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Karl der Große

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Eine der ältesten Abbildungen von Karl dem Großen – Karl der Große zwischen den Päpsten Gelasius I. und Gregor I. aus dem Sakramentar Karl des Kahlen (um 870)
Eine der ältesten Abbildungen von Karl dem Großen – Karl der Große zwischen den Päpsten Gelasius I. und Gregor I. aus dem Sakramentar Karl des Kahlen (um 870)
Karl der Große und Pippin der Bucklige, darunter ein Schreiber. Kopie aus dem 10. Jh. von einem verlorenen Original aus den Jahren 821 und 836
Karl der Große und Pippin der Bucklige, darunter ein Schreiber. Kopie aus dem 10. Jh. von einem verlorenen Original aus den Jahren 821 und 836

Karl I., der Große, lat. Carolus Magnus oder Karolus Magnus, franz./engl. Charlemagne (* wahrscheinlich 2. April 748 in Prüm; † 28. Januar 814 in Aachen) aus dem Geschlecht der Karolinger, Enkel von Karl Martell. Seit 768 König der Franken (die Krönung fand in Noyon statt) und am 25. Dezember 800 von Papst Leo III. in Rom zum römischen Kaiser gekrönt. Den Beinamen "der Große" erhielt er bereits zu seinen Lebzeiten.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Herrschaft: Festigung und Expansion, Einheit von Kirche und Reich

Herkunft, Geburt und Jugend

Karl war der ältere Sohn des späteren Königs Pippin des Jüngeren und dessen Frau Bertrada. Sein Geburtsort ist unbekannt, sein Geburtsjahr umstritten. Wahrscheinlich ist Prüm, der Ort, an dem sich Bertrada vorwiegend aufhielt. Als Geburtsort werden ebenfalls genannt: Aachen, Düren, Quierzy-sur-Oise, Jupille (wo sein Vater geboren wurde) und Herstal in der Nähe von Lüttich in Belgien, der Region, der beide Familien, Merowinger und Karolinger, entstammen.

Sein Biograf Einhard schreibt, dass über seine Kindheit und Jugend schriftlich nichts überliefert sei und auch bei der Abfassung der Biografie (etwa 15 Jahre nach Karls Tod) keine Personen mehr gelebt hätten, die davon hätten erzählen können (cap. IV).

Karl wird Alleinherrscher: Die Lage des Reiches 771

Nach dem Tod seines Vaters 768 teilte Karl - er war 20 bis 26 - die Herrschaft mit seinem Bruder Karlmann. Nach Karlmanns Tod wurde er 771 Alleinherrscher. Zu jener Zeit fielen die früh christianisierten Franken in "barbarische" - d.h. althergebrachte - Gebräuche zurück und vernachlässigten die erworbene Bildung und Religion. Die Sachsen im heutigen Norddeutschland beharrten auf ihrem Heidentum. Im Süden stritt die katholische Kirche mit den Langobarden um Einfluss, Besitz und Macht auf der Apenninen-Halbinsel, auf der iberischen Halbinsel (s. Emirat von Córdoba) drängten die Sarazenen immer weiter nach Norden, im Osten fielen Awaren ein - kurz: Europa war in Aufruhr, und der Bestand des Frankenreiches schien bedroht. Karl I. war offenbar von Anfang an zu einer Neuordnung der Verhältnisse in Westeuropa entschlossen und scheute sich während der Zeit bis 800 nicht, an den unterschiedlichsten Fronten gleichzeitig zu kämpfen.

772: Beginn der Sachsenkriege

Hauptartikel: Sachsenkriege Karls des Großen

Bereits 772 begannen die Sachsenkriege, die 32 Jahre währten und die den "Vater Europas" (Pater Europae), wie Karl später verklärend auch genannt wird, nicht nur in bestem Licht erscheinen lassen.

774: Unterwerfung der Langobarden

Hauptartikel: Langobardenfeldzug

Im März 773 baten päpstliche Gesandte am Hof Karls um Unterstützung gegen die Langobarden. 774 eroberten die Franken Pavia. Karl setzte den letzten Langobardenkönig Desiderius ab; dessen Tochter Gerperga, die er zuvor geheiratet hatte, verstieß er bald darauf. Er ließ sich nun selbst zum König der Langobarden krönen. Papst Stephan III. († 772) hatte die Langobarden in einem Brief an die Frankenkönige Jahre zuvor als "eine treulose und stinkende Nation" denunziert, "die nicht einmal zu den Nationen gerechnet wird und von der gewiss die Aussätzigen ihren Ursprung haben". Im Süden blieb das Herzogtum Benevent bis zur Eroberung durch die Normannen im 11. Jahrhundert selbständig, wenngleich es auch zu den Satellitenstaaten des Fränkischen Reiches gezählt werden muss. Karl bestätigte auch die Pippinische Schenkung seines Vaters an die Kirche, aus der später der Kirchenstaat hervorgehen sollte.

778: Kriegszüge gegen die Mauren

Weit geringeren Erfolg brachte ein Kriegszug nach Spanien im Jahr 778. Anlass dafür war ein Hilfegesuch des Emirs von Saragossa, der um Unterstützung gegen den Emir Abd ar-Rahman I. von Cordoba (regierte 756-788) bat: Beim Rückzug wurde ein Teil des fränkischen Heeres von den vermeintlichen "Heiden" (so zeitgenössische Quellen) in der Schlacht bei Roncesvalles aufgerieben. Dabei fiel auch der Graf der bretonischen Mark, Hruotland, der Befehlshaber der vernichteten fränkischen Nachhut. Das Geschehen wird später im Rolandslied wiederaufgegriffen. Aquitanien wurde als ein Unterkönigtum für Karls minderjährigen Sohn Ludwig eingerichtet; zusammen mit seinem zum italischen Unterkönig ernannten Bruder Pippin wurde er 781 vom Papst gesalbt und gekrönt. Die Verhältnisse im Pyrenäenraum konnten so zunächst stabilisiert werden, der Herrschaftsbereich der Franken wurde – wenn auch nur zeitweise – bis nach Girona, Cerdagne, Urgell und Barcelona erweitert. Erst als Folge späterer Auseinandersetzungen mit den Sarazenen (so nannte das spätere Mittelalter die Mauren) wurde 806 die Spanische Mark jenseits der Pyrenäen gegründet.

