Halbwertszeit
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Die Halbwertszeit ist die Zeit, in der sich ein exponentiell mit der Zeit abnehmender Wert halbiert hat. Bei exponentiellem Wachstum spricht man von einer Verdoppelungszeit.
Ein exponentielles Verhalten liegt beispielsweise vor, wenn die zeitliche Änderung einer Menge proportional zur Menge selbst ist, wie beim Zerfall radioaktiver Nuklide.
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Zur Anschauung
Die nach einer Halbwertszeit verbliebene Menge einer radioaktiven Substanz halbiert sich im Lauf der nächsten Halbwertszeit, d. h. es verbleibt 1/2·1/2=1/4; nach 3 Halbwertszeiten 1/8, dann 1/16, 1/32, 1/64 und so fort. Das gilt allerdings nur statistisch für eine große Zahl von Atomkernen. Der Zerfall eines einzelnen Kerns kann nicht vorhergesagt werden, da lediglich eine Wahrscheinlichkeit für dessen Zerfall innerhalb einer gegebenen Zeit angegeben werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein betrachteter Kern innerhalb der ersten Halbwertszeit zerfällt, beträgt 50 %, dass er innerhalb von 2 Halbwertszeiten zerfällt 50 % + 25 % = 75 %, bei 3 Halbwertszeiten beträgt der Wert 50 % + 25 % + 12,5 % = 87,5 %, u.s.w.
Zerfallsgesetz
Es sei ein radioaktives Präparat mit N0 Kernen, dann gilt mit der Aktivität die Differentialgleichung
Hierbei ist die Geschwindigkeit der Abnahme durch die Zerfallskonstante λ bestimmt. Sie ist das Reziproke der mittleren Lebensdauer τ = 1 / λ. Beim radioaktiven Zerfall sind also nach der Zeit t von N0 Ausgangskernen noch N(t) übrig.
Statistik des Radioaktiven Zerfalls
Die radioaktive Zerfallsrate, die Aktivität, ist der Mittelwert der Zahl der Zerfälle pro Zeiteinheit. Die tatsächliche Zahl der Zerfälle in einer festen Zeiteinheit folgt der Poisson-Verteilung, die sich bei großer mittlerer Anzahl durch eine Gauss-Verteilung annähern lässt.
Mathematische Definition der Halbwertszeit
Sei die Zeit, nach der die Ausgangsmenge N0 auf das 1/n-fache abgefallen ist (für die Halbwertszeit gilt n=2):
Danach wird auf beiden Seiten durch N0 geteilt und logarithmiert.
Daraus folgt dann unter Beachtung der Logarithmengesetze:
Speziell für die Halbwertszeit gilt (n=2):
Daraus ergibt sich für das Zerfallsgesetz:
oder einfacher:
Beispiele
Radioaktive Halbwertszeit
Die physikalische Halbwertszeit ist in der Kernphysik diejenige Zeitspanne, die statistisch gesehen verstreicht, bis die Menge eines bestimmten radioaktiven Nuklids auf die Hälfte gesunken ist, das heißt sich in andere Atome umgewandelt hat. Für jedes Nuklid ist die Halbwertszeit eine Konstante.
Die Anzahl der verbleibenden Kerne zu einer bestimmten Zeit ist durch das Zerfallsgesetz gegeben.
Halbwertszeiten einiger radioaktiver Nuklide:
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Element Formelzeichen Halbwertszeit Tellur 128Te ca. 7·1024 Jahre (7 Quadrillionen Jahre) Bismut 209Bi ca. 1,9·1019 Jahre (19 Trillionen Jahre) Thorium 232Th 14,05 Mrd. Jahre Uran 238U 4,468 Mrd. Jahre Uran 235U 704 Mio. Jahre Plutonium 239Pu 24.110 Jahre Kohlenstoff 14C 5.730 Jahre Radium 226Ra 1.602 Jahre Plutonium 238Pu 87,74 Jahre Caesium 137Cs 30,2 Jahre Tritium 3H 12,36 Jahre Schwefel 35S 87,5 Tage Radon 222Rn 3,8 Tage Francium 223Fr 22 Minuten Thorium 223Th 0,6 Sekunden Polonium 212Po 0,3 µs Beryllium 8Be 9 · 10-17 s (90 Trillionstelsekunden) Wasserstoff 7H 2,3(6) · 10−23 s
Rein mathematisch betrachtet verschwindet die radioaktive Substanz also nie, physikalisch ist natürlich mit der Umwandlung des letzten Atoms eine Grenze gesetzt (die Substanz komplett verschwunden). Oft nutzt man als Abschätzung für die Zeitdauer bis zur Bedeutungslosigkeit einer radioaktiven Strahlung die 10-fache Halbwertszeit, was einer Abnahme auf das 2-10-fache (= 1/1024) entspricht.
