Kaiser
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Der Begriff Kaiser bezeichnet die ranghöchsten, noch über den Königen stehenden Monarchen. Das althochdeutsche keisar wie auch das slawische Zar leiten sich von dem lateinischen Eigennamen Caesar ab, der in der Antike „Kaisar“ ausgesprochen wurde. Der Wandel des Eigennamens Caesar zum Herrschertitel erfolgte in einem fast 100 Jahre dauernden Prozess vom Tod Gaius Iulius Caesars 44 v. Chr. bis zum Amtsantritt des Kaisers Claudius im Jahr 41 n. Chr. (siehe dazu den Artikel Caesar (Titel)).
In den romanischen Sprachen bezeichnet dagegen ein von Imperator entlehntes Wort den Kaiser, etwa das italienische imperatore oder das französische empereur, auf das auch das englische emperor zurückgeht. Auch im albanischen Wort mbret für „König“ ist noch der Imperator zu erkennen.
In der europäischen Geschichte wurde der Kaisertitel in der Regel nur solchen Monarchen zugestanden, die eine übernationale Herrschaft ausübten. Mehrere außereuropäische Monarchen, wie etwa der osmanische Sultan, der Schah von Persien, der Negus von Äthiopien oder der chinesische Sohn des Himmels wurden einem Kaiser gleichgehalten; heute kommt diese Würde nur mehr dem Tennō von Japan zu.
Der Kaisertitel im antiken Rom
Die Entstehung des Kaisertitels unter Augustus
siehe hierzu auch den Hauptartikel Caesar (Titel)
Nachdem Gaius Iulius Caesar in den Jahren 49–45 v. Chr. im Bürgerkrieg die Alleinherrschaft über das Römische Reich errungen hatte, wagte er es nicht, sich den bei den Römern verpönten Königstitel zuzulegen. Da die frühe Römische Republik aber für Notzeiten das außerordentliche Amt des Diktators gekannt hatte, ließ sich Caesar vom Senat zum Dictator perpetuus („Diktator auf Lebenszeit“) wählen.
Zudem trug er den Titel Imperator, der sich von dem Begriff imperium herleitete und ursprünglich die militärische Befehlsgewalt über eine Legion bezeichnete. Zur Zeit der Republik konnte jeder Befehlshaber einer Legion von seinen Truppen zum Imperator ausgerufen werden. Später blieb der Titel allein den Kaisern vorbehalten. Er bezeichnete die tatsächliche Quelle ihrer Macht, die Militärgewalt.
Als erster Kaiser der Geschichte gilt aber gemeinhin nicht Caesar, sondern sein Großneffe Gaius Octavius, der spätere Augustus. Dieser nahm nach Caesars Ermordung 44 v. Chr. dessen Namen an, da der Diktator ihn testamentarisch adoptiert hatte. Er nannte sich von 42 v. Chr. bis 38 v. Chr. Gaius Iulius divi filius Caesar (also „Sohn des vergöttlichten Gaius Iulius Caesar“), dann bis 27 v. Chr. Imperator Caesar divi filius (den Beinamen Octavian, unter dem er bei Historikern bekannt ist, hat er offiziell wohl nicht geführt).
Nachdem auch er alle Konkurrenten um die Macht ausgeschaltet hatte, verschleierte er seine faktisch monarchische Stellung, die formal durch die Verleihung einiger wichtiger Ausnahmebefugnisse (tribunica potestas, imperium proconsulare maius) abgesichert wurde, durch den bescheiden klingenden Titel princeps, der zuvor als princeps senatus den „Ersten des Senats“, als einen Ersten unter Gleichen bezeichnet hatte, nun aber als „erster Bürger“ verstanden wurde. Aus diesem Titel gingen der französische und englische prince und das italienische principe hervor, die alle „Fürst“ bedeuten, und daraus wiederum das deutsche „Prinz“.
Für die angebliche „Wiederherstellung der Republik“ verlieh der Senat Octavian 27 v. Chr. den Ehrentitel Augustus, der „Erhabene“, unter dem er in die Geschichte eingegangen ist. Nicht nur seine Beinamen Caesar und Augustus sowie sein Titel Imperator, sondern auch seine Staatsämter, die höchsten in Rom, wurden in seiner Familie praktisch erblich, so dass der Prinzipat de facto eine Monarchie darstellte. Allerdings blieb der Ursprung des Kaisertums als Ausnahmeamt stets dadurch gewahrt, dass das Amt niemals auch de iure erblich wurde: Noch in der Spätantike musste der präsumptive Nachfolger bereits zu Lebzeiten des Vorgängers dessen Mitkaiser werden, um eine reibungslose Thronfolge zu gewährleisten.
Seit Kaiser Claudius wurde der Name Caesar endgültig zum Bestandteil der römischen Herrschertitulatur. Spätestens seit Vespasian wurden jedem Kaiser bei Regierungsantritt und Anerkennung durch den Senat alle Sonderkompetenzen gebündelt übertragen.
