Die neuen Leiden des jungen W.
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Die neuen Leiden des jungen W. ist ein analytischer Montageroman und Bühnenstück von Ulrich Plenzdorf.
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[Bearbeiten] Geschichte
Plenzdorf schrieb sein gesellschaftskritisches Bühnenstück „Die neuen Leiden des jungen W.“ im Jargon der DDR-Jugend der 1970er Jahre. Es erzählt die Geschichte eines Jugendlichen, der aus seiner kleinbürgerlichen Umwelt ausbrechen will und beim Lesen von Goethes Werk Die Leiden des jungen Werthers immer wieder Ähnlichkeiten mit seinem eigenen Leben entdeckt. Die Uraufführung des Stücks 1972 in Halle (Saale) war ein Sensationserfolg in der DDR. Später wurde das Stück auch in der Bundesrepublik Deutschland sehr erfolgreich aufgeführt. 1976 wurde das Stück in der Bundesrepublik von Eberhard Itzenplitz verfilmt.
[Bearbeiten] Inhalt
Edgar Wibeaus Vater hat ihn verlassen, als dieser fünf Jahre alt war. Nach Edgars Tod im Alter von siebzehn Jahren befragt er Personen, die ihm nahestanden, um sein Leben kennen zu lernen.
Edgar wächst in DDR-Zeiten bei seiner Mutter als Musterschüler und Vorzeigeknabe auf. Nach einem Streit mit seinem Lehrmeister Flemming tut er, was er schon lange tun wollte - er verschwindet mit seinem Freund Willi aus seinem „Heimatort“ Mittenberg und geht nach Berlin. Willi zieht es jedoch bald wieder nach Mittenberg zurück. Edgar bleibt allein in Berlin, wo er in einer verlassenen Laube neben einem Kindergarten unterkommt. In diesem Kindergarten arbeitet die 20-jährige Charlie, in die er sich bald verliebt. Dieter, ihr Verlobter und späterer Mann, und Charlie selbst geben Edgar viel zu denken auf. Charlie weiß nie genau, woran sie bei Edgar ist. Der einzige, mit dem Edgar Kontakt hält, ist sein Jugendfreund Willi. Diesem schickt er regelmäßig Tonbänder mit Zitaten aus Goethes Die Leiden des jungen Werthers, die seine eigene Lage gut beschreiben. „Old Werther“ ist auch später Edgars „Wunderwaffe“, die er gerne einsetzt, wenn Situationen unangenehm werden oder er sich seiner Sache nicht mehr ganz sicher ist. Nachdem der junge Rebell als Künstler keinen Erfolg hat, sich selbst als verkanntes Genie aber nie ganz abschreibt, fängt er als Anstreicher an. Um Addi und Zaremba, seinen Arbeitskollegen, etwas zu beweisen, versucht er ein „nebelloses Farbspritzgerät“ zu entwickeln, von dem Addi auf der Arbeit immer wieder spricht. Beim ersten Versuch, die selbstgebaute Maschine in Betrieb zu nehmen, wird Edgar durch einen Stromschlag getötet.
Diese Version des Ablebens des Protagonisten war allerdings erst in einer überarbeiteten Auflage des Werkes zu finden, ursprünglich nimmt sich Edgar Wibeau das Leben, was allerdings in DDR-Zeiten nicht gern gelesen bzw. gesehen, und „Die neuen Leiden des jungen W.“ somit nicht freigegeben wurde.
[Bearbeiten] Erzählstruktur
Zu Beginn der Handlung ist die Hauptfigur, der siebzehnjährige Lehrling Edgar Wibeau, bereits tot. Die Handlung setzt kurz nach dem Erscheinen der Todesanzeigen damit ein, dass Edgars Vater die Wohnung der Mutter, die Edgar allein großgezogen hat, aufsucht. Im weiteren Verlauf versucht der Vater Details über Edgars Leben herauszufinden, um seinen Sohn im Nachhinein „kennenzulernen“. Zu diesem Zweck spricht er auch mit seinem Meister, Willi, Charlie und Addi. Die in den Gesprächen angerissenen Themen und Fragen schildert, berichtigt und kommentiert Edgar aus dem Jenseits in längeren Monologen. Seine innere Verfassung drückt Edgar mit Hilfe von Zitaten aus Goethes „Werther“ aus, die er, auf Tonband gesprochen, an Willi geschickt hatte.
