Betriebsverfassung
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Betriebsverfassung ist die grundlegende Ordnung der Zusammenarbeit von Arbeitgeber und der von den Arbeitnehmern gewählten betrieblichen Interessenvertretung. Ihre Grundlage ist in Deutschland das Betriebsverfassungsgesetz.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte der Betriebsverfassung in Deutschland
Arbeitsausschüsse und -räte wurden erstmals Ende des 19. Jahrhunderts gebildet. Im Ersten Weltkrieg gab es mit dem Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 2. Dezember 1916 erstmals eine gesetzliche Regelung für sie. Dieses Gesetz sah jedoch auch vor, dass Arbeitnehmer für die Kriegsproduktion eingezogen werden konnten. Dies führte unter anderem dazu, dass bei Streiks die aktiven Arbeitnehmer abkommandiert wurden. In der Arbeiterbewegung war dieses Gesetz stark umstritten.
In der Weimarer Verfassung [1] wurden 1919 erstmals Arbeiterräte konstituiert (Artikel 165). Mit dem Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920, das eine gewählte Interessenvertretung der Arbeitnehmer auf sozialem und personellem Gebiet regelte, wurden die Mitbestimmung und die Rechte und Pflichten des Betriebsrats geregelt.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde am 20. Januar 1934 das Betriebsrätegesetz aufgehoben und durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit ersetzt, mit dem die Betriebsverfassung auf der Grundlage des „Führerprinzips“ geordnet wurde.
Basisdaten | |
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Titel: | Betriebsverfassungsgesetz |
Abkürzung: | BetrVG 1952 / 1972 |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Rechtsmaterie: | Arbeitsrecht |
FNA: | 801-1 / 801-7 |
Ursprüngliche Fassung vom: | 11. Oktober 1952 (BGBl. I S. 681) |
Inkrafttreten am: | 14. November 1952 |
Neubekanntmachung vom: | 15. Januar 1972 (BGBl. I S. 13) |
Letzte Neufassung vom: | 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518) |
Letzte Änderung durch: | Art. 221 VO vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407, 2434) |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
8. November 2006 (Art. 559 VO vom 31. Oktober 2006) |
Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung! |
Dieses Gesetz wurde nach 1945 durch die Kontrollratsgesetze Nr. 40 und 56 aufgehoben; durch das Kontrollratsgesetz Nr. 22 (Betriebsrätegesetz) vom 10. April 1946 wurden Rahmenbestimmungen über eine Betriebsverfassung erlassen, die zunächst durch eine Reihe von Ländergesetzen ausgefüllt und ergänzt wurden.
Am 14. November 1952 trat schließlich das Betriebsverfassungsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz enthielt neben Regelungen zur betrieblichen Beteiligung der Arbeitnehmer auch Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung; diese (§§ 76 ff BetrVG 1952) galten bis zum 30. Juni 2004. Seit 1. Juli 2004 gilt das Drittelbeteiligungsgesetz.
Im Jahre 1972 wurde das Betriebsverfassungsgesetz grundlegend novelliert. Das Gesetz trat in dieser Fassung am 18. Januar 1972 in Kraft. Das Gesetz ist seitdem in zahlreichen Punkten überarbeitet und angepasst worden, zuletzt mit der Novellierung vom 27. Juli 2001. Insbesondere wurde hierbei die Bildung von Betriebsräten in Kleinbetrieben erleichtert. Auch wurde der wiederholt geforderte Wegfall der Gruppenregelung nach Arbeitern und Angestellten im BetrVG vollzogen. Als weitere Regulierung wird die Schaffung einer Quotenregelung betrachtet. Hierbei wird bei der Wahl des Betriebsrates die Wahlfreiheit der Arbeitnehmer dadurch eingeschränkt, dass das in der Minderheit befindliche Geschlecht nach einem bestimmten Schlüssel eine Mindestanzahl von Sitzen im Gremium zugeschrieben bekommt.
[Bearbeiten] Organisation der Betriebsverfassung
[Bearbeiten] Voraussetzung und Durchführung der Wahl des Betriebsrates
Betriebsräte werden in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern gewählt. Es muss kein Betriebsrat gewählt werden und der Arbeitgeber muss nicht die Initiative ergreifen. Es obliegt alleine der Initiative der Arbeitnehmer oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, ob ein Betriebsrat gewählt wird.