Eine Folge des militärischen Engagements der Franken in diesem Raum ist das Fürstentum Andorra, das seit der Zeit Karls des Großen de jure unabhängig ist. In der Nationalhymne des kleinen Landes wird Karl der Große überschwänglich besungen (vgl. [1]).

Die Beziehungen zur arabischen Welt scheinen trotz der Feldzüge und durch die aufgegebene, weil letztlich gescheiterte Eroberung und Rechristianisierung Spaniens nicht generell schlecht gewesen zu sein: 797, nach anderen Quellen 801, schenkte der Kalif von Bagdad, Harun al-Rashid, Karl I. den ersten in der überlieferten Geschichte nördlich der Alpen gesichteten Elefanten namens Abul Abbas. Es handelte sich um einen weißen asiatischen Elefanten.

788: Bayern verliert seine Selbstständigkeit

788 wurden auch die Baiern (so die alte Schreibweise) endgültig dem Reich einverleibt, im Osten die Awarische Mark (ab 856 Marchia Orientalis) als Grenzmark gegen die Awaren errichtet und unter fränkische Oberhoheit gestellt. Der letzte bayerische Stammesherzog Tassilo III., der sein Lehen 757 von Pippin bekommen hatte, versuchte vergeblich, die Eigenständigkeit durch ein Bündnis mit den eigentlich schon unterworfenen Langobarden zu retten. Am Aufbegehren gegen die Franken, die man durch die Auseinandersetzungen mit den Sachsen als voll ausgelastet einschätzte, war auch Herzog Arichis II. von Benevent beteiligt. Die Unbotmäßigkeiten der italienischen Koalitionäre Tassilos waren u.a. durch Belagerungen von Capua und Salerno 786/787 beendet worden. Das bayerische Gebiet, das ab 798 von Salzburg aus zu einer eigenen Kirchenprovinz ausgebaut wurde, blieb nach der Angliederung gleichwohl als politische Entität erhalten. Unter den als Präfekten bezeichneten Amtsträgern des Königs (im 9. Jahrhundert als Unterkönigtum) wahrte es durchaus eine Sonderstellung innerhalb des fränkischen Reichsverbands. Die Eingliederung der Baiern ins Frankenreich war neben der Unterwerfung der Sachsen die wichtigste Voraussetzung für die spätere Herausbildung des Heiligen Römischen Reiches.

Um 800: Der neue Schutzherr Roms und der Kirche

Königsthron im Aachener Dom
Königsthron im Aachener Dom

795 wurde Leo III. zum Papst gewählt. Er versicherte sich umgehend der Unterstützung des Frankenkönigs und übersandte Karl I., dem Schutzherrn der Kirche (patricius romanorum), den Schlüssel zum Grab Petri sowie das Banner Roms. Das Papsttum war seit einiger Zeit unter den Einfluss des in diverse Fraktionen aufgesplitterten römischen Stadtadels geraten, der bei der Papstwahl ausschlaggebend war. 799 spitzte sich die Konfrontation mit dem Adel zu; das Kirchenoberhaupt war Ziel eines Attentats bzw. Absetzungsversuches. Leo III., dem u.a. ein unwürdiger Lebenswandel (darunter Ehebruch und Meineid) vorgeworfen wurde, flüchtete zu Karl nach Paderborn. Was dort und unter Umständen schon weit vorher abgemacht wurde, ist nicht geklärt: Möglicherweise wurde erst hier, vielleicht aber auch schon Jahre zuvor die Kaiserkrönung vereinbart. Denkbar wäre auch, dass es dazu überhaupt keine Absprache gegeben hat. Die historische Forschung stört sich vor allem an der Anmerkung Einhards: „Hätte Karl vom Vorhaben Leos gewusst, hätte er die Kirche nicht betreten“ (Vita Karoli Magni, cap. XXVIII). Eine andere Quelle hingegen, die Lorscher Annalen, berichtet von einer Synode der fränkischen und römischen Bischöfe, bei der man dem Frankenherrscher die Kaiserwürde angetragen habe. Möglicherweise bezieht sich die Anmerkung Einhards nicht auf die Kaiserkrönung selbst, sondern auf deren Umstände und ihren protokollarischen Ablauf (vgl. [2]).

Grandes Chroniques de France, 14. Jahrhundert: die Kaiserkrönung Karls I.
Grandes Chroniques de France, 14. Jahrhundert: die Kaiserkrönung Karls I.

Karl jedenfalls zog im Sommer 800 nach Rom. Leo III. empfing ihn Ende November weit vor den Toren der Ewigen Stadt und legte am 23. Dezember einen Reinigungseid ab, der ihn von den Vorwürfen der Verschwörer aus Kreisen des Adels entlasten sollte. Inwieweit dieser freiwillig von ihm geleistet wurde, muss freilich dahingestellt bleiben.

Am Weihnachtstag des Jahres 800 wurde Karl von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Dieser Titel war seit der Absetzung von Romulus Augustulus im Jahr 476 in Westeuropa nicht mehr geführt worden. Karls voller Titel ab 800 lautete: Karolus serenissimus augustus a Deo coronatus magnus pacificus imperator Romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam dei rex Francorum atque Langobardorum (frei übersetzt: „Karl, allergnädigster erhabener, von Gott gekrönter, großer Frieden stiftender Kaiser, das römische Reich regierend, von Gottes Gnaden auch König der Franken und Langobarden“).