[Bearbeiten] Personen
Edgar, Charlie, Dieter, Vater, Mutter, Addi, Zaremba, Willi;
Edgar Wibeau: Edgar, das verkannte Genie, ein siebzehnjähriger Nestflüchter mit Hugenottenabstammung, der nach einem Streit in der Lehre mit einem Ausbilder von zu Hause abhaut, ist die Hauptperson in Plenzdorfs Werk. Eigentlich ist er ja schon „über den Jordan“ gegangen, aber immer noch gibt er seine Meinung zu allem und jedem ab, wie er es auch schon zu Lebzeiten getan hatte. Edgar ist ein Möchtegern-Künstler, der, nachdem er in einer Kunsthochschule nicht aufgenommen worden war, als Anstreicher tätig wird. Nachdem er in seinem sechsten Lebensjahr von seinem Vater verlassen worden war, wird er unter der Obhut seiner Mutter zu einem absoluten Musterschüler, der sich eigentlich nie an Streichen beteiligt, sogar wenn die Ideen von ihm stammen. Irgendwann reicht es ihm und er reißt zusammen mit seinem Freund Willi nach Berlin aus. Edgar wird ein typischer Rebell, der sich nichts gefallen und sich von fremden Vorschlägen nicht beeinflussen lässt. Mit seiner Liebe zu Charlie kommt er eigentlich nicht schlecht zu recht, wenn man bedenkt, dass er keine Chancen bei ihr hat und dies auch weiß. Edgar würde sich selbst wahrscheinlich als „Steher“ bezeichnen, der sich weder von anderen beeinflussen lässt noch mit dem Mainstream mitschwimmt, sich aber sehr wohl seine eigene Meinung bilden kann. Trotz seines wahrscheinlich guten und intellektuellen Charakters ist unverkennbar, dass er eben doch noch ein wenig Kind ist, und es ihm an Erfahrung fehlt.
Charlie: Charlie weiß nie, was sie von Edgar denken soll. Sein Wesen erschließt sich ihr von Anfang bis Ende nie komplett. Offensichtlich mag sie Edgar als Person, seinen Lebensstil jedoch nicht. Sie ist eine „starke“ Frau, die sich nicht so schnell unterkriegen lässt, erst recht nicht von Dieter, ihrem Verlobten. Manchmal bekommt man den Eindruck, sie wolle Dieter mit Edgar betrügen, was dann aber, bis auf einen Kuss, nie passiert. Charlie ist hübsch, intelligent und freundlich, andererseits ignorant, arrogant und streitlustig und damit eine Protagonistin, die nur mit widersprüchlichen Kategorien zu beschreiben ist.
Dieter: Dieter ist ein langweiliger Spießer. Er ist arrogant und egozentrisch, wenn auch möglicherweise ein guter Kerl. Er lebt streng nach Regeln und Richtlinien und braucht diese auch um sein Leben zu strukturieren. Sein „Charme“ ist beeindruckend und wird funktionalisiert, um Charlie bei ihm, dem Möchtegern-Gentleman, zu halten. Wäre Charlie nicht, kann es trotzdem sein, dass Dieter und Edgar ganz gut ausgekommen wären.
Vater: Edgars Vater ist im fortgeschrittenen Alter und reich, da er mit seiner jungen Freundin in einem Penthouse in Berlin wohnt. Er verließ seine Frau und sein Kind und kümmert sich erst nach dem Tod seines Sohnes um dessen Leben, zeigt jedoch auch dann keine Reue.
Mutter: Mutter Wibeau hat sich nie allzu sehr um ihren Sohn gekümmert, verlangte ihm immer viel ab und war vermutlich sehr gekränkt, nachdem Edgar Mittenberg verlassen hatte. Dennoch liebt sie Edgar und unterstützt ihn so gut es geht. Nachdem er ausgerissen war, kümmerte sie sich nicht mehr besonders um ihn.
Adolf: Der Chef der Anstreichertruppe ist recht jähzornig und ein guter Mensch. Edgar beschreibt ihn als Steher, wahrscheinlich Edgars größte Auszeichnung. Auch wenn Adolf öfter mit ihm streitet, verstehen sie sich ganz gut. Nach Edgars Rauswurf bekommt Adolf ein schlechtes Gewissen, das er auch nach dessen Tod behält.
Zaremba: Edgar hält viel von Zaremba, vor allem weil er – trotz seines Alters – noch so fit und aktiv ist. Der Anstreicher ist sehr diplomatisch und schlichtet des öfteren Streit zwischen Addi und dem jungen Wibeau.
Willi: Willi ist Edgars alter Jugendfreund, und die einzige Person, mit der er Kontakt hält. Der „Verrat“ an Edgars Mutter ist ihm leicht verständlich und nachvollziehbar. Man erfährt nicht sehr viel von Willi, außer, dass Edgar sich Willi mit Zitaten aus Goethes „Werther“ per Tonband anvertraut.
[Bearbeiten] Literatur
- Die neuen Leiden des jungen W. - Stück in 2 Teilen. Unverkäufliches [Bühnen-]Manuskript. Berlin: Henschelverlag, Abt. Bühnenvertrieb, 1972, 78 Seiten
- Die neuen Leiden des jungen W., 2. Auflage, Rostock: Hinstorff, 1973, 108 S.