Die Wahl wird von einem Wahlvorstand organisiert, der vom Betriebsrat vor Ablauf seiner Amtszeit bestimmt wird. Es kann eine Personenwahl oder eine Listenwahl durchgeführt werden. Jeder Arbeitnehmer des Betriebes, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, darf wählen. Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der dem Betrieb länger als sechs Monate angehört. Ein Wahlausschreiben, welches die Formalitäten der Wahl, die Wählerliste und die Fristen für die Abgabe von Wahlvorschlägen regelt, wird vom Wahlvorstand erlassen. Erst nachdem das Wahlausschreiben sechs Wochen lang aushing, kann eine Wahl stattfinden.
Besteht noch kein Betriebsrat, kann der Wahlvorstand vom Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat bestellt werden, falls es eine solche Einrichtung gibt. Ansonsten wird der Wahlvorstand auf einer Wahlversammlung der Arbeitnehmer gewählt. Eine solche Versammlung kann - ohne weitere Voraussetzungen - von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder auch einer Gewerkschaft, die im Betrieb vertreten ist, einberufen werden.
Ein vereinfachtes Wahlverfahren gilt seit der Novelle 2001 in Betrieben mit bis zu 50 Mitarbeitern. Hier kann eine Wahl innerhalb von zwei Wochen durchgeführt werden. Wenn Wahlvorstand und Arbeitgeber sich einigen, kann außerdem auch in Betrieben, die bis zu 100 Arbeitnehmer beschäftigen, ein solches Verfahren angewandt werden.
Alle vier Jahre finden Betriebsratswahlen statt, immer zwischen dem 1. März und dem 31. Mai. In einigen Fällen können auch außerhalb dieser Zeit Neuwahlen stattfinden (z.B.: bei Betrieben, die keinen Betriebsrat besitzen; bei Rücktritt des Betriebsrates).
Das Betriebsverfassungsgesetz findet keine Anwendung auf Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
[Bearbeiten] Weblinks zum Wahlverfahren:
[Bearbeiten] Organisation des Betriebsrates
Die Amtsperiode des Betriebsrates beträgt vier Jahre. Die Größe des Betriebsrates richtet sich nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebes, außer der Leiharbeitnehmer. Der Betriebsrat besteht gemäß § 9 BetrVG etwa für Betriebe mit
- 5 bis 20 Wahlberechtigten: aus einer Person (Betriebsobmann)
- 21 bis 50 Wahlberechtigten: aus drei Mitgliedern
- 51 bis 100 Wahlberechtigten: aus fünf Mitgliedern
- 101 bis 200 Wahlberechtigten: aus sieben Mitgliedern
- 201 bis 400 Wahlberechtigten: aus neun Mitgliedern
Die Zusammensetzung des Betriebsrats sollte gleichberechtigt sein.(§ 15 BetrVG). Das Geschlecht, das sich im Betrieb in der Minderheit befindet, sollte im Betriebsrat entsprechend seinem prozentualen Anteil im Betrieb vertreten sein, wenn der Betriebsrat mindestens drei Mitglieder hat.
Ein Vorsitzender oder im Fall seiner Verhinderung sein Stellvertreter vertritt den Betriebsrat. Er muss in der ersten Betriebsratssitzung gewählt werden. Die Kosten der Tätigkeit des Betriebsrates hat der Arbeitgeber zu tragen; unter anderem muss er Schulungen der Betriebsratsmitglieder zahlen, sofern diese erforderlich sind. Auch muss der Betriebsrat durch Freistellung von der Arbeit die Möglichkeit haben, seine Aufgaben im Betriebsrat während seiner regulären Arbeitszeit zu erfüllen. Seit der Novelle 2001 müssen in Betrieben mit mehr als 200 Arbeitnehmern ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder vollständig von der Arbeit freigestellt werden. (§ 38 BetrVG). Bei der für die Freistellung maßgeblichen Belegschaftsstärke sind Leiharbeitnehmer, obwohl sie das aktive Wahlrecht haben können, nicht mitzuzählen, denn sie sind keine Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs[1].