Als patronus et advocatus der Kirche hatte Karl I. nun endgültig den byzantinischen Kaiser abgelöst - wie zuvor schon den Langobarden Desiderius. Der Patriarch von Jerusalem schickte die Schlüssel des Heiligen Grabes an Karl I. als symbolische Anerkennung der Schutzherrschaft Karls I. über die Christenheit. Die Krönung zum Kaiser bedeutete somit eine Herausforderung für das byzantinische Kaisertum (Basileios), dem gegenüber Karl die Gleichberechtigung beanspruchte – wenn nicht mehr.

Karl verstand sich als Augustus Imperator Renovati Imperii Romani (Kaiser des erneuerten Römischen Reiches) und somit als direkter Nachfolger der römischen Kaiser. Sein fränkisches Reich war damit das Nachfolgereich des römischen Kaiserreiches, das er aufgrund seiner Legitimation durch die Kirche sanctus (heilig) nannte. Die Einheit von Kirche und Reich war nun ganz offiziell Staatsdoktrin. Als Beschützer des Papstes und des christlichen Glaubens war Karl der Große sehr darauf bedacht, dass in seinem Reich jeder das Pater Noster (Vaterunser) kannte. Zeitweilig standen Verunglimpfungen von Priestern oder des Christentums und seiner Symbole sogar unter Todesstrafe.

Nach 800: Die Ausweitung des Frankenreiches im Osten

Karolingische Reiterei (aus einer Handschrift des 9. Jahrhunderts)
Karolingische Reiterei (aus einer Handschrift des 9. Jahrhunderts)

Als Ersatz für deportierte Sachsen ließ Karl I. im Nordosten des Reiches (Transalbingien) elbslawische Abodriten und auch Franken ansiedeln. Ab 804 kam es zu Auseinandersetzungen mit den Dänen, deren König Göttrik (auch: Godfred) nach Friesland bzw. Sachsen ausgriff und, unterstützt von den Wilzen, die Abodriten bekämpfte. Laut dem Eintrag der Fränkischen Reichsannalen zum Jahr 808 sollte Göttrik damals das Danewerk zwischen Treene und Schlei zum Schutz vor den Franken errichtet haben; tatsächlich war es jedoch bereits 737 aus unbekanntem Anlass erbaut worden. 810 plünderten die Dänen Friesland und die friesischen Inseln. Den Abodriten im Osten Holsteins gelang es jedoch, sich mit fränkischem Beistand von dänischer Oberhoheit freizuhalten; 811 kam es zu einem Friedensvertrag mit den Dänen. Allerdings blieb das Verhältnis von Franken und Abodriten ambivalent, wie die Umstände der Errichtung des Sachsenwalls (Limes Saxoniae) um 810 belegen.

Das Verhältnis zu den slawischen Stämmen östlich von Sachsen und Thüringen war ebenfalls zwiespältig: 789 kam es zu einem Feldzug der Franken gegen die Wilzen; nach der langwierigen Unterwerfung der Sachsen wurden auch die Sorben 806 von den Franken besiegt, nachdem deren Herzog Miliduoch getötet worden war. Zeitgenössischen Quellen zufolge versuchten sie in den darauf folgenden Jahrzehnten jedoch mehrfach abzufallen. Auch scheint es hier eine oder gar mehrere Grenzmarken gegeben zu haben; die Forschungslage hierzu ist jedoch unklar (siehe auch: Limes Sorabicus).

Böhmen geriet nach einer Kampagne in den Jahren 805 und 806 in fränkische Abhängigkeit und wurde tributpflichtig. In einer Urkunde von 817, in der die Provinzen und Völker des Frankenreiches aufgelistet werden, werden die Beheimi als eines der abhängigen Völker genannt. Auch sie wurden nach und nach offenbar erfolgreich christianisiert: 845 ließen sich 14 Herzöge aus Böhmen in Regensburg taufen; der bayrische Klerus war Hauptträger der Missionierung. Ab Mitte des 9. Jahrhunderts - Karls Enkel Ludwig der Deutsche war seit 843 König (s. Vertrag von Verdun) - wurde Böhmen immer mehr zum Zankapfel zwischen dem Ostfrankenreich und dem Großmährischen Reich des Sventopluk; ab 862 wurden auch die Ungarn zum Problem. Die Expansion der Franken in diesen Raum begründete - neben den Besiedlungswellen unter den Premysliden - den politisch wie kulturell nachhaltigen deutschen Einfluss im östlichen Mitteleuropa in den folgenden Jahrhunderten (s. Deutsche Ostsiedlung; Samo, insbesondere den Abschnitt Nach Samos Tod).

806 bis 812: Auseinandersetzung mit Byzanz

Nikephoros I., byzantinischer Kaiser („Basileus“) seit 802, empfand die Kaiserwürde Karls als Anmaßung und verweigerte deren Anerkennung. Eine 803 in Konstantinopel eingetroffene fränkische Gesandtschaft musste unverrichteter Dinge wieder heimreisen. Der Konflikt verschärfte sich noch, als Karl die von Byzanz beanspruchten Regionen Dalmatien und Venetien als seinem Machtbereich zugehörig behandelte. Nikephoros entsandte daraufhin 806 die oströmische Flotte und verhängte eine Seeblockade über Venedig. Karls Sohn Pippin, König von Italien, konnte in der Folge jedoch Venedig erobern, was Nikephoros offenbar verhandlungsbereiter machte. Eine Ende 810 in Italien eingetroffene byzantinische Gesandtschaft, die eigentlich den inzwischen verstorbenen König Pippin († 8. Juli 810) hatte erreichen wollen, wurde von Karl nach Aachen bestellt und 811 mit einem freundlichen, in der Kaiserfrage allerdings kompromisslosen Schreiben zurückgeschickt. Bei deren Rückkehr war jedoch der byzantinische Kaiser Nikephoros I. auf einem Bulgarenfeldzug gefallen († 26. Juli 811). Sein Schwiegersohn Michael I. Rangabe riss bald die Macht an sich. Anders als sein Vorgänger war er an einem dauerhaften Übereinkommen mit dem Westen interessiert. Daher entsandte Kaiser Michael I. nun seinerseits eine byzantinische Gesandtschaft nach Aachen, die dort 812 eintraf. In einer öffentlichen Zeremonie huldigte diese Karl dem Großen und nannte ihn „Kaiser“. Damit war das Kaisertum Karls des Großen vom byzantinischen Reich diplomatisch anerkannt. Karl musste dafür allerdings wieder auf Venetien und Dalmatien verzichten.

