Baikal-Amur-Magistrale
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Die Baikal-Amur-Magistrale, kurz BAM, ist eine Eisenbahnverbindung, die in Sibirien beginnt und in Russisch-Fernost endet. Sie verläuft nördlich und in etwa parallel zur Transsibirischen Eisenbahn (Transsib). Kernstück der BAM ist die ca. 3.100 km lange Strecke von Ust-Kut an der Lena nach Komsomolsk am Amur. Nach Vorarbeiten in den 1930er Jahren wurde 1973 mit dem Bau begonnen und die Strecke 1984 offiziell in Betrieb genommen. Seit 1989 war die Strecke durchgehend und störungsfrei befahrbar, jedoch über eine 61 km lange Strecke zur Umgehung des zu diesem Zeitpunkt nicht fertig gestellten Seweromuisker Tunnels. Der Tunnel wurde erst Ende 2001 für den regulären Betrieb eingeweiht und ist mit 15.343 m der längste Tunnel Russlands.
Zur BAM rechnet man ferner auch die zu Stalins Zeiten gebauten Anschlüsse, im Westen nach Taischet an der Transsib, im Osten zum Pazifik bei Sowetskaja Gawan. Die Gesamtstrecke ist damit ca. 4.300 km lang. Die Strecke wurde überwiegend eingleisig gebaut. Zweigleisige Abschnitte sind Taischet - Lenabrücke bei Ust-Kut (Länge 787 km, außer Korschunichatunnel), Blockposten 1084 km - Nischneangarsk (6 km), Kasankan - Seweromujsk (11 km), Mururin - Chani (54 km) und Tynda - Bestuschewo (26 km). Außerdem gibt es eine Güterumgehungsstrecke bei Urgal. Der Bahnkörper der gesamten Strecke ist für einen zweigleisigen Ausbau vorbereitet. Der westliche Abschnitt Taischet - Taksimo (1469 km) ist elektrifiziert. Wegen des schwierigen Geländes (und zum Teil auch veralteter Technik) wird vor allem im Güterverkehr mit zwei- oder sogar dreifacher Bespannung gefahren.
Bei Tynda (gemeinsamer Streckenabschnitt Tynda - Bestuschewo) wird die BAM von der Amur-Jakutischen Magistrale (AJAM) gekreuzt, die von der Transsib (Station Bamowskaja, Streckenkilometer 7273) über das Bergbaugebiet um Nerjungri nach Norden in Richtung Jakutsk verläuft, vorläufig aber bei Tommot am Aldan endet. Der ursprüngliche Abschnitt Bamowskaja - Nerjungri dieser Strecke ist auch als „Kleine BAM“ bekannt.
Der Bau der BAM bedeutete nicht nur eine neue Verbindungslinie, sondern die demografische und wirtschaftliche Erschließung einer bisher fast unerschlossenen Region. Man erwartete nicht nur eine bessere wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen des Landes, sondern auch eine Verbesserung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, vor allem mit Japan. Dafür musste neben Siedlungen und der Eisenbahn auch erst die Industrie aufgebaut werden, die die Materialien und die Energie für die Siedlungen, die Eisenbahn, den Straßenbau und vieles Andere mehr lieferte. Ferner wurde sie auch aus strategischen Gründen erbaut, da sie die teilweise nahe der Grenze zur Volksrepublik China verlaufende Transsibirische Eisenbahn bei Grenzkonflikten entlasten sollte.
Erste Pläne einer verkehrstechnischen Erschließung des Baikal-Amur-Raums wurden bereits Anfang des 19. Jahrhunderts, unter anderem von den nach Sibirien verbannten Dekabristen, angedacht. Nach ersten Forschungen und Planungen in den 1920er und 1930er Jahren gab es 1937 den offiziellen Baubeschluss und es wurde in großem Umfang mit den Bauarbeiten begonnen. Der erste Streckenabschnitt wurde im selben Jahr, zum 20jährigen Jubiläum der Oktoberrevolution, eröffnet.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Bauen unterbrochen und einige Streckenteile sogar wieder demontiert, weil sie für den Bau der Wolga-Eisenbahn-Linie und die Versorgung von Stalingrad dringend gebraucht wurden.