[Bearbeiten] Grundlagen der Betriebsratstätigkeit
Der Betriebsrat ist ein Kollektivorgan, das seine Entscheidungen durch Mehrheitsbeschlüsse fällt. Der Vorsitzende vertritt den Betriebsrat im Rahmen seiner Beschlüsse, darf aber nichts unabhängig entscheiden. Betriebsratsmitglieder haben sich während ihrer Tätigkeit als Betriebsrat parteipolitisch neutral zu verhalten. Als Betriebsratsmitglieder dürfen sie sich an Arbeitskämpfen weder beteiligen, noch sie organisieren. In ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer sind die Mitglieder des Betriebsrats allerdings durchaus frei in den genannten Handlungen.
Das Gesetz (§ 2 BetrVG) verpflichtet Betriebsrat und Arbeitgeber zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, was sich allerdings nicht immer in der Realität widerspiegelt. Den Betriebsrat trifft auch die Verpflichtung zur Geheimhaltung, soweit der Arbeitgeber ihm Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse (was ganz selten wirklich der Fall ist) oder persönliche Daten von Arbeitnehmern mitteilt; wenn diese Geheimhaltungspflicht nicht eingehalten wird, können Mitglieder des Betriebsrats bestraft werden.
Betriebsratsmitglieder sind vor ordentlichen Kündigungen geschützt. Sie genießen insoweit Sonderkündigungsschutz, welcher nur bei Schließung des Betriebes oder im Falle einer außerordentlichen Kündigung durchbrochen wird. Der Betriebsrat muss bei Kündigungen und erzwungenen Versetzungen in einen anderen Betrieb, die zum Verlust des Betriebsratsamtes führen könnten, gemäß § 103 BetrVG zustimmen.
[Bearbeiten] Pflichten des Arbeitgebers in der Betriebsverfassung
Auch den Arbeitgeber trifft das Neutralitätsgebot im Verhältnis zum Betriebsrat und die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit im Interesse des Betriebs(!)
Der Arbeitgeber darf die Wahl und die Arbeit des Betriebsrats nicht behindern, Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder bevorteilen noch benachteiligen, und er ist verpflichtet, die mit dem Betriebsrat getroffenen Betriebsvereinbarungen im Betrieb umzusetzen.
Außerdem hat er umfangreiche Informations- und Beratungsansprüche zu erfüllen.
[Bearbeiten] Inhalt der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht eine Fülle von Bereichen vor, bei denen der Betriebsrat mitwirken kann. Eine Systematik der Mitwirkungsrechte bietet das Gesetz nicht. Die Mitwirkungsrechte scheinen über das ganze Gesetz "verstreut" zu sein.
Was den Inhalt der Mitwirkungsrechte anbetrifft, kann grundsätzlich folgende Systematik festgestellt werden:
- In sozialen Angelegenheiten (vgl. § 87 BetrVG), d.h. immer dann, wenn nicht unmittelbar die Art der Ausführung der Arbeit, sondern der Arbeitnehmer als Individuum betroffen ist, ist eine "starke" Mitbestimmung vorgesehen. Der Betriebsrat steht in sozialen Entscheidungen auf einer Stufe mit dem Arbeitgeber, er kann Entscheidungen mitgestalten.
- In Personellen Angelegenheiten, wie Einstellungen oder Kündigungen besitzt der Betriebsrat das Recht, die Zustimmung zu Maßnahmen zu verweigern (bei Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen oder Versetzungen) oder das Recht, zu widersprechen (bei Kündigungen) Eine Gestaltungsmöglichkeit ist hier nicht eröffnet.
- In wirtschaftlichen Angelegenheiten ist der Betriebsrat auf ein Informationsrecht beschränkt, das regelmäßig vom Wirtschaftsausschuß wahrgenommen wird. Eine Einflußnahme auf wirtschaftliche Entscheidungen des Unternehmers ist dem Betriebsrat versagt.
