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Feinabstimmung der Naturkonstanten

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Feinabstimmung des Universums wird in der Kosmologie die genaue Abstimmung der Größe von Naturkonstanten in den gegenwärtigen physikalischen Theorien zur Beschreibung des beobachtbaren Universums bezeichnet, die von manchen Kosmologen für notwendig erachtet wird, um die Entstehung von komplexen Systemen wie Sonnensystemen oder menschliche Wesen überhaupt erst zu ermöglichen. Inwieweit eine Feinabstimmung tatsächlich existiert oder ob sie nur ein Artefakt der bisher letztlich unvollständigen physikalischen Theorien ist, ist noch nicht geklärt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Konstanten, für welche Feinabstimmung postuliert wurde

Zu den Konstanten, für die von verschiedenen Autoren eine Feinabstimmung postuliert wird, zählen neben Größen wie dem Photon-zu-Baryon-Verhältnis, dem Verhältnis der Dichte von nichtbaryonischer dunkler Materie zur Baryonendichte sowie der Amplitude primordaler Dichtefluktuaktionen auch folgende Größen[1][2]:

[Bearbeiten] Feinabstimmung der Kräfte (Wechselwirkungsbedingung)

Die Wechselwirkungskonstanten der vier Grundkräfte der Physikstarke Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung, Elektromagnetismus und Gravitation – müssen, sofern das Feinabstimmungsargument zutrifft, auf wenige Prozent genau abgestimmt sein, um Leben, wie wir es kennen, zu ermöglichen. So bestimmen zum Beispiel die Halbwertszeit und die Kernenergie-Niveaus von Beryllium-8 wesentlich, in welchem Ausmaß und wie rasch die Nukleosynthese von Kohlenstoff-12 in den Sternen vonstatten geht. Siehe auch Drei-Alpha-Prozess.

[Bearbeiten] Feinabstimmung der Expansionsrate (Flachheitsbedingung)

Nach dieser Ansicht darf die Expansion des Universums einerseits nicht so schwach sein, dass das Universum nach kurzer Zeit wieder kollabiert (kurze Zeit bedeutet hier nach wenigen Jahrmillionen), andererseits nicht so stark bzw. die Materieverteilung nicht so dünn sein, dass die Entstehung von Sonnen und Galaxien verhindert wird. Im heutigen kosmologischen Standardmodell wird die Expansionsrate durch die Massedichte bestimmt, welche – sofern man keine Modifikationen im Standardmodell einführt – zu Beginn des Universums auf den winzigen Faktor von 1:1057 genau mit der sogenannten kritischen Dichte abgestimmt sein müsse, um die Entstehung von Sonnensystemen und Galaxien zu ermöglichen.

[Bearbeiten] Feinabstimmung der Vakuumenergie

Die Vakuumenergie hat einen großen Einfluss auf die Allgemeine Relativitätstheorie und besteht selbst aus verschiedenen Beträgen anderer Naturkonstanten. Schon durch eine Abweichung von mehr als 1:10120 in einem der Teilbeträge würde die Vakuumenergie so stark verändert, dass das Leben, wie wir es kennen, nicht möglich wäre.[3]

[Bearbeiten] Feinabstimmung der Masse der Elementarteilchen (Teilchenbedingung)

Die Massen der Elementarteilchen Elektron, Proton und Neutron dürfen nur wenig von ihren jetzigen Werten abweichen, um Atome und Moleküle und damit kohlenstoffbasiertes Leben in diesem Universum zu ermöglichen.

[Bearbeiten] 'Feinabstimmung' der Dimensionen

Vielleicht nicht eine Feinabstimmung im herkömmlichen Sinn, aber dennoch in diesem Zusammenhang erwähnenswert, ist die Zahl der Dimensionen des Universums. Man geht davon aus, dass ein Universum im Prinzip beliebig viele Dimensionen haben kann. Um jedoch Strukturen wie ein Gehirn oder einen Verdauungstrakt ermöglichen zu können, müssen mehr als zwei Dimensionen vorgegeben sein.[4] Und bei einem mehr als dreidimensionalen Universum sind sowohl Atome[5] wie auch Planetenbahnen[6] instabil. Damit in einem Universum intelligentes Leben entstehen kann, muss es genau dreidimensional sein.

[Bearbeiten] Mögliche Erklärungen

Eine endgültige Bewertung der Feinabstimmung des Universums ist zurzeit nicht möglich. Inwieweit Feinabstimmung überhaupt existiert, ist noch nicht endgültig geklärt. Zwar dürften selbst kleine Änderungen der Konstanten kohlenstoffbasiertes Leben, wie wir es kennen, unmöglich machen, aber ob damit auch jegliche andere Form von Leben unmöglich gemacht wird, steht noch zur Diskussion (die Fokussierung auf kohlenstoffbasiertes Leben wird in diesem Zusammenhang auch Kohlenstoff-Chauvinismus genannt). Einerseits wird argumentiert, dass bei Änderung der Naturkonstanten andere, nicht-kohlenstoffbasierte Lebensformen möglich seien, andererseits werden oft einige generell nötige Eigenschaften angeführt, die ein Universum benötigt, um Leben zuzulassen. So wird beispielsweise das Vorhandensein von Entropiegradienten meist als eine grundlegende Voraussetzung für alle Formen von Leben – soweit in naturwissenschaftlichen Begriffen definierbar – angesehen. Könnte man für eine bestimmte Konstante also zeigen, dass bereits bei kleiner Variation keine Entropiegradienten mehr im Universum exisieren können (wenn dann beispielsweise nur homogenes verdünntes Wasserstoffgas existieren könnte), wäre das ein starkes Argument für eine tatsächliche Feinabstimmung dieser Konstante im Rahmen der gegenwärtigen Standardtheorien.