Siehe auch: Lebensdauer (Physik)
Radiocarbonmethode
Siehe auch Radiokohlenstoffdatierung
Das radioaktive Kohlenstoffnuklid 14C ist in einem festen Verhältnis im Kohlenstoffdioxid unserer Atmosphäre enthalten. Durch den anteiligen Einbau des Nuklids bei der Photosynthese in die Biomasse der Pflanzen und weiter über die Nahrungskette kommt es auch im Körper aller Lebewesen zu einem näherungsweise festen Verhältnis zwischen stabilem 12C und radioaktivem 14C. Wenn ein Lebewesen stirbt, dann beendet es die Photosynthese bzw. die Nahrungsaufnahme. Das hat zur Folge, dass der Anteil an 14C ab genau diesem Zeitpunkt entsprechend dem radioaktiven Zerfall exponentiell mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren abnimmt. Anhand der ionisierenden Reststrahlung, die von einem toten Lebewesen ausgeht, kann man durch diese Radiokarbonmethode bestimmen, wie viel Prozent des ursprünglichen 14C Anteils noch vorhanden sind und in der Folge den Zeitpunkt des Todes des Lebewesens und damit das Alter des Fundes bestimmen.
Anwendungsbeispiel
Der Balken eines historischen Gebäudes hat noch 90 % des ursprünglichen Gleichgewichtsanteils an 14C in frischer Pflanzenmasse. Dann gilt für die verstrichene Zerfallszeit:
Das bedeutet, dass der Baum, aus dem der Balken gemacht wurde, vor etwa 871 Jahren geschlagen worden ist.
Die Datierung ist nicht auf das Jahr genau. Die mögliche Genauigkeit hängt von der Menge verfügbaren Probematerials, der aufgewendeten Zähldauer und der Kalibrierung für den entsprechenden Zeitraum ab. Für die Messung mittels Beschleunigermassenspektrometrie genügen wesentlich kleinere Mengen des Probenmaterials. Zudem werden in neuerer Zeit Untersuchungen komplizierter, da der C-14-Anteil durch oberirdische Atomwaffenversuche kurzfristig gesteigert wurde. Andererseits steigt auch der C-12-Anteil durch die massenhafte Verbrennung fossiler Energieträger, wodurch die Datierung von Funden besonders in der Nähe von Autobahnen erschwert wird.
Für Feinheiten siehe den Hauptartikel: Radiokohlenstoffdatierung
Biologische Halbwertszeit
Die biologische Halbwertszeit auch Eliminationshalbwertzeit genannt, bezeichnet im speziellen die Zeitspanne t1/2, in welcher in einem biologischen Organismus (Mensch, Tier, Pflanze, Einzeller) der Gehalt einer inkorporierten radioaktiven, toxischen oder pharmazeutischen Substanz durch die Wirkung aller beteiligten biologischen und physikalischen Prozesse (Stoffwechsel, Ausscheidung, radioaktiver Zerfall, etc.) auf die Hälfte abgesunken ist.
In der Pharmakokinetik bezeichnet man als Halbwertszeit die Zeit, in der die Hälfte des aufgenommenen Arzneimittels verstoffwechselt und/oder ausgeschieden ist. Da sich die biologische Halbwertzeit aus verschiedenen Prozessen zusammensetzt, die teilweise unterschiedliche Konzentrationsabhängigkeiten besitzen, ist sie nicht immer unabhängig von der Ausgangskonzentration des untersuchten Stoffes. Vergl. Plasmahalbwertszeit.
Siehe auch: Kontextsensitive Halbwertszeit
Bibliometrische Halbwertszeiten
In der Bibliometrie lassen sich bei der Untersuchung von Publikationen verschiedene Halbwertszeiten feststellen. Brooks untersuchte als einer der ersten Halbwertszeiten auf diesem Gebiet.
Die Halbwertszeit von Literatur beträgt etwa 5 Jahre. Dies gilt sowohl für die Lektüre als auch die Anzahl der Zitationen. Das heißt, dass ein Werk durchschnittlich jedes Jahr um etwa 14 % weniger oft aus einer Bibliothek entliehen oder zitiert wird als im vorangegangenen (abgesehen von Klassikern und den neuesten Werken).
Die Halbwertszeit von Hyperlinks beträgt etwa 51 Monate. Das heißt, dass nach einem Jahr etwa 15 % aller Hyperlinks nicht mehr gültig sind.
Halbwertszeiten von PKW (bzgl. Preis)
Der Wiederverkaufswert eines PKW sinkt annähernd exponentiell mit seinem Alter, bei einer Halbwertszeit von ca. 4–5 Jahren. Beispielsweise liegt der Preis eines Neuwagens des Modells VW-Beetle heute (2006) bei etwa 20.000 €, das Modell aus dem Jahr 2002 kostet etwa 10.000 €, das von 1998 etwa 5.000 € und das von 1995 etwa 2.500 €.