Zudem sahen sich die byzantinischen Kaiser weiter als höher stehend an: Die Nachfolger Michaels I. fügten ihrem Titel „Kaiser“ bald den Genitiv „der Römer“ hinzu. Damit sollte ihr einzigartiger Rang als alleinige Nachfolger der römischen Kaiser dokumentiert werden. Die auf Karl den Großen folgenden westlichen Kaiser nannten sich dagegen zunächst nur „imperator augustus“ (erhabener Kaiser). Der Titulatur „erhabener Kaiser der Römer“ (Romanorum imperator augustus) begegnet man im Westen, d. h. im Heiligen Römischen Reich, erst seit Otto III. 996.

Karl I. als Reformer: Neuordnung des Reiches im Innern

Mit teilweise tiefgreifenden Reformen, die sein Sohn und Nachfolger Ludwig der Fromme meist weiter vorantrieb, ordnete Karl I. das Frankenreich auch im Innern neu. So schaffte er die Stammesherzogtümer ab, wobei die rechtliche Eigenständigkeit der Stämme allerdings gewahrt wurde. Karl ordnete überdies die Aufzeichnung der Stammesrechte an. In der Lex Frisionum etwa wurden den Friesen im Nordwesten und Norden des Reiches auf der Grundlage ihrer überkommenen Gesetze und Gepflogenheiten bedeutende Privilegien zugestanden. Sie wurden zu "Freien" und durften u.a. ihren Podestat selbst wählen. Auch die Einteilung Frieslands in drei klar definierte Bezirke wurde in der - hier beispielhaft angesprochenen - Lex Frisionum festgeschrieben.

Die Reichsverwaltung, die Karl I. zu vereinheitlichen trachtete, übertrug dieser im Wesentlichen seinem Hofklerus und einem neu geschaffenen Dienstadel. Die Hofkapelle war zentrales Verwaltungsorgan der weltlichen und geistlichen Ordnung im Reich. Die Ausführung der Verwaltung des Reiches lag in den Händen der Grafen. Diese fungierten im Rahmen der so genannten Grafschaftsverfassung als königliche Amtsträger bei der Ausübung der Regalien (Grafenbann) und waren in bestimmten Bereichen Stellvertreter des Königs (Mark-, Burg- und Pfalzgrafen). Besondere Bedeutung erlangten die Markgrafen: Sie waren die Regenten in den neu geschaffenen Grenzmarken und hatten in diesem Bereich weitreichende Sonderrechte, etwa als Militärbefehlshaber und Gerichtsherren. Die Landgrafen mussten Wehrpflichtige stellen.

Die Übertragung von Ämtern und Lehen an die führenden Adelsfamilien (die "Großen") sicherte deren Loyalität und begründete eine neue Reichsaristokratie. Die Grafschaftsverfassung wurde zum wichtigsten Instrument zur Wahrung der Einheit des Reiches, obgleich es an den unterschiedlichen Traditionen im Westen bzw. Osten des Reiches (römische Civitas versus germanischen Gau) seine Grenzen fand. In letzteren mögen auch die gänzlich verschiedenen Entwicklungen im Hinblick auf Staatsaufbau und Staatsrecht gründen: Sie mündeten im heutigen Frankreich als einer zentralistischen Präsidialrepublik einerseits, in dem die Regionen und Départements im Wesentlichen bloße Verwaltungseinheiten sind, und in der Verfasstheit Deutschlands andererseits – einer föderalistischen parlamentarischen Republik mit weitreichenden Hoheitsrechten der Bundesländer, die vielfach noch auf überkommene Stammesgrenzen zurückzuführen sind.

Mit den Kapitularien wurde zudem eine weitgehend einheitliche Gesetzgebung geschaffen, das Gerichtswesen und die Rechtsprechung reformiert (u.a. Einführung von Rügezeugen und von Schöffen). Die Regierbarkeit von Karls Riesenreich sollten vor allem so genannte Königsboten, die missi dominici, sichern. Diese wurden meist paarweise entsandt (ein weltlicher und ein geistlicher Vertreter), um Anweisungen und Erlasse des Königs und Kaisers durchzusetzen. Sie konnten in einem zugeteilten Bezirk ggf. auch die unmittelbare Reichsgewalt ausüben.

Eine herausragende Rolle bei der Neuordnung und Festigung im Innern spielte die Kirche, die Karl durch den massiven Ausbau der klerikalen Infrastruktur (u.a. wurden zahlreiche neue Bistümer gegründet, wobei sich Karl das Recht vorbehielt, die Bischöfe selbst zu ernennen), durch umfangreiche Schenkungen, die Bekräftigung des Zehntgebots und durch Reformen zum wahrscheinlich wichtigsten Band der Einheit seines Reiches machte. Die Benediktregel (ora et labora) wurde für die Klöster verbindlich wie auch für die Stiftsgeistlichkeit die vita communis (die zwingende „Gemeinschaft von Brüdern“, vgl. [3]). Die von Pippin in die Wege geleitete Liturgiereform wurde weitergeführt.

Das ehedem gänzlich uneinheitliche Geldwesen wurde ebenfalls reformiert. Die Goldbindung des Geldes wurde aufgegeben, der Silberdenar als reichsweit geltende verbindliche Währung eingeführt. Ein Solidus bzw. Schilling waren 12 Denar; ein Pfund (libra), dessen Gewicht gegenüber dem antiken Maß erhöht wurde, entsprach 20 Solidi. In Karls Münzordnung wurde festgelegt, dass aus einem Pfund Silber 240 Pfennige (Denare) geprägt werden müssen. Der angelsächsische König Offa von Mercien übernahm zur gleichen Zeit diese Regelung, die in England in der Tat bis 1971 in Kraft war.