Was die Reichweite der Mitwirkungsrechte anbetrifft, kann grundsätzlich unterschieden werden zwischen
- Informationsrechten, dem bloßen Recht des Betriebsrats, informiert zu werden;
- Beratungsrechten, dem Recht des Betriebsrats, bestimmte Fragen mit dem Arbeitgeber zu erörtern;
- dem Widerspruchsrecht, dem Recht des Betriebsrats einer beabsichtigten Kündigung zu widersprechen, ohne sie verhindern zu können;
- Zustimmungsverweigerungsrechten bei personellen Maßnahmen
- (echten) Mitbestimmungsrechten, dem Recht, Entscheidungen mitzugestalten.
[Bearbeiten] Informationsrechte
Der Betriebsrat kann seine Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz nur wahrnehmen, wenn er umfassend informiert ist. Das Betriebsverfassungsgesetz stellt den Betriebsrat daher hinsichtlich seiner Kenntnisse über sämtliche betrieblichen Belange (bis auf wenige Ausnahmen) auf die selbe Stufe, wie den Arbeitgeber.
Für die Forderung nach Informationen durch den Betriebsrat ist auch kein konkreter Anlaß erforderlich. Aus der generellen Regelung des Informationsrechts in § 80 Abs. 2 BetrVG ergibt sich vielmehr, daß dem Betriebsrat "jederzeit", d.h. auch ohne konkreten Anlaß, Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind, sofern diese für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit erforderlich sind.
Hauptartikel hierzu: Informationsrechte des Betriebsrats.
Der Betriebsrat vertritt die Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes bei der Entscheidungsfindung und der Umsetzung verschiedener Maßnahmen des Arbeitgebers. Darüber hinaus hat er bei vielen Angelegenheiten auch ein Initiativrecht und kann selber Maßnahmen vorschlagen und einfordern. Er ist nicht zuständig für die leitenden Angestellten; wer zu dieser Gruppe zählt, regelt § 5 Absatz 3 BetrVG.
Seine Mitwirkungsrechte sind unterschiedlich gestaltet; dies reicht von reinen Informationsansprüchen über Beratungspflichten bis hin zu echter Mitbestimmung.
[Bearbeiten] Mitspracherechte des Betriebsrates
Der Betriebsrat hat neben den eigentlichen Mitbestimmungsrechten eine Reihe weiterer Rechte. Zum Beispiel:
- Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung stellen, die dieser für die Durchführung seiner Tätigkeit benötigt (§ 80 BetrVG).
- Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über geplante Änderung wesentlicher betrieblicher Umstände (Umbau, neue Anlagen, neue Verfahren etc.) informieren und diese mit ihm beraten (§ 90 BetrVG). Ebenso muss er ihn über die Personalplanung informieren und diese mit ihm beraten (§ 92 BetrVG)
- Die Gestaltung und Einführung von Personalfragebögen bedarf der Zustimmung des Betriebsrates. (§ 94 BetrVG)
- Bei Maßnahmen der Berufsbildung ist der Betriebsrat zu beteiligen (§ 96-98 BetrVG). Bei der Durchführung (und unter bestimmten Bedingungen bei der Einführung) von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
- Arbeitnehmer haben das Recht, sich beim Betriebsrat förmlich zu beschweren. Erachtet der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt, muss er beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht über die Berechtigung der Beschwerde einigen, entscheidet die Einigungsstelle. (§ 85 BetrVG).
[Bearbeiten] Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Das Betriebsverfassungsgesetz begründet die Mitbestimmung des Betriebsrats. Die sich daraus ergebenden Mitbestimmungsmöglichkeiten sind unterschiedlich stark ausgestaltet. Die stärksten finden sich in § 87 BetrVG.(§ 87 BetrVG) Der Betriebsrat bestimmt mit bei personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Einschränkungen der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bestehen in Tendenzbetrieben.
[Bearbeiten] Personelle Angelegenheiten
Zu den personellen Angelegenheiten zählen die Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung, Versetzung und die Kündigung von Mitarbeitern.
[Bearbeiten] Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung, Versetzung
(§ 99 BetrVG) Der Betriebsrat wird über die beabsichtigte Maßnahme informiert. Er kann binnen Wochenfrist seine Zustimmung verweigern, allerdings nur aus eng begrenzten Gründen wie unterlassener Ausschreibung oder befürchteten Nachteilen für die betroffenen oder andere Arbeitnehmer. Schweigt der Betriebsrat bis zum Ablauf der Frist, gilt seine Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme als erteilt.
Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, so darf die Maßnahme nicht durchgeführt werden. Der Arbeitgeber kann aber im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren die Zustimmung des Betriebsrates ersetzen lassen, wenn die Zustimmungsverweigerung nicht ausreichend oder unrichtig begründet ist(§ 100 BetrVG). Während der Verfahrensdauer kann er in Eilfällen die Maßnahme auch vorläufig durchführen, obwohl die Zustimmung des Betriebsrates verweigert wurde.
[Bearbeiten] Kündigung
(§ 102 BetrVG) Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung ordnungsgemäß angehört werden. Sonst ist die Kündigung unwirksam. Er kann bei der ordentlichen Kündigung binnen Wochenfrist, bei der außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Tagen Stellung nehmen. Anderenfalls gilt seine Zustimmung als erteilt. Aber auch wenn der Betriebsrat Bedenken gegen die Kündigung äußert oder ihr widerspricht, kann der Arbeitgeber wirksam kündigen, sofern nur das Beteiligungsverfahren durchlaufen wurde (und die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Kündigung vorliegen). Die Anhörungspflicht besteht für jede Kündigung, also entgegen landläufigen Meinungen auch für solche innerhalb einer Probezeit oder innerhalb der ersten sechs Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (wenn also noch kein Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht).
Bei der ordentlichen Kündigung kann der Betriebsrat außerdem der Kündigung förmlich widersprechen, wenn er Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sieht oder die soziale Auswahl nicht für ordnungsgemäß durchgeführt hält. Auch nach Widerspruch kann wirksam gekündigt werden. Klagt der Arbeitnehmer, muss ihn der Arbeitgeber dann - wegen des Widerspruchs des Betriebsrats - in der Regel bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigen und jedenfalls auch weiter vergüten. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung rechtzeitig, d.h. jedenfalls vor Ablauf der Kündigungsfrist beim Arbeitgeber geltend macht. Voraussetzung ist weiter, dass der Betriebsrat wirksam widersprochen hat. Der Arbeitgeber kann sich unter Umständen vom Arbeitsgericht von der Pflicht zur Weiterbeschäftigung entbinden lassen, und zwar im Wege einer von ihm zu beantragenden Einstweiligen Verfügung, die aber sehr engen Grenzen unterliegt.
[Bearbeiten] Soziale Angelegenheiten
Regelungen in sozialen Angelegenheiten darf der Arbeitgeber nur mit Zustimmung des Betriebsrates treffen. Der Betriebsrat hat auch ein Initiativrecht, solche Regelungen zu erzwingen.
Unter sozialen Angelegenheiten versteht das Gesetz (§ 87 BetrVG):
- Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage
- vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit
- Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte
- Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird
- Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen
- Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften
- Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist
- Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen
- Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung
- Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren
- Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen
- Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.
Eine Regelung, auf die sich Arbeitgeber und Betriebsrat geeinigt haben, wird regelmäßig in Form einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben. Einzelfallregelungen können auch durch eine Regelungsabrede erfolgen. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen, entscheidet eine einzurichtende Einigungsstelle.
[Bearbeiten] Wirtschaftliche Angelegenheiten
In Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten hat der Betriebsrat gemäß § 106 BetrVG einen Wirtschaftsausschuss einzurichten. Der Arbeitgeber hat den Wirtschaftsausschuss unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens (finanzielle Lage, Produktions- und Absatzlage, Rationalisierungsvorhaben etc.) zu unterrichten und diese mit ihm zu beraten.
Außerdem ist der Betriebsrat bei Betriebsänderungen (Schließung, Verlegung, gravierende Organisationsänderungen)zu beteiligen. Bei solchen Betriebsänderungen ist mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan zu verhandeln (Einzelheiten siehe unter: Betriebsänderung, Sozialplan).
