Ghibellinen und Guelfen
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Der Name Ghibellinen ist für das mittelalterliche Italien die Bezeichnung für die Parteigänger des Kaisers, benannt nach der heute württembergischen Stauferstadt Waiblingen und dem Kampfruf der Staufer. Die Existenz dieses Namens ist erstmals um 1215 zur Zeit des Stauferkaisers Friedrich II. bezeugt.
Bei der entsprechenden Gegengruppierung handelte es sich um die Guelfen, die die Politik des Papsttums unterstützten und die sich nach den Rivalen des Stauferhauses, dem Geschlecht der Welfen benannt hatten. Allerdings mochten italienischen Guelfen gegebenenfalls auch die Sache des Kaisers unterstützen; die Trennung war keineswegs so klar, wie es manchmal scheint. So spalteten sich um 1300 in Florenz die Guelfen in die weißen Guelfen (kaiserfreundliche Guelfen), die für einen Kompromiss mit dem Kaiser eintraten, und die schwarzen Guelfen, die eine harte Politik gegenüber dem Kaiser verfolgten. Je nach aktueller Regierung in den Kommunen, wurden Anhänger der einen oder der anderen Partei der Stadt verwiesen und ins Exil geschickt. Opfer dieser Machtpolitik wurde in Florenz beispielsweise auch der berühmte Dichter Dante.
Der Kampf zwischen beiden Parteien überdauerte den Untergang der Staufer und stand im Spätmittelalter oft nur für verschiedene Gruppen innerhalb einer italienischen Kommune, die sich feindlich gegenüber standen.
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[Bearbeiten] Historische Entwicklung
Innerstädtische Kämpfe spielen in der Geschichte vieler italienischer Städte eine große Rolle. Solche Fehden gab es in fast allen italienischen Städten - mit Ausnahme Venedigs - und sie sind in ihren Einzelheiten nicht leicht zu beschreiben. Es gab zunächst einmal den großen und das ganze Land durchziehenden Antagonismus zwischen den „schwarzen“ Guelfen und den „weißen“ Ghibellinen, also zwischen den Anhängern des Papstes und denen des Kaisers. Diese Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst bestimmte jahrhundertelang die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte.
Der Begriff „Kaiser“ muss hier nochmals genauer definiert werden. Man könnte ja fragen: welcher Kaiser? Diese Frage wäre falsch gestellt. Es war auch nicht der deutsche Kaiser. Es war der Kaiser. Es gab nur einen, genauso wie es nur ein Reich, das Reich, gab. Das Zentrum der Herrschaftsausübung wanderte in der zu Ende gehenden Antike des römischen Imperiums von Rom weg Richtung Osten, aber auch nach Norden. Teilweise war sogar Trier Sitz des Herrschers. Das oströmische Reich spaltete sich langsam ab. Im Westen entwickelte sich aus dem Cäsar des Imperium Romanum der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Das heißt, dass es die Vorstellung einer Kontinuität der Herrschaft von der Antike bis ins Mittelalter hinein gab. Offiziell zu Ende ging dieser imperiale Anspruch erst 1806 durch die Niederlagen gegen Napoleon. Die Kaiserkrone liegt heute in der Schatzkammer der Wiener Hofburg.
Es gab mit Beginn des Mittelalters im 6. Jahrhundert und später zunehmend im 10. und 11. Jahrhundert einen umfassenden Konkurrenzkampf um die Macht im christlichen Abendland. Neben dem Machtanspruch des Kaisers gab es den des Papstes in Rom.
Es heißt zwar immer gerne, dass es eine Trennung zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt gab, die sog. Zwei-Schwerter-Theorie, aber eine saubere Trennung war nicht immer möglich. Vor allem sollte eine solche oft gar nicht vorgenommen werden. Karl der Große und Heinrich IV. empfanden sich beispielsweise nicht nur als weltliche Herrscher, die von Fürsten gewählt und von Fürsten abhängig waren. Sie sahen ihre Herrschaft als gottgegeben an und kamen damit in die Einflusssphäre des Papstes hinein.
