Eisenstuck-Affäre
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Bei der Eisenstuck-Affäre 1876-1878 handelte es sich um eine diplomatisch-militärische Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Nicaragua. Sie war verbunden mit der größten Operation, die die Kaiserliche Marine im ausgehenden 19. Jahrhundert in Mittelamerika durchgeführt hat. Sie fand sowohl an der Pazifik- als auch an der Atlantikküste statt.
Anlass für die Intervention waren zwei Überfälle auf den kaiserlichen Honararkonsul Paul Eisenstuck im Jahr 1876. Eisenstuck lebte bereits länger in Mittelamerika und war dort verheiratet. Seine Stieftochter lag in Scheidung, weshalb die Familie zweimal auf offener Strasse angegriffen wurde. Beim ersten Überfall am 23. Oktober 1876 wurden durch den Schwiegersohn drei Schüsse abgeben, die jedoch nicht trafen. Der zweite Überfall am 29. November 1876 war deutlich brutaler und wurde von Polizeisoldaten ausgeführt, die den Konsul verprügelten und verhafteten. Zwar wurde Eisenstuck wegen seines diplomatischen Status bereits auf dem Weg zum Gericht freigelassen, jedoch verliefen alle strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Täter im Sande. Das Strafgericht verwies auf den Weg einer Privatklage und gab dem Vorfall den Rang einer "Familienfehde" bei der der Schwiegersohn lediglich versuchte, seine Ehefrau zurückzugewinnen.
Deutschland verlangte von Nicaragua die Bestrafung der Täter, eine Entschädigungszahlung von 30.000 US$ sowie einen Flaggensalut durch nicaraguanische Soldaten. Nicaragua kam dem nicht nach - man nahm die Deutschen nicht richtig ernst, zumal es kaum diplomatische oder wirtschaftliche Kontakte gab.
Während der gesamten Affäre achtete das Auswärtige Amt genau darauf, dass sich Deutschland gemäß den gültigen Normen des Völkerrechts verhielt. Es ließ sich seine Rechtsposition mehrfach von Großbritannien und den USA bestätigen. Entsprechend den damaligen diplomatischen Gepflogenheiten verschärfte Deutschland den Druck, schaltete aber zugleich England und die USA als Vermittler ein. Die Vermittlung blieb erfolglos, zumal die nicaruguanische Regierung den amerikanischen Diplomaten so brüsk behandelte, dass die USA bis zum Ende der Affäre die diplomatischen Beziehungen zu Nicaragua abbrachen.
Das Auswärtige Amt bat die kaiserliche Admiralität schließlich im August 1877 um Unterstützung. Diese schickte daraufhin drei Kriegsschiffe des Ostasiengeschwaders, SMS "Leipzig", SMS "Ariadne" und SMS "Elisabeth", an die Westküste von Nicaragua, ein weiteres Schiff, das Kadettenschulschiff SMS "Medusa", befand sich auf einer Routinereise in Westindien und wurde an die Ostküste beordert. Die Schiffe erreichten am 17. und 18. März 1878 ihr Ziel. Die Schiffe waren nicht für Landungsoperationen ausgerüstet und deshalb kaum in der Lage, militärischen Druck auf die Regierung in der im Landesinneren liegenden Hauptstadt Managua aufzubauen.
Trotzdem gab die nicaraguanische Regierung am 31. März 1878 nach, zahlte eine Entschädigung von 30.000 US$, die Täter wurden bestraft (Geldstrafe von 500 US$) und eine Abteilung Marinesoldaten erwies den Flaggensalut. Im gesamten Konflikt fiel kein Schuss.
Die Affäre ist ein Beispiel für Kanonenbootpolitik europäischer Mächte in der damaligen Zeit. Insbesondere das junge Deutsche Reich war darum bemüht, als Großmacht ernst genommen zu werden. Das hing mit nationalem Prestigestreben zusammen, hatte aber auch einen sachlichen Hintergrund. Die Behandlung fremder Staatsbürger im Ausland hing sehr stark davon ab, in welchem Ansehen ihr Heimatland stand. Die Geschäfte deutscher Kaufleute in Lateinamerika hingen also auch davon ab, ob die dortigen Regierungen Respekt vor dem Deutschen Reich hatten.
Diesen Respekt für das Reich zu gewinnen, gehörte zu den Hauptaufgaben der Auslandskreuzer der Kaiserlichen Marine. Es zeigte sich bei der Eisenstuck-Affäre, dass sie wegen mangelhafter Ausrüstung nicht in der Lage war, eine wirkliche Landungsoperation gegen einen lateinamerikanischen Staat durchzuführen. Dass die Operation dennoch den gewünschten Erfolg erzielte, ist zum einen auf das diplomatische Geschick des in Mittelamerika sehr erfahrenen Verbandsführers, Kapitän zur See Wilhelm von Wickede zurückzuführen, zum anderen auf die Tatsache, dass die deutsche Forderung an Nicaragua als sehr moderat empfunden wurde.
Die Haltung der Regierung von Nicaragua ist völlig rätselhaft. Unter Historikern wird spekuliert, dass die Regierung hoffte, die Deutschen würden das oppositionelle León in Schutt und Asche schießen, was jedoch nicht geschah.
Eisenstucks Tochter kehrte später zu ihrem Ehemann zurück und war bis mindestens 1914 noch mit ihm verheiratet.