Der Kaiser in der Spätantike
In der Spätantike wandelte sich die Bedeutung des Titels Augustus. In der Zeit der Tetrarchie Kaiser Diokletians existierten zwei Augusti, also Seniorkaiser, denen jeweils ein eigener Herrschaftsbereich unterstand. Als Caesar wurde nun meist ein Juniorkaiser und designierter Nachfolger bezeichnet (s. u.). Seit 285 gab es nur noch selten (324-337; 361-364; 394/95) nur einen einzigen Kaiser. Seit Valentinian I. herrschte meist ein Kaiser im Westen, ein anderer im Osten. Diese Entwicklung wurde nach dem Tod Theodosius’ I. 395 faktisch endgültig, da das westliche Kaisertum bald erlosch. Aus Sicht der oströmischen Kaiser bedeutete dies allerdings nur, dass auch der Westen wieder ihnen unterstand – ein Anspruch, den Justinian I. dann auch militärisch durchzusetzen versuchte.
Im Westen endete die Reihe der römischen Kaiser 476 bzw. 480, im Osten legte Herakleios um 625 den Titel Imperator (bzw. autokrator) ab und führte fortan die Bezeichnung basileus - damit endete das spätantike Kaisertum, und das byzantinische nahm seinen Anfang.
Sonderbedeutungen des Titels „Caesar“
Seit der Zeit von Kaiser Hadrian wurde der Titel Caesar auf den designierten Nachfolger des Herrschers angewendet. Die Reichsreform unter Kaiser Diokletian sah eine Vierherrschaft (Tetrarchie) von jeweils zwei Seniorkaiser (Augusti) und zwei diesen untergeordneten Juniorkaisern (Caesares) vor. Valentinian I. erhob seinen Sohn Gratian gleich zum Augustus.
Im byzantinischen Reich blieb Caesar Teil der offiziellen Kaisertitulatur bis Justinian II. Anschließend taucht er weiterhin als besonderer Ehrentitel auf, fast ausschließlich innerhalb der kaiserlichen Familie. Unter Alexios I. Komnenos verliert der Titel diese Bedeutung und wird später zu einem Ehrentitel abgewertet.
Der sakrale Aspekt des Kaisertums
Zu den höchsten Staatsämtern im antiken Rom hatte auch das des Oberpriesters, des Pontifex Maximus, gehört, das schon Caesar innegehabt hatte. Seit 12 v. Chr. waren alle Kaiser auch Pontifex Maximus. Dies verlieh Augustus und seinen Nachfolgern neben ihrer säkularen auch eine sakrale Würde. Die sakrale Dimension des Kaisertums konnte auf eine lange Tradition zurückblicken, die bereits im Alten Orient begonnen hatte und besonders im Hellenismus auch in den Mittelmeerraum vorgedrungen war. Bereits Caesar war nach seinem Tod vergöttlicht worden, sein Nachfolger Augustus wurde damit implizit ebenfalls in die Nähe der Götter gerückt, und diese Linie wurde im antiken Rom fortgeführt. Sie gipfelte schließlich in dem rigiden Hofzeremoniell der Spätantike. Nach der Christianisierung unter Konstantin dem Großen wurde zwar der heidnische Titel Pontifex Maximus abgelegt (wenn auch erst unter Gratian und Theodosius I.), die Sakralität der Kaiserwürde blieb davon aber faktisch weitgehend unangetastet, da sich nun die Idee eines "Gottesgnadentums" entwickelte.
Auch die byzantinischen Kaiser, die russischen Zaren und die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs leiteten aus den sakralen, zuweilen als Sakrament verstandenen Riten ihrer Krönung eine priestergleiche Stellung ab, sowie den Anspruch, den höchsten weltlichen Würdenträgern und dem Papst gleichgestellt zu sein. Dieser Anspruch und die damit verbundenen Eingriffe der Kaiser in den kirchlichen Bereich führten im Abendland im 11. Jahrhundert zu einem schweren Konflikt zwischen dem römisch-deutschen Kaisertum und dem römischen Papsttum, dem Investiturstreit, in dem letzteres sich weitgehend durchsetzte und später gar selbst für sich in Anspruch nahm, über das Kaisertum und sogar die Wahl des Rex Romanorum zu verfügen. Dieser Anspruch wurde jedoch im 14. Jahrhundert endgültig abgewiesen (siehe Goldene Bulle). Aber auch in den anderen abendländischen Königreichen kam es, wenn auch nicht in dieser Härte, zu einem Disput. Im Osten – sowohl in Byzanz als auch in Russland – gelang es den Kaisern und den Zaren dagegen stets, den Vorrang vor den Patriarchen ihrer jeweiligen orthodoxen Kirchen zu wahren.
