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Gérard de Nerval

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Gérard de Nerval
Gérard de Nerval

Gérard de Nerval (eigentlich Gérard Labrunie, * 22. Mai 1808 in Paris; † 26. Januar 1855 ebd.) war ein französischer Schriftsteller.

Sein Platz in der französischen Literaturgeschichte ist der eines als etwas randständig und schwierig geltenden Vertreters der Romantik, dessen beste Texte heute jedoch frischer wirken als die vieler einst renommierterer Autoren der Zeit. Die für normale Leser quasi unzugängliche, als Kunst am Rande des Wahnsinns erscheinende Aurelia hat viele spätere Autoren fasziniert, z.B. Baudelaire oder die Surrealisten der 1920er Jahre.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

[Bearbeiten] Jugend

De Nerval (wie er sich ab 1831 nannte) war Sohn eines Mediziners, der kurz nach der Geburt seines Kindes zum Stabsarzt ernannt und zur französischen Rheinarmee nach Deutschland versetzt wurde. Da die junge Mutter ihren Mann an seinen Einsatzorten begleiten wollte, gab sie Gérard zu einer Amme im heimatlichen Valois, starb allerdings schon 1810 im fernen Schlesien. Hiernach kam er zu einem Onkel der Mutter, ebenfalls im Valois. Dort blieb er, bis er 1814, nach dem Ende der napoleonischen Feldzüge, vom endlich heimgekehrten Vater nach Paris geholt wurde. Hier besuchte er das Lycée Charlemagne, wo er den späteren Autor Théophile Gautier als Mitschüler hatte.

Nachdem er schon mit 13 das Versemachen angefangen hatte, wurde er erstmals 1826 und 27 gedruckt, und zwar mit politisch oppositionellen Gedichten im Trend der Napoleon-Nostalgie dieser Jahre, sowie mit einem satirischen Sketch über die „unauffindbaren Mitglieder“ der Académie française. Zur selben Zeit, d.h. 18-19 Jahre alt, verfasste er eine Übertragung von Goethes Faust I, die ihm große Anerkennung verschaffte, als sie 1827 erschien, und die von Hector Berlioz 1829 auszugsweise vertont wurde. Als Freund von Heinrich Heine galt er auch als Verehrer der damals großen deutschen Dichterschar. So machte er auch zahlreiche Werke deutscher Dichter in Frankreich bekannt. [1]

1828 wurde er Victor Hugo vorgestellt und verarbeitete dessen Roman Han d'Islande zu einem Stück, das aber erst nach der Julirevolution 1831 aufgeführt wurde. Am 25. Februar 1830 war er mit dem gesamten Freundeskreis der Romantiker bei dem als prototypisch romantisch intendierten Stücks Hernani von Hugo zugegen, der legendären bataille d'Hernani, der „Schlacht“ von Applaus und Buh-Rufen während der Aufführung. Im selben Jahr gab er eine vielbeachtete Anthologie selbst übertragener deutscher Gedichte samt einer einleitenden „Studie über die deutschen Dichter“ heraus, womit er ein wichtiger Vermittler der deutschsprachigen Literatur in Frankreich wurde.

[Bearbeiten] Neuanfang

Obwohl Nerval als Journalist und Feuilletonist recht aktiv war, begann er 1832 auf Drängen des Vaters ein lustlos betriebenes Medizinstudium. Als er jedoch 1834 von einem Großvater 30.000 Francs erbte (wovon eine bescheidene Einzelperson 20 Jahre leben konnte), brach er das Studium ab und schloss sich der „Bohème“ um Théophile Gautier an, jenem provokativ zigeunerhaften Literaten- und Künstlermilieu am Rand der bourgeoisen Pariser Gesellschaft, und unternahm eine erste längere Reise nach Südfrankreich und Italien.

Im selben Jahr 1834 verliebte er sich in die Schauspielerin Jenny Colon, die ihn zwar nicht erhörte, aber bis 1838 stark beschäftigen sollte und der zu Gefallen er 1835 eine aufwendig gemachte Theaterzeitschrift gründete. Als diese ein Jahr später Pleite ging, war Nerval ruiniert und musste hinfort von seiner Feder leben, was ihm aber als Co-Autor von Theaterstücken, z.B. 1837 und 39 mit dem umtriebigen und geschäftstüchtigen Alexandre Dumas, und als Journalist, z.B. mit Literaturkritiken oder Reiseberichten, passabel gelang.

1837 unternahm er mit Gautier zum Zweck des Eindrucksammelns eine Reise nach Belgien. 1838 führte ihn eine erste Deutschlandreise bis Frankfurt, 1839/40 eine zweite bis Wien. 1840 publizierte er eine Übertragung des gesamten Faust (I und II) sowie weiterer deutscher Gedichte.

[Bearbeiten] Beginnende Krankheit

1841 hatte er erstmals Wahnvorstellungen und verbrachte fast das ganze Jahr in Kliniken. 1842 versuchte er mit journalistischen Arbeiten wieder Tritt zu fassen und bereitete eine Orient-Reise vor, die ihm neue Inspirationen bringen sollte. Tatsächlich war er das ganze Jahr 43 unterwegs: Malta, Kairo, Beirut, Rhodos, Smyrna. [2] Berichte über diese Reise erschienen ab 1844 in Zeitschriften, ehe er eine erste Buchversion daraus machte, die jedoch bei ihrem Erscheinen 1848 fast unbeachtet blieb (Scènes orientales, I: Les Femmes du Caire).