Vorfahren

Pippin der Mittlere
(* um 635, † 714),
fränk. Hausmeier
Chalpaida
( † vor 714), sog. Friedelehe
NN NN Martin,
(* um 660, † 680), Graf von Laon
Bertrada die Ältere,
(* 660, † nach 721) Stifterin der Abtei Prüm
Childerich II.
(* um 655, † Herbst 675), merowingischer König der Franken
Bilchide, Tochter von Sigibert III.
Karl Martell
(* um 689, † 741), fränkischer Hausmeier
Chrodtrud
(* 690, † 724)
Heribert,
(* 680, † 747)
Graf von Laon
Gisele von Aquitanien
Pippin der Jüngere
(* 714, † 768), König der Franken
Bertrada die Jüngere
(* um 725, † 783)
Karl der Große (* 748, † 814),
Römischer Kaiser

Nachfolge

Karte: Die Eroberungen Karls des Großen
Karte: Die Eroberungen Karls des Großen

Nach altem fränkischen Brauch ordnete Karl 806 seine Nachfolge durch einen Reichsteilungsplan, die sogenannte Divisio Regnorum. Nachdem seine beiden älteren Söhne jedoch früh verstorben waren, erhob Karl 813 seinen - nach damaligem Verständnis - einzigen legitimen Erben Ludwig den Frommen zum Mitkaiser; 814 folgte er dann seinem Vater in der Herrschaft.

Nach 47-jähriger Herrschaft starb Karl der Große am 28. Januar 814 in Aachen und wurde in der Pfalzkapelle, d. h. der Marienkirche beigesetzt (weiteres siehe unten im Abschnitt 5.1 Grablege). Die Todesursache (Infekt mit Rippenfellentzündung?) ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt, doch spricht Einhard, Vita Karoli Magni, Kap. 30, dazu passend von Fieber, zu welchem Schmerzen in der Seite hinzugekommen seien, so dass Karl nach siebentägigem Krankenlager verschieden sei.

Schon frühzeitig verstand sich Karl als der einzige rechtgläubige Verteidiger und Wahrer der Christenheit, und folgerichtig würdigt ihn die Grabinschrift als imperator orthodoxus, der das regnum Francorum edel (nobiliter) erweitert habe.

Ehefrauen

weitere Beziehungen hatte er zu:

  • Madelgard
  • Regina (800)
  • Adelind (806)

Nachfahren

Karl der Große und Ludwig der Fromme (nicht zeitgenössisches Bild, ca. 14. Jhdt.)
Karl der Große und Ludwig der Fromme (nicht zeitgenössisches Bild, ca. 14. Jhdt.)

Bertha hatte eine Beziehung mit Karls Hofgeistlichem Angilbert, aus der die Kinder Nithard (*um 790; † 844/45) und Hartnid († 813) hervorgingen. Berthas Liaison war Vorbild für die Sage von Eginhard und Emma.

Bei Karls "Sekretär" Einhard heißt es, sowohl Rotrud als auch Bertha seien unverheiratet geblieben. Möglicherweise lebten beide Töchter jedoch in Friedelehen, die für Einhard nicht standesgemäß und somit nicht legitim waren.

  • von einer unbekannten Frau:
    • Hruodhaid (* wohl 787, † nach 800)
  • aus seiner Verbindung mit Gerswind:
    • Adalthrud
  • aus seiner Verbindung mit Adelind:
    • Theoderich (* 807, † nach 818), 818 geistlich

Karl wird zudem nachgesagt, mit diversen Konkubinen mindestens 18 leibliche Nachfahren gezeugt zu haben.

Ludwig I., der Fromme, dessen Linie historisch bedeutsam bleibt, ist seinerseits Vater von Lothar I. (* 795; † 855), Pippin I. (König von Aquitanien, † 838), Ludwig II. († 876), Karl II. (König des Westfrankenreichs, Kaiser 875, † 877) und Gisela (vermählt mit Eberhard von Friaul).

Kulturelle Bedeutung

Karolingische Renaissance

Das Signum Karls des Großen unter einer am 31. August 790 in Kostheim (lat. Copistaino) ausgefertigten Urkunde: Eigenhändig ist nur der v-förmige sogenannte Vollziehungsstrich innerhalb der Raute
Das Signum Karls des Großen unter einer am 31. August 790 in Kostheim (lat. Copistaino) ausgefertigten Urkunde: Eigenhändig ist nur der v-förmige sogenannte Vollziehungsstrich innerhalb der Raute

Im Geistesleben ist Karls Herrschaft als Karolingische Renaissance bekannt. Kunst, Literatur und Architektur erfuhren einen ungemeinen Aufschwung.

An seinem Hof versammelte Karl bedeutende Gelehrte seiner Zeit, unter anderem den Angelsachsen Alkuin als Leiter der Hofschule, den Langobarden Paulus Diaconus, Petrus aus Pisa, den Westgoten Theodulf von Orléans sowie Angilbert und Einhard (auch: Eginhard - im angelsächsischen Sprachraum wird er regelmäßig so genannt). Hildebold, der erste Erzbischof von Köln, war Karls Kanzler und Erzkaplan seines Hofes. Die von Karls Hof geförderte karolingische Minuskel (Carolina), eine aus Kleinbuchstaben gebildete Buchschrift, war u.a. Vorbild für die heute noch vielfach gebräuchliche Antiqua.

