Amnesty International
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Amnesty International (in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch amnesty international; abgekürzt ai oder amnesty) ist eine nichtstaatliche Organisation (NGO), die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt. Grundlage ihrer Arbeit sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und andere Menschenrechtsdokumente, wie z. B. der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte oder der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Sie recherchiert Menschenrechtsverletzungen, betreibt Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit und organisiert Brief- und Unterschriftenaktionen, z. B. in Fällen von Folter oder drohender Todesstrafe.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Gründungsgeschichte
[Bearbeiten] Gründung der Internationalen Organisation
Amnesty International wurde 1961 in London von dem englischen Rechtsanwalt Peter Benenson gegründet. Ihm soll die Idee zur Gründung gekommen sein, als er in der Zeitung zum wiederholten Mal über das ungerechtfertigte Handeln von Regierungen gegen die eigene Bevölkerung las. Der Artikel berichtete damals von zwei Studenten, die in einem Restaurant in Lissabon auf die Freiheit anstießen. In Portugal war die Erwähnung des Wortes "Freiheit" zu dieser Zeit verboten; die beiden Studenten wurden festgenommen und zu sieben Jahren Haft verurteilt. Am 28. Mai 1961 veröffentlichte Benenson in der britischen Zeitung einen Artikel über diesen und andere Fälle, in dem er die Leser aufrief, sich durch Briefe an die jeweiligen Regierungen für die Freilassung dieser Gefangenen einzusetzen. Er schrieb: Sie können Ihre Zeitung an jedem x-beliebigen Tag der Woche aufschlagen und Sie werden in ihr einen Bericht über jemanden finden, der irgendwo in der Welt gefangengenommen, gefoltert oder hingerichtet wird, weil seine Ansichten oder seine Religion seiner Regierung nicht gefallen. Die aus diesem Artikel entstandene Aktion, „Appeal for Amnesty, 1961“ gilt als der Anfang von Amnesty International. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Eric Baker und der irische Politiker Seán MacBride, der von 1961 bis 1974 auch Präsident der Organisation war. Das Logo von Amnesty International ist eine mit Stacheldraht umwickelte Kerze (auf dem Foto oben zu sehen). Es wurde von der englischen Künstlerin Diana Redhouse geschaffen und durch das Sprichwort Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als sich über die Dunkelheit zu beklagen, inspiriert. Die deutsche Sektion hat bereits in den siebziger Jahren beschlossen, dieses Logo für sich nicht mehr zu verwenden.
[Bearbeiten] Gründung in Deutschland
Die deutsche Sektion von Amnesty International wurde drei Monate nach Gründung der internationalen Organisation von Gerd Ruge, Carola Stern und Felix Rexhausen in Köln gegründet. Nach dem Fall der Mauer wurde die Organisation auch in den neuen Bundesländern aktiv.
[Bearbeiten] Gründung in Österreich
amnesty international Österreich wurde am 4. Mai 1970 gegründet. Derzeitiger Generalsekretär ist Heinz Patzelt.
amnesty international Österreich gehörte am 14. November 2001 zu den ersten 44 Organisationen, die das Österreichische Spendengütesiegel verliehen bekamen.
[Bearbeiten] Ziele und Arbeitsweise
Amnesty International recherchiert fortlaufend zur Menschenrechtssituation weltweit und führt Aktionen gegen spezifische Menschenrechtsverletzungen durch. Die Organisation hat sich 7 Ziele unter dem Motto Gerechtigkeit globalisieren! gesetzt:
- Aufbau von gegenseitigem Respekt und Kampf gegen Diskriminierung
- Forderung nach Gerechtigkeit und Kampf gegen maßlose, willkürliche Amnestie
- Sicherstellung der körperlichen und geistigen Unversehrtheit aller Menschen
- Schutz der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten
- Schutz der Rechte von Flüchtlingen, Asylsuchenden, Binnenflüchtlingen und Migranten
- Schutz der Rechte von Frauen und Mädchen
- Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
Einige Jahre wird die derzeitige internationale Kampagne "Gewalt gegen Frauen verhindern" laufen, die sich gegen die vielfältigen Formen von Gewalt gegen Frauen, sowohl staatlicherseits als auch im häuslichen Umfeld wendet. Eine schwierige interne Diskussion läuft derzeit, ob in diesem Zusammenhang auch die bisherige neutrale Position zum Schwangerschaftsabbruch aufgegeben werden soll.
Zu den typischen Aktionsformen der Arbeit von Amnesty International zählen:
- Fallarbeit. Diese wird seit Gründung der Organisation betrieben und beinhaltet die langfristige Betreuung eines gewaltlosen politischen Gefangenen (prisoner of conscience) durch eine oder mehrere Amnesty-Gruppen, im Idealfall bis zu dessen Freilassung. Ein Grundsatz dabei ist, dass Amnesty-Gruppen nicht zu Vorgängen im eigenen Land arbeiten.