Auch in den Jahren 1844 bis 1847 war Nerval viel unterwegs (Belgien, Holland, London, Umland von Paris) und verfasste entsprechende Reisereportagen und -impressionen. Zugleich betätigte er sich als Novellist und Lyriker sowie als Übersetzer der Gedichte Heinrich Heines, mit dem er befreundet war (gedruckt 1848).

Obwohl oder vielleicht weil sich sein Gesundheitszustand ab 1850 drastisch verschlechterte und er immer häufiger in Kliniken war, arbeitete er in den Folgejahren, wenn er konnte, wie besessen. So publizierte er 1851 die endgültige Version seiner Orientreise (Voyage en Orient) und brachte im Dezember sein Stück L'Imagier de Haarlem zur Aufführung, das sein Faust hatte werden sollen, aber durchfiel.

Hiernach suchte Nerval ältere und neuere, in der Regel schon in Zeitschriften publizierte Texte zusammen, überarbeitete sie und reihte sie möglichst sinnfällig aneinander, wodurch zwei seltsam heterogen und homogen zugleich wirkende kürzere Sammelbände entstanden, die heute als seine Meisterwerke gelten: Les Illuminés, ou Les Précurseurs du socialisme (1852), ein Ensemble von sechs fiktionalen Porträts etwas exzentrischer historischer männlicher Personen, deren „Sozialismus“ eher Anarchismus ist; sowie Les filles du feu (1854), eine Sammlung von acht sehr unterschiedlichen, meist erzählenden Texten um weibliche Protagonistinnen, denen Nerval unter dem Titel Chimères, eine Sammlung von 12 sehr kunstvollen, ziemlich hermetischen Sonetten anfügte, darunter das berühmte, wie eine Essenz seines Lebens wirkende El Desdichado (=der Unglückliche).

Sein letztes Werk wurde der schwer zu klassifizierende, wohl schon 1841 begonnene mittellange Prosatext Aurelia, der als eine formvollendete Gratwanderung zwischen Wirklichkeit und Traum, wenn nicht Wahn, erscheint und dessen letzter Teil erst postum herauskam.

1854 führte ihn seine letzte Reise erneut nach Deutschland, insbesonders Nürnberg, Bamberg, Leipzig und Dresden begeisterten ihn. Seine romantische Sichtweise der Umwelt zeigte sich in einer Passage seiner Reiseberichte, in der er über seinen Aufenthalt im oberfränkischen Neuenmarkt schrieb: „Heute Nacht habe ich zum ersten Mal mit einem mir unbekannten Mann in einem Zimmer geschlafen [...]. Vor Tag ist der Mensch aufgestanden, wir haben uns die Hand gedrückt und ‚Gutt Morgen‘ gesagt. Obwohl ich zwei Schritte neben dem Schnarcher, der ein Nachkomme des Schinderhannes hätte sein können, geschlafen habe, hatte ich die süßesten Träume, und ich habe in meiner Geldtasche die fünf Louisdor noch vorgefunden. So hab' ich gesehen, dass das ein guter Kerl war.[1] Nur wenige Monate später musste er selbst als armer Clochard auf der Straße leben.

[Bearbeiten] Tod

Als Nerval sich Ende 1854 nach einem erneuten Klinikaufenthalt fast mittellos und ohne feste Bleibe mit nur noch tröpfelnden Honoraren durchschlagen musste, beging er Anfang 1855 Selbstmord durch Erhängen.

[Bearbeiten] Werke

  • Œuvres complètes.. 6 Bde., Paris 1867-1877
  • Œuvres complètes. Hrsg. A. Marie/J. Marsan/É. Champion, 6 Bde., Paris 1926-1932
  • Œuvres. Hrsg. H. Lemaitre, 2 Bde., Paris (Classiques Garnier) 1958
  • Voyage en Orient. 2 Bde., Paris 1851
  • Voyage en Orient. Hrsg. M. Jeaumaret, Paris (Garnier-Flammarion) 1984
  • Les Filles du feu. Paris 1854
  • Les Filles du feu. Hrsg. L. Cellier, Paris (Garnier-Flammarion) 1972
  • La Bohème galante. Paris 1855
  • Le Rêve et la Vie. Paris 1855
  • Aurélia, ou le Rêve et la Vie. Lettres d'amour. Hrsg. J. Richer et alii, Paris 1965
  • Poésies, suivies de Petits Châteaux de Bohème, Les Nuits d'octobre, Promenades et Souvenirs, La Pandora, Contes et Facéties. Hrsg. M. Hafez, Paris (Le Livre de Poche) 1964
  • Les Chimères. Hrsg. J. Guillaume, Brüssel 1966
  • Pandora. Hrsg. J. Guillaume, Namur 1968; 1976
  • Les Illuminés, ou les Précurseurs du socialisme, Verviers („Bibliothèque Marabout“) 1973
  • Les Chimères, Paris (Le Livre de Poche) 1984

[Bearbeiten] Quellen

  1. a b „Ein merkwürdiges Gasthaus“, Aus der Frankischen Heimat Nr.9/2006, Bayerische Rundschau vom 7. Oktober 2006
  2. Gérard de Nerval bei romantis.free.fr

[Bearbeiten] Weblinks

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