Anfang der 1970er Jahre wurde der Baubetrieb unter enormem propagandistischen Aufwand wieder aufgenommen. Dieses Vorhaben wurde von den anderen RGW-Staaten insbesondere durch Material- und Ausrüstungslieferungen unterstützt. 1974 bestellte die Sowjetunion im Rahmen des sogenannten Delta-Projekts rund 9.000 schwere Bau-Lastwagen bei Magirus-Deutz in Deutschland, die sich wegen ihrer luftgekühlten Motoren besonders gut für den Einsatz in Sibirien eigneten. Als Tag der Fertigstellung bzw. als „Geburtstag“ der BAM gilt der 27. Oktober 1984, an dem das „Goldene Gleisjoch“ verlegt wurde, welches bei Balbuchta (Streckenkilometer 1602) den bis dahin aus zwei Richtungen gebauten letzten Streckenabschnitt vollendete.
Seit Mitte der 1980er Jahre wurde das BAM-Projekt zunehmend kritisch betrachtet. Der Bau war sowohl militärisch als auch ökonomisch begründet worden. Da mit der Krise und dem schließlichen Zusammenbruch der Sowjetunion große zuvor geplante Bergbau- und Industrieobjekte im Einzugsgebiet der BAM nicht errichtet wurden, war die Strecke insbesondere bis zum Ende der 1990er Jahre nur schwach ausgelastet, arbeitete defizitär und wurde allgemein als Fehlinvestition eingeschätzt. Auch der Personenverkehr führt naturgemäß bis heute kaum zu Umsatz, da der größte Teil des durchfahrenen Gebietes sehr dünn besiedelt ist (z.B. fährt auf der Strecke von Tynda nach Komsomolsk am Amur täglich ein Fernzug). 1996 wurde schließlich die eigenständige Bahnverwaltung „Baikal-Amur-Magistrale“ aufgelöst: der westliche Abschnitt bis etwa Chani (auf dem Territorium der Oblast Irkutsk, der Republik Burjatien und der Oblast Tschita) kam zur Ostsibirischen Eisenbahn, der Rest zur Fernöstlichen Eisenbahn. Es gab immer wieder Stimmen, die die Stilllegung der Strecke befürchteten oder forderten.
Mit dem Rohstoffboom der letzten Jahre und dem Aufschwung der russischen Wirtschaft wachsen die Transportleistungen jedoch. Es wurde begonnen, Pläne zur Rohstofferschließung aus den 1970er Jahren umzusetzen (z. B. die Erzlagerstätten Udokan (Удокан) und Tschinei (Чиней)). In diesem Zusammenhang wurden auch mehrere an der BAM beginnende Stichbahnen gebaut bzw. mit dem Bau begonnen. Die BAM soll außerdem als Alternativstrecke zur Transsib beim Containertransport vom Pazifik nach Europa etabliert werden. Allerdings steht letzterem die überwiegende Eingleisigkeit und die mangelnde Anbindung am östlichen Ende der Strecke im Wege. Immer wieder ist die Verlängerung der Strecke nach Sachalin (Brücke oder Tunnel) oder gar bis Japan im Gespräch. Diese Ideen sind zurzeit jedoch ökonomisch nicht realisierbar. So wurden zwischenzeitlich (um 2003) die Arbeiten am bereits unter Stalin begonnenen Bau eines Tunnels nach Sachalin bzw. dessen Anschlussstrecken begonnen, inzwischen aber wieder eingestellt, da sich der Staat aus solchen Projekten zurückzieht und private Investoren bisher nicht genügend Interesse zeigen. Die damit im Zusammenhang stehende Umspurung der bisher schmalspurigen (1067 mm) Strecken auf Sachalin auf russische Breitspur wird aber schrittweise fortgesetzt.
[Bearbeiten] Literatur
- Yates, Athol; Zvegintzov, Nicholas: Siberian BAM Guide. 2. Auflage, Trailblazer, ISBN 1-873756-18-6