Die Macht des Kaisers
Die römische Monarchie war ein Akzeptanz-System (Egon Flaig). Zwar war das Kaisertum als solches recht bald unbestritten, aber die Person des einzelnen Kaisers konnte in Frage gestellt und sogar gestürzt werden. Der Kaiser musste also von den relevanten Gruppen des Reiches akzeptiert werden, damit er sich halten konnte. Diese Gruppen waren zunächst (27 v. Chr. bis ungefähr 260 n. Chr.) der Senat, die Plebs urbana in Rom und das Militär (Praetorianer und Legionäre). Es konnte sich keine Instanz herausbilden, die die Herrschaftsbefugnis einer Person als Ganzes verbindlich machte; es gab nie eine allgemein akzeptiere Regel für den Fall einer umstrittenen Nachfolge. Weder der Senat, noch die Plebs urbana oder das Heer waren "befugt" einen Kaiser ein- oder abzusetzen. (Lit.: Flaig (1992) Kap 4 ff.). Das Heer gewann aber faktisch rasch eine Vormachtstellung. 37 n. Chr. erhob es durch Akklamation Caligula zum Kaiser, was von den übrigen beiden Institutionen akzeptiert werden musste. Aber auch das Heer war in sich nicht homogen. Kein Heeresteil konnte im Namen anderer sprechen, so dass mitunter die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Kaiserkandidaten die Entscheidung bringen musste (Vierkaiserjahr, Fünfkaiserjahr). Nur wenn ein Heeresteil die Vormacht gewann, konnte er über die Kaisererhebung befinden. Das von Diokletian eingeführte System der tetrarchischen Herrschaft führte zu einer entsprechenden Anzahl von Heeren, die sich u. U. wieder gegenüberstehen konnten - dieser Fall trat dann nach 306 ein.
Die Herrschaftsübernahme durch eine Usurpation bedingte, dass der amtierende Kaiser starb oder gestürzt wurde. Daher musste der Prätendent versuchen, möglichst das Zentrum beherrschen (Lit.: Warmann (1984)). Das galt für die Prinzipatsepoche (einschließlich der Zeit der Soldatenkaiser). Bis auf Postumus, Zenobia und die Kaiser der Tetrarchie strebten fast alle danach, die Herrschaft über das gesamte Reich zu gewinnen. Im 4. Jahrhundert änderte sich dies grundlegend. Die Usurpatoren wollten nicht das ganze Reich beherrschen, sondern nur noch ihren Teilbereich (wie Magnus Maximus).
Diese Situation ließ zwei Möglichkeiten zu: Entweder ordneten sich die Regionalkaiser dem zentralen Kaiser unter, oder aber die Herrschaftsgebiete wurden faktisch aufgeteilt. Diese letzte Entwicklung hatte zur Folge, dass das Römische Reich auf Spannungen nicht mehr als Ganzes reagieren konnte. Es gab kein Zentrum des Gesamtreiches mehr, sondern mehrere Zentren. Es gab keine Hauptstadt mehr und keine Institution, die das Reich von Syrien bis Spanien verklammerte. Die Entwicklungen liefen auseinander: Im Osten erhielt sich das Kaisertum, im Westen wurde es von den Heermeistern (Magistri militum) marginalisiert. Dennoch blieb die militärische Kraft des Reiches noch lange Zeit relativ intakt.
Valentinian I. hatte das Heermeisteramt gestärkt. Er hatte seinen Sohn Gratian zum zweiten Augustus im Westreich erhoben. Als Valentinian starb, erhoben die beiden Heermeister Equitus und Merobaudes den 4-jährigen Sohn Valentinian II. zum Augustus. Gratian akzeptierte diesen Akt. Damit hatten sich die Heermeister erstmalig und unter Ungehorsam gegenüber dem Willen des verstorbenen und in Opposition zum amtierenden Kaiser als Kaisermacher betätigt; allerdings handelte es sich bei Valentinian um den Halbbruder Gratians, sodass dies kein Akt gegen die Kaiserfamilie darstellte. 15 Jahre später kam es zur Konfrontation zwischen Valentinian und Arbogast, im Verlaufe derer der Kaiser seinen Heermeister zu entlassen suchte, was aber nicht gelang. Dieser zerriss die Entlassungsurkunde mit den Worten: Du hast mir das Amt nicht gegeben und wirst es mir auch nicht nehmen können (Zosimos IV 53f.). Arbogast war nach dem Tode seines Vorgängers (wahrscheinlich sein Vater), des fränkischen Heermeisters Bauto von den Offizieren zu dessen Nachfolger erhoben worden, die erste echte Usurpation des Heermeisteramtes. Der Kaiser musste das hinnehmen. Damit trat das Heermeisteramt als selbständige Institution neben das Kaiseramt. Die nachfolgenden Kaiser hatten die Kontrolle über das Heer verloren. Das war der Anfang vom Ende des weströmischen Kaisertums (Lit.: Demandt (1984)).