Falls die Feinabstimmung bezüglich der gegenwärtigen physikalischen Theorien existiert, wird nach einer stärkeren Begründung gesucht, da purer Zufall hier allgemein als unbefriedigende Erklärung gilt. Alle Erklärungen sind zur Zeit in drei Kategorien unterteilbar, deren Übergänge allerdings fließend sind und die sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen müssen:

[Bearbeiten] Fundamentalere Theorie ohne feinabgestimmte Konstanten

Nach dieser Vorstellung ist die Feinabstimmung nur scheinbar bzw. ein Artefakt, das daher rührt, dass die gegenwärtigen physikalischen Theorien bekanntermaßen nicht fundamental, sondern nur Annäherungen an eine noch zu entwickelnde fundamentalere physikalische Theorie sind. Die hohe Anzahl der Konstanten in den gegenwärtigen Theorien wird an sich als unelegant angesehen, und es wird erwartet, dass eine fundamentalere Theorie entweder gar keine oder nur sehr wenige Konstanten aufweisen würde. Mit den Konstanten würde somit auch die Feinabstimmung weitgehend oder vollständig verschwinden. Solch eine grundlegendere physikalische Theorie wäre also notwendig, um diese Frage nach der Feinabstimmung letztendlich zu entscheiden. Im Fall einer fundamentalen Theorie ohne Feinabstimung würden alle, oder zumindest ein großer Anteil aller möglichen, Universen die nötige Komplexität für Leben aufweisen und nicht nur ein verschwindend kleiner Anteil wie im Fall einer tatsächlichen Feinabstimmung. Als Kandidat für so eine grundlegende Theorie wird unter anderem die Superstringtheorie gehandelt.[7]

[Bearbeiten] Ensemble-Hypothese und Anthropisches Prinzip

Die Feinabstimmung existiert zwar in dem für uns beobachtbaren, lokalen Teil des Universums, ist aber genaugenommen kein Zufall. Sie erklärt sich daraus, dass wir nur feinabgestimmte Universen bzw. Teile von Universen beobachten können, da wir nur dort existieren können. Ein vorgegebener Sinn oder ein vorgegebenes Ziel des Universums ist hier zur Erklärung nicht notwendig. Dazu zählt auch die Hypothese des Multiversums: Anstatt einem einzigen (unserem Universum) gibt es unendlich viele Paralleluniversen. Jedes einzelne Universum hat andere physikalische Eigenschaften und unser Universum ist 'zufälligerweise' in der Lage, Leben zu ermöglichen. Auch wird das Anthropische Prinzip in Verbindung mit einem einzelnen unendlich oder zumindest hinreichend großen Universum, wie es gegenwärtige astronomische Beobachtungsdaten nahelegen, zur Erklärung der Feinabstimmung diskutiert.[8]

Es wurde teilweise vermutet, dass ein Multiversum selbst auch feinabgestimmte Naturkonstanten haben muss, so dass dies nur eine Verlagerung der Fragestellung bedeutet. Der Physiker Tegmark entgegnet hier, dass dies, insofern es überhaupt ein echtes Problem sei, umgangen werden kann, indem Multiversen angenommen werden, in denen alle möglichen (mathematischen beschreibbaren) Meta-Gesetze vorkommen. Mathematisch nicht beschreibbare Multiversen spielen keine Rolle, da auch Konstanten mathematische Grössen sind, und es deswegen in mathematisch nicht beschreibbaren Multiversen keinen Sinn macht, von feinabgestimmten Konstanten zu sprechen.

[Bearbeiten] Teleologische Erklärung

Anhänger dieser Hypothese gehen davon aus, dass das Universum entweder durch ein teleologisches Prinzip oder auch durch ein bewusstes intelligentes Wesen, z.B. einen Gott im theologischen Sinn, auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet sei, so dass das Universum lebensfreundliche Bedingungen aufweise. Es gäbe einen zielgerichteten Sinn, der sich möglicherweise auf Grund der Beschränktheit des menschlichen Geistes diesem aber nicht bzw. noch nicht erschließe. Vertreten wird diese Hypothese z.B. vom Theologen Richard Swinburne[9].

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Quellen

  1. John Leslie, Universes, London, Routledge
  2. [1] Anthony Aguirre, The Cold Big-Bang Cosmology as a Counter-example to Several Anthropic Arguments, Physics preprint archive astro-ph/0106143
  3. Ulrich Walter, Zivilisationen im All - sind wir allein im Universum, 1999, Spectrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg Berlin
  4. http://www.hawking.org.uk/text/public/warps.html Public Lectures - Space and Time Warps von Stephen Hawking
  5. Paul Ehrenfest, 1917
  6. Frank R. Tangherlini, 1963
  7. [2] G.L.Kane, The Beginning of the End of the Anthropic Principle Physics preprint archive astro-ph/0001197 >
  8. Nick Bostrom, Anthropic Bias, Observation Selection Effects in Science and Philosophy, Routledge, 2002
  9. Richard Swinburn, "Argument from the fine-tuning of the universe." In Physical cosmology and philosophy. J.Leslie. New York, Macmillan, 154-173
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