Nach Einhard, Vita Karoli Magni, Kap. 29, war Karl der Große auch an der Pflege seiner Muttersprache (lingua propria) sehr interessiert, also des westgermanischen Idioms der Franken (vgl. Ripuarische Dialektgruppe, Moselfränkische Dialektgruppe, Fränkische Sprache). So gab Karl bei seinen Gelehrten angeblich eine Grammatik seiner Muttersprache in Auftrag; dabei mag es sich auch nur um eine Buchstabenkunde gehandelt haben. Außerdem ließ Karl "barbarische (d. h. germanische bzw. volkssprachliche) und sehr alte Heldenlieder, in welchen die Taten und Kriege alter Könige besungen wurden, aufschreiben". In welcher Sprache und Form diese Niederschrift zu denken ist (Latein oder Althochdeutsch; Regesten oder Liedform), ist ganz unklar. Leider ist uns diese Sammlung aus unbekannten Gründen nicht erhalten geblieben; Karls Sohn Ludwig der Fromme wurde in der Neuzeit manchmal zu Unrecht für ihren Verlust verantwortlich gemacht. Im genannten Kapitel bei Einhard wird weiter davon berichtet, dass Karl die lateinischen Bezeichnungen der Winde und die Monatsnamen selbst ins Fränkische übersetzte, z. B. nannte er den Januar Wintermonat (Wintarmanoth), den Mai Weidemonat (Wunnimanoth), den Dezember Heiligmonat (Heilagmanoth).

Kirchen und Klöster, Pfalzen und Paläste

Karls Biograph und Leiter der Hofschule Einhard (als Nachfolger Alkuins, der 796 den Hof verließ und Abt von Saint-Martin de Tours wurde, möglicherweise im Zusammenhang mit seiner offenen Kritik an des Königs Vorgehen gegen die Sachsen) berichtet auch von seiner umfangreichen Bautätigkeit, in erster Linie die "wunderbare" Pfalzkapelle in der Aachener Pfalz, die in den letzten 20 Jahren seines Lebens seine Lieblingspfalz wurde, sozusagen eine Art "Hauptstadt" nördlich der Alpen. Für sie soll er sogar Säulen und großartige Marmorteile aus Rom und Ravenna herbeischaffen haben lassen (Einhard, Vita Karoli Magni, Kap. 26). Außerdem hebt er eine hölzerne Rheinbrücke bei Mainz hervor (die aber leider bald wieder abgebrannt sei) und den Beginn zweier (Pfalz-) Paläste bei Ingelheim und Nijmegen (Einhard, Vita Karoli Magni, Kap. 17).

Die Klöster u.a. in St. Gallen (heute Schweiz) und auf der Insel Reichenau (Bodensee) (siehe auch: Kloster Reichenau), im einverleibten Bayern St. Emmeram bei Regensburg, in Freising und am Tegernsee (wichtigste Benediktinerabtei Oberbayerns; 817 zu den wohlhabendsten Klöstern im Reich Kaiser Ludwigs des Frommen gezählt), im heute österreichischen Mondsee (dort war auch Salzburg seit den Awarenkriegen 791 bis 799 ein Zentrum der Mission) wie auch in Fulda und in Trier wurden neu gegründet, zu Abteien erhoben oder erfuhren eine erhebliche Steigerung ihrer Bedeutung. Sie waren Hauptträger der Bildungsreform, die Karl in die Wege leiten ließ, und wurden deshalb vielfach ausgebaut und erweitert. Für St. Gallen z.B. war die Zeit vom 9. bis zum 10. Jahrhundert das "Goldene Zeitalter". Das dort um das Jahr 790 entstandene lateinisch-deutsche Wörterbuch Abrogans gilt als das älteste deutsche Buch überhaupt. - Mönche waren es schließlich auch, die Anfang des 9. Jahrhunderts die Edelrose nach Mitteleuropa einführten und den Gartenbau im Allgemeinen beträchtlich professionalisierten.

Capitulare de villis

Eine berühmte Quelle für die Wirtschafts-, speziell die Agrar- und Gartenbaugeschichte, ist die Landgüterverordnung "Capitulare de villis vel curtis imperii", die Karl der Große als detaillierte Vorschrift über die Verwaltung der Krongüter erlies. Im 70. Kapitel des Capitulare sind 73 Nutzpflanzen einschließlich Heilkräuter und 16 verschiedene Obstbäume beschrieben, die in allen kaiserlichen Gütern von den Verwaltern anzupflanzen waren.

Nachleben

Grablege

Karl der Große wurde noch an seinem Todestag in der Aachener Pfalzkapelle bestattet (Einhard, Vita Karoli Magni, Kap. 31). Der genaue Ort ist unbekannt, doch gilt heute das ehemalige Atrium (d. h. der heutige Westbau der Aachener Domkirche) als die wahrscheinlichste Stelle. Nach dem Bericht Einhards stellte man über dem Grab einen vergoldeten Arkaden-Bogen mit einem (Karls-)Bild und einer Inschrift auf. Dieses Monument wurde vermutlich kurz vor dem Normanneneinfall von 882 entfernt, damit das Grab Karls nicht gefunden und geplündert werden konnte. Bei seinem Aachen-Aufenthalt im Mai 1000 ließ Otto III. das Grab Karls des Großen suchen und öffnen. Drei Quellen zufolge (Chronik des Thietmar von Merseburg, Chronik von Novalese, Chronik des Ademar von Chabannes) wurde bei dieser Graböffnung Karls Leichnam in einer Grabkammer auf einem Thron sitzend gefunden. Die Glaubwürdigkeit dieser Angabe hat große Kontroversen ausgelöst, da eine Sitzbestattung Karls auf einem Thron im Jahre 814 sehr ungewöhnlich gewesen wäre und auch durch den archäologischen Befund nicht erhärtet wird.