Das oströmische Kaisertum und die von ihm abgeleiteten Kaisertitel
Byzanz
Im Oströmischen oder Byzantinischen Reich bestand die römische Kaisertradition nach dem Ende der Antike noch rund 1000 Jahre fort – bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453. Unter Kaiser Herakleios (610–641) wurde anstelle des lateinischen Augustus Imperator der griechische Titel Basileus eingeführt, was der stärker werdenden Gräzisierung des Reiches Rechnung trug. Den staatsrechtlich begründeten Anspruch, Rechtsnachfolger der antiken römischen Kaiser zu sein, gab der jeweilige Basileus von Byzanz niemals auf. Mit der seit 812 erweiterten Titulatur Basileus ton Rhomaion, „Herrscher der Römer“, machten die Kaiser in Konstantinopel diesen Anspruch noch einmal verstärkt deutlich, vermutlich als besondere Abgrenzung zum durch Karl den Großen im Jahre 800 erneuerten west-römischen Kaisertum (was in der Forschung allerdings strittig ist). Titel der byzantinischen Hauptkaiser war auch Autokrator, während Basileus – namentlich seit dem 10. Jahrhundert – an Mitkaiser vergeben wurde.
Während der Kreuzzüge wurde Konstantinopel auf Betreiben Venedigs 1204 von den Kreuzfahrerheeren eingenommen. In Konstantinopel und weiteren von den „Lateinern“ (Katholiken) beherrschten Gebieten entstand das sogenannte Lateinische Kaiserreich, ein vom päpstlichen Rom und Venedig abhängiger, vor allem von französischen Adligen regierter Kreuzfahrerstaat. Derselbe sah sich faktisch – sowohl durch erfolgreiche „griechische“ Gegenoffensiven als auch durch das Unabhängigkeitsbestreben der eigenen "fränkischen" Vasallen – sehr bald auf die Hauptstadt Konstantinopel beschränkt. Mit deren Rückeroberung durch die griechischen Kaiser von Nikaia 1261 endete das Lateinische Kaiserreich, der letzte Kaiser Balduin II. (1228–1261) verstarb 1273 im Exil. Sein Sohn Philipp von Courtenay hielt jedoch seinen Anspruch auf den Thron als Titular-Kaiser aufrecht († 1283), seine Enkelin Katharina II. († 1346) vererbte den lateinischen Kaiser-Titel an ihren Sohn Robert von Anjou, den Fürsten von Tarent († 1366). Nach dem Aussterben der tarentinischen Anjou 1373 fiel das Titular-Kaisertum an Jakob von Beaux, nach dessen Tod an den französischen Prinzen Ludwig, Herzog von Anjou († 1384). Dessen Sohn Ludwig II. von Anjou scheint 1384 als Letzter Anspruch auf den kaiserlichen Titel erhoben zu haben. Dieses jüngere Haus Anjou, das im 14. und 15. Jahrhundert mit wechselndem Erfolg auch Anspruch auf die Königskrone von Sizilien (genauer: auf das Teilreich von Neapel) erhob, starb 1480 mit Graf Rene von der Provence aus, der als Titularkönig von Jerusalem, Sizilien und Aragon auch die Ansprüche auf den lateinischen Kaisertitel geerbt hatte. Diese fielen letztlich – ohne dass sie offensichtlich noch geltend gemacht worden wären – an Renes Erben: die Könige von Frankreich und die Herzöge von Lothringen und Bar, und über diese wiederum das österreichische Kaiserhaus Habsburg-Lothringen.
Nikaia (Nizäa)
Nach der Eroberung Konstantinopels 1204 hatten sich in scharfer Opposition zum Lateinischen Kaiserreich etliche „griechische“ (d.h. orthodoxe) Nachfolgestaaten gebildet, unter denen einige den Anspruch auf den vakant gewordenen byzantinischen Kaisertitel erhoben. Der mächtigste Teilstaat war das zuerst von den Laskariden, dann ab 1258/59 von den Palaiologen regierte Kaiserreich Nikaia (lateinisch auch: Nicaea), dem es schließlich gelang, Konstantinopel 1261 zurückzuerobern und das Byzantinische Reich unter der Dynastie der Palaiologen für nochmals fast zwei Jahrhunderte wieder zu errichten. Der letzte byzantinische Kaiser Konstantin XI. Palaiologos (1449–1453) kam während der Eroberung seiner Hauptstadt durch die Osmanen im Kampf ums Leben. Seitenzweige der Palaiologen-Dynastie überlebten langfristig in Italien (Markgrafen von Montferrat) und bis heute in Frankreich; aus letzterer Linie stammen einflussreiche Personen wie der auch schriftstellerisch begabte Botschafter am Zarenhof Maurice Paléologue (1859–1944), der im Ersten Weltkrieg eine wichtige politische Rolle spielte.