- Urgent Actions (Eilaktionen), die 1973 eingeführt wurden, um auf drohende Menschenrechtsverletzungen schnell reagieren zu können. Dabei werden möglichst innerhalb von 48 Stunden Mitglieder und Unterstützer mobilisiert, um bei den verantwortlichen staatlichen Stellen zu appellieren. Im Jahr 2005 gab es 326 dieser Aktionen.
- Briefe gegen das Vergessen. Pro Monat werden drei Fälle aus verschiedenen Ländern vorgestellt, dabei geht es oft um Fälle von verschwundenen Personen, Langzeitinhaftierungen oder Verurteilungen aufgrund unfairer Gerichtsverfahren.
- Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit. Vielfältige Aktionen der Gruppen und die Arbeit des nationalen Sekretariats zielen darauf ab, das Bewusstsein für Menschenrechtsverletzungen in der Öffentlichkeit zu schärfen und Menschenrechtsverletzungen bekannt zu machen und so Unterstützung für die Anliegen zu gewinnen.
- Menschenrechtsbildung. Aktionen in Schulen, öffentliche Vorträge etc. zur Verankerung von Wissen über die Menschenrechte.
- Onlinekampagnen. Mit E-Card Aktionen und Onlinepetitionen nutzt ai verstärkt das Internet als Protestmedium für ihre Kampagnenarbeit.
[Bearbeiten] Aufbau der Organisation
[Bearbeiten] International
Amnesty International zählt mehr als 1,79 Millionen Mitglieder und Förderer in mehr als 150 Staaten. In 58 Staaten gibt es Sektionen, die eine kontinuierliche Menschenrechtsarbeit garantieren. Die größeren Sektionen unterhalten in der Regel ein Sekretariat mit hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Sektion koordiniert die Arbeit der Mitglieder und ist die Verbindungsstelle zwischen den Gruppen und dem Internationalen Sekretariat in London. Die Sektionen entsenden Vertreter in den internationalen Rat, das oberste Gremium von ai auf internationaler Ebene, das alle zwei Jahre zusammentritt. Der Rat legt Politik und Arbeitsweise von ai fest und wählt das Internationale Exekutivkomitee, dem die Führung der laufenden Geschäfte der Organisation obliegt. Unter der Verantwortung des Exekutivkomitees steht auch das Internationale Sekretariat in London (England), an dessen Spitze die internationale Generalsekretärin steht. Zurzeit ist dies die Bangladescherin Irene Khan.
[Bearbeiten] Deutsche Sektion
In Deutschland gibt es über 700 lokale Gruppen, die in 48 Bezirke aufgeteilt sind. Daneben gibt es sogenannte Koordinationsgruppen, die die Arbeit zu einzelnen Ländern oder bestimmten Menschenrechtsthemen sektionsweit koordinieren. Außerdem gibt es über 10.000 Einzelmitglieder, die sich regelmäßig an Aktionen beteiligen. Etwa 30.000 Förderer unterstützen die Organisation durch regelmäßige Beiträge. Das Sekretariat der Sektion in Bonn und Berlin erledigt administrative Aufgaben für die Mitgliedschaft, macht Öffentlichkeitsarbeit und übernimmt Lobby-Aufgaben. Das Sekretariat beschäftigt 55 Teil- und Vollzeitkräfte. Es wird derzeit von Barbara Lochbihler als Generalsekretärin geleitet. [1]
Einmal jährlich findet eine Jahresversammlung statt. Alle Einzelmitglieder und Gruppen sind stimmberechtigt. Förderer haben kein Stimmrecht. Die Jahresversammlung wählt den siebenköpfigen, ehrenamtlichen Vorstand und beschließt Schwerpunkte der inhaltlichen Arbeit der Sektion.
Die deutsche Sektion finanziert sich überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, zu einem geringeren Teil aus Erbschaften, Verkaufserlösen, Geldbußen und Sammlungen. 2004 wurden so 8,8 Millionen Euro eingenommen. Davon wurden etwas über 2,7 Millionen Euro an das internationale Sekretariat abgeführt, der Rest für die eigene Arbeit verwendet. [2]
Zur Unterstützung der Arbeit von amnesty international wurde im Mai 2003 die Stiftung Menschenrechte - Förderstiftung amnesty international mit Sitz in Berlin gegründet. Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung ist Barbara Lochbihler.
[Bearbeiten] Aktionen und Kampagnen
Die Organisation führt immer wieder große, internationale Themenkampagnen durch, die teilweise längerfristig, über mehrere Jahre, angelegt sind.
Internationale größere Schwerpunkte derzeit sind:
- Stop Violence against Women. Hinsehen und Handeln, Gewalt gegen Frauen verhindern
- Irrepressible. Kampagne gegen die Zensur und für den freien Meinungs- und Informationsaustausch über Internet und e-mail, wie z.B. Forderung nach Aufhebung der Sperrung des Zugangs zu Wikipedia in China.
- Cruel. Inhuman. Degrades us all. Kampagne gegen Folter im Namen des "Krieg gegen den Terror" sowie für Schließung des Gefangenenlagers auf Guantánamo.