Ebenso hatte der Papst nicht vor, sich lediglich um das so genannte Seelenheil seiner Untertanen zu kümmern. Die Kirche hatte klare weltliche Machtansprüche und schließlich waren die „Untertanen“ dieselben, wie jene des Kaisers. Der Papst war nicht nur eine geistliche Autorität. Der Kirchenstaat sorgte zunehmend durch Ausdehnung seines geographischen Gebietes und seiner finanziellen Einnahmen für die Möglichkeit, seine Vorstellungen konkret durchzusetzen - auch mit Waffengewalt. Darum ging es und das war es auch, wogegen Savonarola und später Martin Luther vorgehen wollten.
Aus einem Streit um die Aufteilung des menschlichen Lebens zwischen religiösen und weltlichen Prinzipien war ein reiner Machtkampf geworden. Eine der zentralen Fragen war es, die Rangordnung zwischen Papst und Kaiser zu definieren, woraus sich die Frage ableitete, wer wen einsetzen (und damit auch absetzen) dürfe. Diese Auseinandersetzung wird oft auch als Investiturstreit bezeichnet.
Diese umfassende Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen, den Ghibellinen und den Guelfen, also zwischen Kaisertreuen und Papsttreuen, durchzog und beeinflusst in weiterer Folge alle zwischenstädtischen und innerstädtischen Vorgänge.
Die Polarität zwischen Guelfen und Ghibellinen war seit dem beginnenden 13. Jahrhundert ein altes, traditionelles Raster, um private Fehden jedweder Couleur auf diese Bühne zu verlagern. Man kann überspitzt sagen, dass für Auseinandersetzungen zwei Namen zur Verfügung standen, und wenn man sich streiten wollte, musste man einen der beiden Namen wählen.
Klaus Zimmermanns beschreibt das Grundmuster dieser Situation folgendermaßen: „Die Rivalität der toskanischen Stadtstaaten wurde in die Machtkämpfe zwischen Kaiser und Papst verwickelt. Der Kaiser versuchte den Expansionsdrang der Städte einzuschränken und an ihrem wirtschaftlichen Wohlstand teilzuhaben. Die Städte, obwohl sie die Oberhoheit des Kaisers niemals formal in Frage stellten, weigerten sich, Abgaben zu zahlen und kaiserliche Vikare in ihren Mauern zu dulden. Unter den toskanischen Städten führten Florenz, Lucca und San Gimignano meist eine papstfreundliche Politik gegen den Kaiser, zumal die Kirche durch ihre internationalen Verbindungen den Fernhandel begünstigte. Siena und Pistoia dagegen erhofften vom Kaiser Unterstützung gegen den Expansionsdrang der Republik Florenz."
Seit etwa 1240 nannte man die Parteigänger des Heiligen Stuhles Guelfen, die des Reiches Ghibellinen. Die schwarzen Guelfen oder Welfen waren ursprünglich die Anhänger der deutschen Fürstenfamilie der Welfen. Es begann damit, dass zu Beginn des 13. Jahrhunderts Innozenz III. (Papst) aus machtpolitischen Gründen einem Mitglied dieser Familie, nämlich Otto IV., die Kaiserkrone verliehen hatte - anstelle des Staufers Philipp von Schwaben. Die weißen Ghibellinen waren also ursprünglich die Leute der Staufer, die anfangs nach ihrer schwäbischen Heimatstadt „Waiblinger“ hießen. Aus dieser Ableitung entstand über mehrere Stufen der Sprachentwicklung der Name „Ghibellinen“. Eine Familienfehde zwischen den Buondelmonti und den Amidei in Florenz soll 1215 die Parteibildung ausgelöst haben.
Zu den Parteigängern der Ghibellinen zählte vor allem der Adel, während die Großkaufleute auf der Seite der Guelfen standen. In allen Städten waren beide Parteien vertreten. Während der heftigen Auseinandersetzungen in der Mitte des 13. Jahrhunderts zählte die Zugehörigkeit zur Partei mehr, als die zur Heimatstadt. Ghibellinische Florentiner kämpften auf der Seite Sienas, guelfische Sienesen für Florenz.