Trapezunt
Weniger erfolgreich waren – trotz besserer dynastischer Ansprüche – die konkurrierenden Staaten von Thessaloniki, dessen Herrscher aus der bis 1204 regierenden byzantinischen Kaiserdynastie der Angeloi stammten und zwischen 1215 bis 1240 ebenfalls Anspruch auf den Kaisertitel erhoben, sowie das im nördlichen Kleinasien gelegene Kaiserreich Trapezunt, das von Nachfahren der bis 1185 in Byzanz regierenden Kaiserdynastie der Komnenen beherrscht wurde. Während Thessaloniki teils von Nikaia erobert wurde, teils in untergeordnete Teilfürstentümer (Despotate) zerfiel, konnte Trapezunt seine Eigenständigkeit sogar länger als das 1453 von den Osmanen eroberte Byzantinische Reich behaupten. Ähnlich wie dieses in seiner Spätzeit war allerdings auch Trapezunt längst zu einem türkischen Vasallenstaat geworden – zuerst abhängig vom kleinasiatischen Sultanat Ikonium (Konya), dann von den Osmanen. Diese erzwangen 1461 die Kapitulation von Trapezunt, setzten den letzten „Großkomnenen“ David Komnenos (1458–1461) ab und ermordeten den Exkaiser und seine Familie 1466.
Russland
So wie sich zunächst die fränkischen und später die deutschen Könige als Nachfolger der Weströmischen Kaiser sahen, so betrachteten sich die Großfürsten von Moskau seit dem Fall von Konstantinopel als rechtmäßige Erben des oströmischen Kaisertums. Sie waren nun die angesehensten Herrscher orthodoxen Glaubens, und Großfürst Iwan III. hatte 1472 Zoe (russ. Sofia), eine Nichte des letzten Kaisers von Byzanz Konstantin XI. Paläologos geheiratet. Unter Iwan III. wurde die Idee von Moskau als Drittem Rom formuliert und der Titel „Zar“ erstmals verwendet. Im Jahr 1547 ließ sich Großfürst Iwan IV. der Schreckliche offiziell zum Zaren von ganz Russland krönen. Zar Peter I. (Peter der Große) nahm 1721 zusätzlich den kaiserlichen Titel „Imperator“ bzw. „Kaiserliche Majestät“ (Imperatorskoje Welitschestwo) an. Seither wurde den russischen Herrschern auch im westeuropäischen System der Höfe und der Diplomatie der Kaiser-Titel zuerkannt. Beide Titel – Imperator und Zar – trugen die russischen Kaiser bis zum Sturz des letzten Herrschers aus dem Haus Romanow, Nikolaus' II., im Jahr 1917.
Das Abendländische Kaisertum (800–1806) und die westeuropäischen Kaiser des 19. Jahrhunderts
Der Kaisertitel im Fränkischen Reich
Nach dem Untergang des Weströmischen Reichs und der Absetzung seines letzten Kaisers Romulus Augustulus im Jahr 476 riss die Kaisertradition im Westen zunächst ab. Die oströmischen Kaiser erhoben den Anspruch, nunmehr die rechtmäßigen Herrscher des gesamten Römischen Reiches zu sein, und Justinian I. (527–565) vermochte durch die Eroberung von Teilen Italiens, Spaniens und Nordafrikas diesen Anspruch zeitweilig auch machtpolitisch zu untermauern. Im 7. und 8. Jahrhundert jedoch war dieser byzantinische Anspruch im Westen angesichts der erstarkenden germanischen Königreiche der Franken oder Langobarden sowie der islamischen Eroberung Nordafrikas und großer Teile Spaniens nur noch theoretisch. Die Kaiserkrönung des Frankenkönigs Karls des Großen am Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom wurde daher als machtpolitisch begründete Wiederherstellung des (West-)Römischen Reichs (restauratio imperii) betrachtet, und 812 erlangte Karl der Große auch die Anerkennung der Gleichrangigkeit seines Kaisertitels vom byzantinischen Kaisertum.
Karl der Große nannte sich serenissimus Augustus a deo coronatus magnus, pacificus, imperator romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam dei rex Francorum et Langobardorum, „allergnädigster, erhabener, von Gott gekrönter, großer, Friede bringender Kaiser, der das römische Reich regiert, durch Gottes Barmherzigkeit auch König der Franken und Langobarden“. Vor allem die Herrschaft über das langobardische (= lombardische) Königreich Italien wurde seither zum machtpolitischen Schlüssel des norditalienischen Kaisertums. Dieses wurde während des 9. Jahrhunderts in verschiedenen Linien der Karolinger weitertradiert, wobei zuletzt zwei ostfränkische (deutsche) Karolinger-Könige – Karl III. (Karl der Dicke, 887–888) und Arnulf von Kärnten (896–899) – zu Kaisern aufstiegen, geriet jedoch mit dem Machtverfall der Karolinger im frühen 10. Jahrhundert in die Hände burgundischer oder norditalienischer Machthaber, um nach 924 für knapp drei Jahrzehnte vollends außer Gebrauch zu kommen.
Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
- Hauptartikel: Römisch-deutscher Kaiser
Nach seiner Eroberung Norditaliens 951/52 war es der ostfränkische König Otto I. (Otto der Große), der 962 mit seiner Kaiserkrönung durch den Papst in Rom die Tradition des Römischen und des Karolingerreiches wiederbelebte. Seither betrachteten sich alle ostfränkischen bzw. römisch-deutschen Könige bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahr 1806 als einzig berechtigte Nachfolger der römischen Caesaren und als weltliche Oberhäupter der Christenheit. Zur Erlangung der Kaiserkrone war jedoch während des gesamten Mittelalters ein aufwendiger Romzug zur Krönung durch den Papst erforderlich, was entsprechende Geld- und Machtmittel voraussetzte. Dadurch erklärt sich, dass etliche deutsche Könige erst nach Jahren oder Jahrzehnten den Kaisertitel erlangten und dass eine ganze Reihe weiterer Könige diesen Titel niemals erhalten konnte. Insbesondere zwischen 1250 und 1312 (Heinrich VII. war nach dem Ende der Staufer der erste König, dem die Kaiserkrönung gelang) und nochmals zwischen 1378 und 1433 gab es jahrzehntelange „kaiserlose“ Phasen. Die letzten deutschen Könige, die sich in Rom von Päpsten zu römischen Kaisern krönen ließen, waren 1433 der Luxemburger Sigismund und 1452 der Habsburger Friedrich III., der 1493 verstarb. Dessen Sohn und Nachfolger Maximilian I. gelang hingegen kein Romzug, doch durfte er 1508 mit päpstlicher Genehmigung den Titel „Erwählter Römischer Kaiser“ annehmen, den seither sämtliche deutschen Könige bis 1806 ab ihrem königlichen Herrschaftsantritt führten. Maximilians Enkel und Nachfolger Karl V. war der letzte deutsche König, der sich 1530 nochmals von einem Papst zum Kaiser krönen ließ – allerdings nicht mehr in Rom (das er 1527 hatte erobern und plündern lassen), sondern in Bologna – als gezielte Demütigung des Papstes, der dorthin reisen musste, statt wie bisher Gastgeber des künftigen Kaisers zu sein. Karls Bruder und Nachfolger Ferdinand I. verzichtete bei Herrschaftsantritt 1556 vollends auf eine päpstliche Krönung, sondern führte mit Zustimmung der Kurfürsten fortan als deutscher König automatisch auch den römischen Kaisertitel. Der päpstliche Protest verhallte ungehört, alle Nachfolger Ferdinands I. handelten bis 1806 ebenso.
Das Römische-deutsche Kaisertum war seit 1438 beim Hause Habsburg geblieben. Dieses erlosch im Mannesstamm 1740 mit dem Tode von Kaiser Karl VI.. Seine Tochter Maria Theresia konnte aufgrund der Pragmatischen Sanktion zwar die habsburgischen Erbländer erwerben, jedoch nicht zur Kaiser gewählt werden, da dieses Amt Männern vorbehalten war. Die Kaiserwürde ging daher zunächst an einen Wittelsbacher, Karl Albrecht von Bayern. Erst nach dessen Tod gelang es Maria Theresia, ihren Mann Franz Stephan von Lothringen zum Kaiser wählen zu lassen (Österreichischer Erbfolgekrieg). Maria Theresia erhob ihren Gemahl auch zum Mitregenten in den Erbländern, wo sein Einfluss aber relativ gering war. Umgekehrt führte Maria Theresia als Gemahlin des Kaisers zwar den ihr zustehenden Titel einer Kaiserin (Imperatrix), nahm aber auf die Reichspolitik kaum Einfluss. Diese vorübergehende Trennung von Kaiserwürde und Oberhaupt der monarchischen Erblande beförderte die Herauslösung der Habsburgermonarchie aus dem Reich, auch als 1765 beider Sohn Joseph II. zunächst seinem Vater, 1780 auch seiner Mutter nachfolgte. Joseph II. war im übrigen der letzte römisch-deutsche Kaiser, der noch eine aktive Reichspolitik betrieb - welche allerdings in der Opposition der Fürsten im Fürstenbund von 1785 mündete. Die Herrschaft der letzten beiden Kaiser, Leopold II. und Franz II. war bereits durch die Französische Revolution und die Auseinandersetzung mit Napoleon überschattet. 1806 schließlich legte Kaiser Franz II. die Krone nieder und erklärte das Reich für erloschen.
Zwischen der Wahl (siehe dazu auch Wahlmonarchie) und ihrer Krönung zum römischen Kaiser trugen diese Monarchen den Titel römischer König. Dieser war auch der Titel des gewählten Thronfolgers eines Kaisers, sofern ein solcher schon zu Lebzeiten des Vorgängers gewählt wurde.
Auch der Titel Augustus (Erhabener) blieb den Herrschern des Heiligen Römischen Reichs erhalten. Allerdings leitete man im Mittelalter das Wort von seiner ursprünglichen lateinischen Verbform augere (für vermehren, vergrößern) her. Daher wird der Titelbestandteil Semper Augustus der römisch-deutschen Kaiser im Mittelalter in der Regel mit Allzeit Mehrer des Reichs übersetzt, in der Neuzeit auch mit Allzeit erhabener Kaiser.