- ControlArms. Kampagne zur Kontrolle des Waffenhandels mit Kleinwaffen, also Gewehren, Pistolen, Elektroschockwaffen usw., die weit verbreitet sind und mit denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.
1988 gab es eine internationale ai-Konzerttour unter dem Titel Human Rights NOW!, die der Organisation zahlreiche neue Mitglieder einbrachte. Am 10. Dezember 2005 – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – wurde ein neues Musikprojekt unter dem Titel Make Some Noise gestartet. Dabei veröffentlichten bekannte internationale Künstler, darunter The Black Eyed Peas, Serj Tankian und The Cure, Coverversionen von John Lennon-Songs exklusiv auf der Website von ai. Parallel zur Musik werden dort konkrete Kampagnen und Fälle vorgestellt.
[Bearbeiten] Auszeichnungen
[Bearbeiten] Kritik
In den letzten Jahren sah sich die Organisation verstärkter Kritik ausgesetzt. Dabei wurde ihr vorgeworfen, einseitig Partei gegen die USA sowie Israel zu ergreifen, jedoch kaum die Menschenrechtsverletzungen in den Diktaturen der Welt zu kritisieren. So wurde die Aussage der Generalsekretärin Irene Khan „Guantánamo ist der Gulag unserer Zeit“ als unverhältnismässig kritisiert, da in dem US-Gefangenenlager Guantánamo derzeit etwa 400 Menschen ohne Gerichtsprozess festgehalten würden, während im sowjetischen Repressionssystem Gulag über 20 Millionen Menschen umgekommen seien; dem hält Kahn entgegen, dass der Vergleich qualitativ passt, weil richterliche Supervision und die notwendige besondere Fürsorge fehlen.[3]
Des Weiteren kommt auch interne Kritik an AI auf, seit auf der internationalen Ratstagung in Dakar im August 2001 eine Ausweitung des Mandats (Eintreten auch für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte[4]) beschlossen wurde. Der Organisation wird von Teilen der Mitgliedschaft vorgeworfen, an Profil zu verlieren und nicht klar zwischen grundlegenden Menschenrechten und sonstigen Missständen in der Welt, die jetzt scheinbar ein ähnlich hohes Gewicht haben sollen, zu differenzieren. Dadurch bestehe die Gefahr, dass die Organisation zu einem „Menschenrechts-Gemischtwarenladen“ mutiere und an Glaubwürdigkeit verliere.[5]
[Bearbeiten] Verwandte Themen
- Bürgerrechte
- Verbrechen gegen die Menschheit
- UNHCHR
- amnesty international Menschenrechtspreis
- Ehrenamt
- WOZA
[Bearbeiten] Literatur
- Uta Devries: Amnesty International gegen Folter - eine kritische Bilanz. In: Beiträge zur Politikwissenschaft. Bd. 71, Peter Lang, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-631-32748-X
- K.E. Cox: Should Amnesty International Expand its Mandate to Cover Economic, Social, and Cultural Rights? In: Arizona Journal of International and Comparative Law. Vol. 16, T.2, S. 261-284, 1999
- Heike Alefsen, Wolfgang Behlert, Stefan Keßler, Bernd Thomsen: 40 Jahre für die Menschenrechte. Neuwied/Kriftel 2001, ISBN 3472047380, Aufsatzsammlung, hrsg. von Amnesty International
(darin auch ein Aufsatz: Einmischung, Einseitigkeit und mangelnde Ausgewogenheit - Anmerkungen zur Kritik an amnesty international, S. 34-44) - Stephen Hopgood: Keepers of the Flame. Understanding Amnesty International. Cornell University Press, Ithaca, N.Y. 2006, ISBN 0-8014-7251-2, (Inhaltsangabe:[1])
- ai Bibliography - Index: Publications on Health and Human Rights Themes. 1985--2005 [2]
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Amnesty International – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Wikinews: Portal:Amnesty International – Nachrichten |
- Internationale Homepage von Amnesty International (englisch, französisch, spanisch, arabisch)
- Sektionen: Deutschland, Österreich, Schweiz
- amnesty-Jugend Deutschland
- ai.academy Österreich
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1977 für die Organisation Amnesty International (englisch)
- Satzung von amnesty international (Deutschland & international)
- 30 Jahre Amnesty International - 30 Jahre Kampf um Menschenrechte Dokumentarfilm über AI von 1991.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ amnesty.de: Aufbau der Organisation. Bonn, 06.11.2006
- ↑ amnesty.de: Rechenschaftsbericht 2004 (PDF)
- ↑ Hanspeter Born, Urs Gehriger: «War das gut?». Die Weltwoche, Nr. 26/2006. (Interview mit Irene Khan)
- ↑ Jahresbericht Ai 2004, Abschnitt Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
- ↑ Nina Streeck: Kann mal einer Amnesty helfen, bitte. Die Weltwoche, Nr. 1/2006