Bei Karls Heiligsprechung im Jahre 1165 und der damit verbundenen Erhebung seiner Gebeine musste sein Grab ein zweites Mal gesucht werden. Nach Angabe des Kaisers Friedrich I. Barbarossa verhalf dabei eine „göttliche Eingebung“ zur Auffindung des zum Schutz vor Feinden unkenntlich gemachten Grabes („corpus [...] pro timore hostis [...] caute reconditum, sed divina revelatione manifestatum“, Urkunde für Stift und Stadt Aachen vom 8. Januar 1166, MGH D Fr. I. 502, S. 433 Z. 5f.). Barbarossas Enkel Friedrich II. überführte 1215 die Gebeine Karls des Großen in den vergoldeten Karlsschrein, der heute im Chor des Aachener Domes steht. Umstritten ist, wann Karls Gebeine in dem ebenso berühmten, heute in der Aachener Domschatzkammer ausgestellten Proserpina-Sarkophag aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. bestattet wurden. Hägermann hält eine 814 erfolgte Beisetzung Karls in diesem Sarkophag für fraglich, da für 814 die Bodenbestattung Karls sicher bezeugt ist, nicht aber der Marmorsarkophag; außerdem habe man einen so prächtigen reliefgeschmückten Sarkophag schwerlich im Kirchenboden versenkt. Hägermann vermutet daher, dass der Proserpina-Sarkophag erst 1165 nach Aufdeckung des Karlsgrabes durch Friedrich I. Barbarossa zur Aufbewahrung der Gebeine Karls benutzt wurde, bis diese dann später teils in den vergoldeten Karlsschrein, teils in ein Armreliquiar gelangten [1].

Statue Karls des Großen in der Krypta des Zürcher Grossmünsters
Statue Karls des Großen in der Krypta des Zürcher Grossmünsters

Sagen

Um das Leben und Wirken Karls des Großen entstanden nach seinem Tod viele Sagen, unter anderem der Karlszyklus mit dem Rolandslied. Als lateinisches Pendant zum altfranzösischen Rolandslied wurde zwischen 1130 und 1140 die Historia Karoli Magni et Rotholandi geschrieben, heute besser bekannt unter dem Namen Pseudo-Turpin, da der Text den Erzbischof Turpin (auch: Tilpin) von Reims (Amtszeit ca. 748 bis 794) als seinen Verfasser ausgibt. Neben dem Rolandstoff enthält der Pseudo-Turpin die Legende, dass Karl nach Santiago de Compostela zum Grab des hl. Jakobus gezogen sei und es von den Sarazenen befreit habe. Der historische Karl ist demgegenüber nie nach Compostela gekommen, und seine Kämpfe im Norden Spaniens im Jahre 778 verliefen nicht sehr ruhmreich, vgl. oben unter Kriegszüge gegen die Mauren [2].

Weiter entstand im Hochmittelalter die Legende, dass Karl der Große ins Heilige Land gezogen sei, die Heiden aus Jerusalem vertrieben habe und dafür wertvolle Reliquien geschenkt bekommen habe, darunter die Dornenkrone Christi. Nachdem das Motiv der Orientreise Karls bereits in der Chronik Benedikts von S. Andrea am Ende des 10. Jhs. erscheint, begegnet die voll ausgebildete Legende erstmals in der 1053/54 im Kloster Saint-Denis verfassten Descriptio clavi et corone domini (lat.: „Beschreibung des [Kreuz-]nagels und der [Dornen-]krone des Herrn“). Der historische Karl ist jedoch niemals nach Jerusalem gereist, hatte aber tatsächlich für seine diplomatischen Bemühungen um das Wohlergehen der Christen im Heiligen Land einige Reliquien aus dem heiligen Grab erhalten [3].

Die Gräber der Züricher Stadtpatrone Felix und Regula sollen von Karl dem Grossen wieder entdeckt worden sein. Dieser habe einst einen Hirsch von Aachen bis nach Zürich verfolgt, als sein Pferd plötzlich in die Knie ging, um den Gräbern der Heiligen die Referenz zu erweisen. Karl habe darauf die Gebeine heben lassen und zur Ehre der Heiligen die Kirche und die Propstei Grossmünster gegründet. Die Gräber der Heiligen waren bis zur Reformation in der sog. Zwölfbotenkapelle für die Pilger zugänglich. In der gleichen Kapelle wurden auch Reliquien Karls des Grossen aufbewahrt, die 1233 nach Zürich überführt worden waren.

Heiligsprechung

Auf Betreiben Kaiser Friedrich Barbarossas wurde Karl 1165 durch den Erzbischof von Köln, unter Billigung des Gegenpapstes Paschalis III., heilig gesprochen. Diese Heiligsprechung wurde von Papst Alexander III. nicht akzeptiert, so dass sein Gedenktag (28. Januar) nie offiziell anerkannt wurde. Doch hat die Kurie danach nie Einspruch gegen diese Heiligsprechung erhoben; vielmehr wird seit 1176 die Verehrung Karls als Heiliger von der katholischen Kirche geduldet. Heute noch tragen Kirchen Karls Namen, so etwa die Pfarrkirche im westfälischen Wiedenbrück „St. Caroli Magni et beati Aegidii“.

Kein zeitgenössisches Portrait überliefert

Idealbild Karls des Großen mit erst lange nach seinem Tod hergestellten Teilen der Reichskleinodien, gemalt 1513 von Albrecht Dürer im Auftrag seiner Vaterstadt Nürnberg
Idealbild Karls des Großen mit erst lange nach seinem Tod hergestellten Teilen der Reichskleinodien, gemalt 1513 von Albrecht Dürer im Auftrag seiner Vaterstadt Nürnberg

Von Karl dem Großen ist kein zeitgenössisches Bildnis überliefert. Eine der ältesten Darstellungen Karls findet sich im Sakramentar Karls des Kahlen aus der Zeit um 870, das ihn in karolingischer Kleidung zeigt und somit eine repräsentative Darstellung eines Hochadeligen der Karolingerzeit bietet (siehe oben).

Seitdem wurden jeweils dem Stil der jeweiligen Zeit entsprechende Imaginationen über Karls Aussehen produziert, die jedoch nichts mit der Realität zu tun hatten. Typisch für diese historisierenden Darstellungen ist z.B. Albrecht Dürers Bildtafel, die sich heute im Germanischen Nationalmuseum befindet.

Eine historisierende Statue Karls des Großen hat Johann Nepomuk Zwerger für die Alte Brücke (Frankfurt) 1843 geschaffen, offensichtlich in Anlehnung an das Dürer-Portrait.

Auffällig ist die wortwörtlich zu verstehende Überhöhung seiner Person schon in der Ottonenzeit.