Die kaisertreuen Ghibellinen setzten dabei allerdings auf eine Macht, deren Ideale von Vasallentum und Reich der Vergangenheit angehörten und deren politische und militärische Kraft im Schwinden begriffen war. "Die Guelfen dachten zeitgemäßer und gaben den Großkaufleuten, die am Wohlstand der Städte wesentlichen Anteil hatten, die politische Macht." (Klaus Zimmermanns: Toscana. Köln [1980], S. 30 - mit leichten Veränderungen).
Das ist das historische Raster, das immer wieder in den Stadtgeschichten auftaucht und das man einmal in seiner Grundstruktur verstanden haben muss, um die jeweiligen Feinheiten in den einzelnen Städten zu durchschauen. Das mittelalterliche Florenz beispielsweise sah dementsprechend auch anders aus als heute, auch wenn viele Bauwerke aus dieser Zeit erhalten sind. „Wir müssen uns das alte Florenz als einen Wald von Türmen vorstellen“, wie er heute noch ähnlich in San Gimignano vorhanden ist. Diese sog. „Geschlechtertürme“ der einzelnen Patrizierfamilien waren nicht regelmäßig über das Stadtgebiet verteilt, sondern zu Familiengruppen vereint. Florenz war damals eine Stadt aus lauter privaten Festungen, zwischen denen die Häuser der Kleinbürger sich in engen Gässchen zusammendrängten.
„Jeder hatte allen Grund, vor jedem [anderen] auf der Hut zu sein, darum gab es statt Fenstern meist nur Schießscharten, durch die man den Raum vor den ebenfalls engen, verrammelten Türen stets beobachten und beschießen konnte.“ (Kurt Leonhard: Dante Alighieri 1970, S. 21/22). Das Leben in diesen Türmen war also alles andere als luxuriös und änderte sich erst später mit dem Aufkommen der [[Palast|Paläste] im 15. Jahrhundert. Auf diesen Palästen wurde dann gerne als Erkennungszeichen eine bestimmte Zinnenform im Kranz angebracht, wobei besonders die Schwalbenschwanzform der Ghibellinenzinnen bekannt geworden ist.
Im 13. Jahrhundert hatte Florenz mehr als 150 solcher Geschlechtertürme und sie erreichten eine Höhe bis zu 70 Metern. Der Torre Asinelli in Bologna erreichte sogar 97 Meter Höhe. Die erste demokratische Verfassung 1250 brachte das Verbot, höher als 29 Meter zu bauen und alle privaten Bauwerke wurden auf diese Höhe abgetragen. „Aber nicht nur die Zwecke der Verteidigung und die Unsicherheit des damals üblichen Kampfes aller gegen alle trieb die Bauwerke der Patrizier so in die Höhe, sondern allein schon die Enge des Raumes innerhalb der alten Stadtmauer war Grund genug, diese ersten Wolkenkratzer der Menschheit zu errichten“ (Kurt Leonhard, Dante Alighieri 1970, S. 21-22). Nicht zuletzt war die Höhe der Türme auch eine Prestigefrage für die Familie.
Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen wurden teilweise mit großer Zerstörungswut ausgetragen. In Florenz wurden beispielsweise 1260 vor dem Auszug der Guelfen zur Schlacht von Montaperti gegen die sienesischen Ghibellinen deren Florentiner Türme abgebrochen. Doch die Ghibellinen gewannen die Schlacht und legten nun ihrerseits 47 Paläste, 198 Häuser und 59 Türme der Guelfen in Florenz und weitere 464 Gebäude auf dem Land nieder (Wilfried Koch: Baustilkunde. Das große Standardwerk zur europäischen Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. München 1994, S. 401).
Bezeichnungen wie Ghibellinia oder Guelphia gibt es auch bei Studentenverbindungen, die aber hiermit nichts zu tun haben.
[Bearbeiten] Ghibellinische Städte
[Bearbeiten] Guelfische Städte
[Bearbeiten] Städte mit schwankender Zugehörigkeit
[Bearbeiten] Literatur
- Franco Cardini: Ghibellinen, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Sp. 1436–1438.
- Franco Cardini: Guelfen, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Sp. 1763–1765. Beide Artikel erörtern knapp die Forschungsgeschichte der beiden Begriffe und geben auch weiterführende Literatur an.
- Zimmermanns, Klaus: Toscana. Köln 1980
- Waley, Daniel: Die italienischen Stadtstaaten. München 1969