Das französische Kaisertum
Frankreich war seit den Tagen der westfränkischen Karolinger und der seit 987 regierenden Kapetinger, von denen alle später regierenden Dynastien bis zu den Bourbonen und den Orléans abstammten, ein Königreich gewesen. Wenn auch ein westfränkischer Karolinger des 9. Jahrhunderts – Karl II. der Kahle – kurzfristig die römische Kaiserkrone getragen hatte und spätere französische Könige wie Franz I., der langjährige Gegner des Habsburgers Karl V. im 16. Jahrhundert, mit deren Erwerb liebäugelten, hatte Frankreich keine Kaiser-Tradition. Im Jahre 1792 endete mit der Absetzung des Königs in der Französischen Revolution auch die Monarchie.
Im Jahr 1804 versuchte der damalige Militärdiktator Napoléon Bonaparte, seit seinem Putsch von 1799 der 1. Konsul der Französischen Republik, eine neue monarchische Tradition zu begründen. Ähnlich wie der Konsuls-Titel auf antike Traditionen der römischen Republik verwies, nahm auch der von Napoléon Bonaparte 1804 angenommene Kaisertitel (Empereur) auf die antike römische Tradition des Militär-Kaisertums Bezug. Durch die Verklammerung dieses nach-revolutionären französischen Kaisertums mit der 1805 neugeschaffenen Königskrone von Italien (faktisch Nord- und Mittelitalien) knüpfte Napoleon zugleich an karolingische Traditionen an, zumal die italienische Königskrone die alte Langobardenkrone war, die schon Karl der Große getragen hatte. Indem Napoleon sich 1804 in der Kirche Notre Dame in Paris im Beisein des Papstes Pius VII., der jedoch am eigentlichen Krönungsakt nicht mitwirkte, mit eigener Hand zum „Kaiser der Franzosen“ krönte, ging es offensichtlich um eine Synthese aus sakraler Legitimation und individueller Leistungs-Legitimation, wobei allerdings letztere in Form einer „Krönung aus eigener Kraft“ überwog. Dieses napoleonische Kaisertum wurde für zahlreiche postrevolutionäre Militärkaisertümer der Folgezeit (siehe Haiti, Mexiko, viel später noch Zentralafrika, bedingt auch Brasilien) vorbildlich. Selbst die schon erwähnte deutsche Kaiserproklamation von 1871 entbehrte – trotz ihrer letztlich anderen Grundlagen der alten preußischen Militärmonarchie und der bundesfürstlichen Antrags-Fiktion – nicht des Nimbus eines großen militärischen Sieges (ausgerechnet über das napoleonisch-kaiserliche Frankreich).
Das Kaisertum Napoleons I. basierte auf dem Nimbus des siegreichen, genialen Feldherrn. Sobald Napoleon diese Siege nicht mehr garantieren konnte, erodierte die Legitimität seiner Herrschaft, die 1814/15 zweimal gegen eine gesamteuropäische Koalition zusammenbrach. Napoleons Neffe Louis Napoleon Bonaparte, der sich später Napoléon III. nannte, vermochte nach der Revolution von 1848, welche das „Bürgerkönigtum“ der Orléans beseitigt hatte, vom Ruhme seines verstorbenen Onkels zehrend zum Präsidenten der zweiten Französischen Republik gewählt zu werden. 1851 machte er sich durch einen Putsch zum Präsidenten auf Lebenszeit, 1852 proklamierte er am Krönungstag Napoleons I. die Restauration des bonapartistischen Kaisertums. Dieses sogenannte „2. Kaiserreich“ basierte auf großzügiger Förderung des bourgeoisen Kapitalismus bei gleichzeitiger plebiszitärer Einbeziehung katholisch-ländlicher Schichten, doch es basierte daneben ähnlich wie das erste Kaiserreich sehr stark auch auf militärischem Erfolg. Folgerichtig endete auch dieses Militärkaisertum des persönlich wenig militärischen Napoleon III. mit einer militärischen Katastrophe – Frankreichs Niederlage bei Sedan im Deutsch-Französischen Krieg von 1870, die den sofortigen Sturz des gefangenen Kaisers zur Folge hatte.
Das Kaisertum in Österreich
Um zu verhindern, dass Napoleon I. 1804 zu seiner Krönung die Insignien des Heiligen Römischen Reichs benutzte und sich so in dessen altehrwürdige Kaiser-Tradition stellen konnte, hatte der damalige römisch-deutsche Kaiser, der Habsburger Franz II., die Reichskleinodien von Nürnberg nach Wien überführen lassen, wo sie – abgesehen von einer Unterbrechung während der Zeit des Nationalsozialismus, als sie kurzfristig nach Nürnberg zurückkehrten – bis heute in der Schatzkammer der Hofburg aufbewahrt werden. Kaiser Franz II. legte 1806 die Krone des Heiligen Römischen Reiches nieder und erklärte zugleich dieses Reich für erloschen, um eine mögliche Wahl Napoleons zu seinem Nachfolger von vornherein auszuschließen.