Sprachentwicklung

In vielen slawischen Sprachen wurde vermutlich aus seinem Namen in der lateinischen Form „Carolus“ das Wort für König, so im Russischen „korol“, im Polnischen „król“.

Wiederentdeckter Karlsthron

Im Februar 2005 wurden von der Archäologin Mechthild Schulze-Dörrlamm vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz Reste des ältesten Königsthrons in Deutschland entdeckt. Sie lagen seit 1911 unerkannt in einem Magazin des dortigen Landesmuseums. Dabei handelt es sich um eine Seitenlehne des mit Ornamenten verzierten Thrones aus Kalkstein aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Dieser Königsthron ist damit älter als der - oben abgebildete - Marmorthron in der Aachener Pfalzkapelle aus der Zeit um 800, der bislang als ältester galt.

Statuen und Denkmale

Anmerkungen

  1. Dieter Hägermann: Karl der Große. Herrscher des Abendlandes Econ, Berlin 2000, S. 628 ff.
  2. Hans-Wilhelm Klein (Hrsg.): Die Chronik von Karl dem Großen und Roland. Der lateinische Pseudo-Turpin in den Handschriften aus Aachen und Andernach. Fink, München 1986. ISBN 3-7705-2326-1.
  3. Rolf Große: Saint-Denis zwischen Adel und König. Thorbecke, Stuttgart 2002, S. 42-54. ISBN 3-7995-7451-4.

Literatur

Bücher

  • Grandes Chroniques de France, 15. Jahrhundert, Neuauflage in 10 Bänden, 1920-1953, Paris, Editions J. Viard
  • Matthias Becher: Karl der Große. Beck, München 1999, ISBN 3-40643-320-0 (Einführung mit kommentierter Kurzbibliographie)
  • Ellen J. Beer u. a.: Rudolf von Ems: Weltchronik/Der Stricker: Karl der Grosse. Faksimile- und Kommentarband. Faksimile Verlag, Luzern 1982, ISBN 3-85672-020-0 (vgl. dazu 1 und 2)
  • Arno Borst: Die karolingische Kalenderreform. (= Schriften / Monumenta Germaniae Historica; Bd. 46). Hahn, Hannover 1998, ISBN 3-7752-5446-3
  • Arno Borst: Der Streit um den karolingischen Kalender. (= Studien und Texte / Monumenta Germaniae Historica; Bd. 36). Hahn, Hannover 2004, ISBN 3-7752-5736-5
  • Wolfgang Braunfels: Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben. 4 Bde. Düsseldorf, 1967.
  • Roberto Cassanelli, Eduard Carbonell (Hrsg.): Von Mohammed zu Karl dem Großen. Aufbruch ins Mittelalter. Theiss, Stuttgart 2001, ISBN 3-80621-580-4
  • Peter Classen: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Die Begründung des karolingischen Kaisertums. Hrsg. von H. Fuhrmann und C. Märtl. (= Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters; Bd. 9). 2. Auflage. Thorbecke, Sigmaringen 1988, ISBN 3-7995-5709-1
  • Jacques Delpierré de Bayac: Karl der Große. Leben und Zeit. Neff, Wien und Berlin 1976, ISBN 3-7014-0123-3 (Lizenzausgabe: Pawlak, Herrsching 1986, ISBN 3-88199-313-4)
  • Einhard: Vita Karoli Magni - Das Leben Karls des Großen. Reclam, Stuttgart 1995, ISBN 3-15001-996-6
  • Siegfried Epperlein: Karl der Große. Eine Biographie. 9. Auflage. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1982
  • Gustav Faber: Auf den Spuren von Karl dem Großen. Paul List, München 1984, ISBN 3-471-77534-X
  • Johannes Fried: Der Weg in die Geschichte. Die Anfänge Deutschlands bis 1024. Propyläen, Berlin 1994, ISBN 3-549-05811-X
  • Reinhard Friedrich (Hrsg.): Karl der Große in Ingelheim. Bauherr der Pfalz und europäischer Staatsmann. Ausstellungskatalog. (= Beiträge zur Ingelheimer Geschichte; Heft 43). Historischer Verein, Ingelheim 1998, ISBN 3-00-003290-8 (darin u.a. Matthias Becher: Das Geburtsdatum Karls des Großen, S. 19ff.)
  • Dieter Hägermann: Karl der Große. Herrscher des Abendlandes. Econ, Berlin 2000, ISBN 3-54905-826-8 (Rezensionen)
  • Friedrich Heer: Karl der Große und seine Welt. Molden, Wien u. a. 1977, ISBN 3-217-00701-8
  • Bernhard Friedrich Hummel: Bibliographie von Kaiser Karl dem Großen. In: Zusätze und Verbesserungen zu der Bibliothek deutscher Alterthümer. Grattenauer, Nürnberg 1791, S. 135-164 (Digitalisat)
  • Pierre Riché: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Reclam, Stuttgart 1999, ISBN 3-15010-463-7 (Standardwerk zur Geschichte der Karolinger)
  • Rudolf Schieffer: Die Karolinger. 3., überarbeitete Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2000, ISBN 3-17016-480-5
  • Christoph Stiegemann, Matthias Wemhoff (Hrsg.): 799. Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn. Katalog der Ausstellung in Paderborn 1999. 3 Bände. Philipp von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-80532-456-1
  • Joanna Story (Hrsg.): Charlemagne. Empire and Society. Manchester University Press, Manchester 2005, ISBN 0-7190-7088-0 (Aufsatzband zu Schlüsselthemen)


Aufsätze

  • Kerstin Springsfeld: Karl der Große, Alkuin und die Zeitrechnung. Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 27(1), S. 53 - 66 (2004), ISSN 0170-6233

Weblinks

Siehe auch

Aachener Königspfalz, Wissenschaft zur Zeit Karls des Großen, Kunst zur Zeit Karls des Großen, Karlsgarten, Karlsgraben, Ingelheimer Kaiserpfalz, Kloster Lorsch, Corvey, Karolinische Bücher, Rabanus Maurus, Herzog Widukind, Translatio imperii, Karlspreis


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