Der Interessenausgleich ist eine Vereinbarung, mit der das „ob“, das „wann“ und das „wie“ der geplanten Maßnahme zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart wird (z.B.: Zeitpunkt der Betriebsschließung; Teilweise Fortführung etc.). Den Abschluss eines Interessenausgleiches kann der Betriebsrat nicht erzwingen. Es besteht nur ein Verhandlungsanspruch. Der Arbeitgeber muss allerdings mit dem Betriebsrat eine Einigung über den Interessenausgleich versuchen, und zwar bis zur Anrufung (und Scheitern) der Einigungsstelle. Unterlässt er diesen Versuch, so können die einzelnen Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Klage auf Zahlung einer Abfindung erheben, wenn sie in Folge der Betriebsänderung entlassen werden oder sonstige Nachteile erleiden (Nachteilsausgleich Interessensanspruch gem. § 113 BetrVG)
Der Sozialplan regelt den Ausgleich der mit der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile. Das kann einen vielgestaltigen Inhalt haben (z.B.: Fahrdienst, betrieblicher Kindergarten, Fortbildung), betrifft im Kern aber meist die Zahlung von Abfindungen. Zunehmend werden im Sozialplan auch Regelungen über die Errichtung sogenannter Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften getroffen, in welche Arbeitnehmer hineinwechseln sollen, um sich dort für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren.
[Bearbeiten] Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat
Grundsätzlich ist bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu unterscheiden, ob
- eine Streitigkeit besteht, weil sich Arbeitgeber und Betriebsrat über eine Regelungsfrage nicht einigen können oder ob
- eine Streitigkeit besteht, weil Arbeitgeber oder Betriebsrat gegen ihre jeweiligen gesetzlichen Pflichten verstoßen haben.
Im allgemeinen kann man davon ausgehen, dass bei Streitigkeiten über eine zu treffende Regelung die Einigungsstelle entscheidet, bei Streitigkeiten über einen Verstoß gegen gesetzliche Pflichten entscheidet das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren.
[Bearbeiten] Regelungsstreitigkeiten
Das Betriebsverfassungsgesetz gibt in einer Vielzahl von Vorschriften vor, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat über eine bestimmte Frage zu einigen haben. Diese Vorgabe erkennt man an der immer gleichen Formulierung im BetrVG: „Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.“ In sämtlichen Angelegenheiten, in denen das Gesetz diese Formulierung wählt, ist eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ausgeschlossen. Der Gesetzgeber erwartet in diesen Angelegenheiten von Arbeitgeber und Betriebsrat, dass sie sich innerbetrieblich einigen - nötigenfalls unter Hinzuziehung einer Einigungsstelle. Eine Einigung ist beispielsweise vorgesehen:
- Bei der Regelung einer der in § 87 Abs. 1 BetrVG abschließend aufgelisteten sozialen Angelegenheiten (vgl. § 87 Abs. 2 BetrVG);
- Bei der Regelung des Inhalts eines Sozialplans (vgl. § 112 Abs. 4 BetrVG)
- Bei der Frage, ob der Zeitpunkt eines Seminarbesuchs betriebliche Notwendigkeiten beeinträchtigt (vgl. § 37 Abs. 6 S. 5 BetrVG);
- Bei der Regelung von Auswahlrichtlinien gemäß § 95 BetrVG
- Bei der Regelung des Inhalts von Personalfragebögen gemäß § 94 BetrVG
Darüber hinaus existiert eine Vielzahl weiterer Regelungsbereiche, in denen eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und ggf. die Einsetzung einer Einigungsstelle vorgesehen ist.
[Bearbeiten] Verstoß gegen gesetzliche Pflichten
Von den Regelungsstreitigkeiten zu unterscheiden ist das rechtswidrige Verhalten von Arbeitgeber und Betriebsrat. Das Betriebsverfassungsgesetz wählt in vielen Vorschriften die Formulierung, dass Arbeitgeber oder Betriebsrat etwas „zu tun hat“. Immer dann, wenn eine solche Formulierung gewählt wurde, normiert der Gesetzgeber gesetzliche Pflichten von Arbeitgeber oder Betriebsrat, manchmal auch von beiden gemeinsam.
Beispiele:
§ 37 Abs. 2 BetrVG: Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
§ 43 Abs. 1 BetrVG: Der Betriebsrat hat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen (...).
§ 75 Abs. 1 BetrVG: Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, (...).
§ 80 Abs. 2 BetrVG: Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten.
