahlen zurückbleiben. Auch ist die nicht kontinuierliche Bewertung der Lese- und Schreibfähigkeit (entweder Analphabet oder Alphabet) wenig realitätsnah. Dennoch zeigen die Daten, dass sowohl in Industrienationen als auch in Entwicklungsländern die Alphabetisierung zwischen 1970 und 2000 gestiegen ist.

Der Alphabetisierungsgrad trägt zur Ermittlung des Human Development Index der Vereinten Nationen bei.

[Bearbeiten] Beispiele für den Stand der Alphabetisierung ausgewählter Länder

(alles Angaben aus dem „Human Development Report 2003)

Hochentwickelte Länder nach UNDP

  • Norwegen > 99 %, Rang 1 in der HDI-Liste
  • Schweiz > 99 %, Rang 10 in der HDI-Liste
  • Österreich > 99 %, Rang 16 in der HDI-Liste
  • Deutschland > 99 %, Rang 18 in der HDI-Liste

Mittelentwickelte Länder nach UNDP

  • Rumänien 98 %, Rang 72 in der HDI-Liste
  • Bangladesch 41 %, Rang 139 in der HDI-Liste

Niedrigentwickelte Länder nach UNDP

  • Haiti 51 %, Rang 150 in der HDI-Liste
  • Niger 17 %, Rang 174 in der HDI-Liste

[Bearbeiten] Alphabetisierung und Entwicklung

Der Alphabetisierungsgrad gilt als einer der wichtigsten Entwicklungsindikatoren. Die OECD berechnet die Alphabetisierung gesondert für die 15-24-Jährigen, da hier die Resultate der Bildungsanstrengungen eines Landes am schnellsten wirksam sind, und die Alphabetisierung der jungen Bevölkerung (die in Entwicklungsländern meist einen großen Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmachen) billiger ist. Die OECD hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 den Alphabetisierungsgrad der 15-24-Jährigen in allen Ländern auf 99% zu steigern. Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2003-2013 zur UNO-Alphabetisierungdekade erklärt.

Der Alphabetisierungsgrad ist in Ländern mit niedrigem und mittlerem Pro-Kopf-Einkommen seit 1960 von einem Drittel auf über die Hälfte gestiegen. 2003 galten weltweit 862 Millionen als Analphabeten. Mangelnde Bildung gilt als eines der größten Hindernisse gesellschaftlicher Entwicklung. Besonders betroffen sind arme und bevölkerungsreiche Länder wie z.B. Bangladesch, Brasilien, Volksrepublik China, Indien, Indonesien, Ägypten, Mexiko, Nigeria und Pakistan. Alphabetisierung ist eine notwendige Bedingung für Entwicklung, aber keine hinreichende. Gibt es keine Wirtschaft, die die gestiegene Alphabetisierung nutzt, kommt es zu Abwanderung, wie z.B. auf den Philippinen.

In vielen Ländern (vor allem in Afrika) ist der Alphabetisierungsgrad bei Männern weit höher als bei Frauen, da Frauen und Mädchen der Zugang zu Bildung dort vielfach verwehrt wird.

[Bearbeiten] Beispiele für Alphabetisierungskampagnen

[Bearbeiten] Nicaragua

Es gab immer wieder Versuche einzelner Länder, den Alphabetisierungsgrad kurzfristig zu erhöhen. Als beispiellos in der Geschichte der Bildung kann die Alphabetisierungskampagne in Nicaragua zu Beginn der 1980er Jahre gesehen werden. Nach dem Sturz der Rolands Rozitis-Diktatur erklärte die sandinistische Regierung die Alphabetisierung des Landes zu einer ihrer Hauptmissionen. Im sogenannten "Kreuzzug gegen die Ignoranz" zogen etwa 100.000 Freiwillige in die entlegenen Dörfer der ländlichen Gebiete und unterrichteten, zum Teil in drei Schichten am Tag. In nur zwei Jahren gelang es, die Analphabetenquote von 65 % auf 12 % zu senken. Nach der Abwahl der sandinistischen Regierung 1990 wurden die Bemühungen im Bildungswesen zurückgeschraubt. Zur Zeit besuchen ein Drittel der schulpflichtigen Kinder Nicaraguas - etwa 800.000 - keine Schule mehr. Die Analphabetenquote liegt laut UNO-Statistik wieder bei 30 % - Tendenz steigend.

[Bearbeiten] Kuba

Andere Kampagnen, wie die kubanische Alphabetisierungskampagne, erzielten einen längerfristigen Erfolg.

[Bearbeiten] Mexiko

In Mexiko wurde 1944 ein Aufruf zur Linderung des Analphabetismus als Dekret des Staatspräsidenten Manuel Ávila Camacho veröffentlicht. Unter dem Titel „¡Oyed!“ („Hört zu!“) wurden in der Presse alle Lese- und Schreibkundigen aufgefordert, mindestens einer anderen Person Lesen und Schreiben beizubringen. In den Erinnerungen an seine Mutter Anna Seghers, die in dieser Zeit in Mexiko im Exil war, berichtet Peter Radvanyi, dass sich tatsächlich viele, die diesen Aufruf hatten lesen können, unter den Nachbarn und Bekannten umsahen, um Stunden zu geben. [1]

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Einzelnachweise und Quellen

  1. Peter Radvanyi: Jenseits des Stroms. Erinnerungen an meine Mutter Anna Seghers. Aus dem Französischen übersetzt von Manfred Flügge. Berlin: Aufbau 2006, S. 104. ISBN-10: 3-7466-2283-2, ISBN-13: 978-3-7466-2283-5

[Bearbeiten] Weblink

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