§ 87 Abs. 1 BetrVG: Der Betriebsrat hat (...) in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen (...)
Verstößt der Arbeitgeber oder der Betriebsrat (oder auch ein einzelnes Betriebsratsmitglied) gegen seine gesetzlichen Verpflichtungen, so kann der jeweils andere Teil gemäß § 23 BetrVG das Arbeitsgericht anrufen.
Voraussetzung ist zunächst jeder Verstoß des anderen Teils gegen seine gesetzlichen Pflichten. Weiterhin muss es sich um einen „groben“ Verstoß handeln. Als grob wird ein Verstoß von den Arbeitsgerichten angesehen, wenn es sich entweder um einen besonders schweren Verstoß handelt, oder wenn trotz Hinweises des anderen Teils wiederholt gegen eine gesetzliche Pflicht verstoßen wird.
Die Rechtsfolgen für Verstöße von Arbeitgeber oder Betriebsrat gegen ihre gesetzlichen Pflichten sind unterschiedlich.
Verstößt der Betriebsrat oder ein Betriebsratsmitglied gegen seine gesetzlichen Pflichten, kann der Arbeitgeber (oder auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Betriebsrat selbst) beim Arbeitsgericht beantragen, dass der Betriebsrat aufgelöst bzw. ein Mitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen wird, § 23 Abs. 1 BetrVG. Verstößt der Arbeitgeber gegen seine gesetzlichen Pflichten, kann der Betriebsrat (oder auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft beantragen, ihm deswegen ein Ordnungs- bzw. Zwangsgeld aufzugeben, § 23 Abs. 3 BetrVG.
Ein Antrag nach § 23 BetrVG kann von Arbeitgeber oder Betriebsrat auch in Form der Einstweiligen Verfügung gestellt werden. Das Gericht trifft dann eine vorläufige Entscheidung zur schnellen Regelung einer Angelegenheit. Voraussetzung ist auch hier das Vorliegen eines „groben“ Verstoßes.
Ausnahmen
- Im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Maßnahmen, § 99 BetrVG, ist ein besonderes gerichtliches Verfahren zu beachten, das in den §§ 100 und 101 BetrVG geregelt ist.
- Im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates bei sozialen Angelegenheiten, § 87 BetrVG, besteht gegen einen Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ein eigenständiger Unterlassungsanspruch des Betriebsrates, der unabhängig von der Regelung in § 23 BetrVG gerichtlich geltend gemacht werden kann. Dieser Anspruch besteht bei jedem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Es muss sich nicht um einen „groben“ Verstoß handeln.
- Für die Anfechtung der Betriebsratswahl ist ein besonderes gerichtliches Verfahren vorgeschrieben, § 19 Abs. 1 BetrVG.
- Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat vor der Einberufung einer Einigungsstelle nicht auf einen Einigungsstellenvorsitzenden oder auf eine bestimmte Anzahl von Beisitzern, entscheidet das Arbeitsgericht, § 76 Abs. 2 BetrVG.
- Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf eine Person, die mit der betrieblichen Berufsausbildung beauftragt werden soll und handelt der Arbeitgeber eigenmächtig, entscheidet ausnahmsweise nicht die Einigungsstelle, sondern das Arbeitsgericht, § 98 Abs. 5 BetrVG
[Bearbeiten] Fußnoten
- ↑ BAG, Beschluss vom 22. Oktober 2003, 7 ABR 3/03
[Bearbeiten] Literatur
- Reinhard Richardi (Hrsg.): Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung. 9. Auflage. Beck, München 2004, ISBN 3406515673
- Karl Fitting u.a.: Betriebsverfassungsgesetz. Handkommentar. 23. Auflage. Vahlen, München 2006, ISBN 3-8006-3275-6
- Juri Hälker: Betriebsräte in Rollenkonflikten. Betriebspolitisches Denken zwischen Co-Management und Gegenmacht. Hampp, München 2004, ISBN 3-87988-800-0
[Bearbeiten] Weblinks
- aktuelle höchstrichterliche Entscheidungen des BArbG
- Informationen auf der verdi-Seite
- Praxisfragen und Antworten
- Text des BetrVG
- Mitbestimmung - Ein gutes Unternehmen. - Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
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