Da der Habsburger protokollarisch nicht hinter den anderen europäischen Kaisern – dem „Emporkömmling“ Napoleon und dem russischen Zaren – zurück stehen wollte, hatte er angesichts des zerfallenden Heiligen Römischen Reiches schon im Jahre 1804 den Titel eines erblichen Kaisers von Österreich angenommen. Dieser neugeschaffene Kaisertitel, der mit keinerlei Krönungsakt verbunden war, obwohl eine Kaiserkrone existierte, war eigentlich traditionslos, hob jedoch auf die in weiten Bevölkerungskreisen längst gegebene Identifikation des seit dem 15. Jahrhundert fast ununterbrochen von den Habsburgern geführten römischen Kaisertitels mit ihrem Stammland Österreich ab.
Für ein Jahrhundert bildete der österreichische Kaisertitel fortan die symbolische Klammer für das zunächst Kaisertum Österreich, ab 1867 Österreich-Ungarn genannte habsburgische Vielvölkerreich; insbesondere der lang regierende Franz Joseph I. (1848–1916) wurde zur Personifizierung des "Kaisers" schlechthin. Dessen Großneffe und Nachfolger Karl I., musste 1918 auf die Regierung verzichten und ins Exil gehen.
Der Deutsche Kaiser
„Deutscher Kaiser“ war ab 1871 der Titel des Königs von Preußen in seiner Eigenschaft als Präsidium des Bundes in der föderal organisierten Erbmonarchie des neugeschaffenen Deutschen Reiches (siehe auch Liste der Staatsoberhäupter des Deutschen Reiches). Titelträger waren die drei Hohenzollernkaiser Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. Der Titel erlosch mit der Ausrufung der Weimarer Republik am 9. November 1918 durch Philipp Scheidemann.
Nach dem Sieg Preußens und seiner deutschen Verbündeten über Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg 1870-71 wurde der König von Preußen Wilhelm I. am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert. Dies geschah gegen seinen ursprünglichen Willen, denn unmittelbar davor war es darüber zwischen Wilhelm I. und seinem Ministerpräsidenten Otto von Bismarck zu einer schweren Auseinandersetzung um den exakten Titel gekommen. Da der König sich weniger als Deutscher denn als Preuße verstand, hatte er den Kaisertitel ursprünglich ablehnen wollen, bevorzugte aber im Falle seiner Annahme den Titel „Kaiser von Deutschland“. Dies hätte allerdings als Anspruch auf nicht zum Reich gehörige deutschsprachige Gebiete – etwa Österreichs, der Schweiz und Gebieten in Norditalien – ausgelegt, aber auch als weitreichender Herrschaftsanspruch gegenüber den übrigen deutschen Bundesfürsten gedeutet werden können. Zudem hätte diese Titulatur angedeutet, dass Deutschland Besitz des Kaisers war. Um dieses Konfliktpotenzial von vornherein auszuschalten, bestand Bismarck auf der Titulatur „Deutscher Kaiser und König von Preußen“ und setzte sich schließlich durch. Von vornherein schied der Titel der Kaiserdeputation der Revolution von 1848, „Kaiser der Deutschen“, aus, da dies zu sehr den Aspekt der Volkssouveränität hervorgehoben hätte.
Beim die Proklamation abschließenden Kaiserhoch der auf Schloss Versailles anwesenden deutschen Souveräne – die damit die Zustimmung einer Konstituante wahrnahmen –, sah sich ihr Sprecher, der Großherzog von Baden, also in einem verfassungsrechtlichen und persönlichen Dilemma. Vermutlich von Bismarck beraten, löste er es, indem er das allgemeine Hoch auf den „Kaiser Wilhelm“ ausbrachte.
Da 1871 im Wesentlichen die Verfassung des Norddeutschen Bundes als Reichsverfassung übernommen wurde, hatte der deutsche Kaiser staatsrechtlich nur die Stellung des dortigen Bundespräsidialen, war also eben nicht „Kaiser von Deutschland“, was mit der teilweise beibehaltenen Souveränität der Einzelstaaten (so mit derjenigen der Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg und der freien Städte Bremen, Lübeck und Hamburg) kollidiert hätte.
Der deutsche Kaisertitel war mithin verfassungsrechtlich lediglich ein klingender Name für die eher nüchterne Funktion des preußischen Königs als Präsident des Bundesrates deutscher Fürsten und Freien Städte – dem formell höchsten Verfassungsorgan zunächst ab 1867 des Norddeutschen Bundes und ab 1871 des um Süddeutschland erweiterten Deutschen Reiches. Gleichwohl stellte dieser Kaisertitel für den preußischen Monarchen gegenüber den innerdeutschen Königen von Bayern, Sachsen und Württemberg eine Rangerhöhung dar und führte auf internationaler Ebene zu einer Rangangleichung des preußisch-deutschen Monarchen mit den Kaisern von Österreich und Russland. Ergänzt wurde dieser Titel in dem von Bismarck entworfenen Manifest zur Kaiserproklamation durch einen Rückgriff auf die mittelalterliche Form des „Semper Augustus“. Der neue Kaiser wurde darin bezeichnet als Allzeit Mehrer des Deutschen Reiches, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.
Alsbald gewann der Titel an öffentlicher Bedeutung durch die sich an ihn knüpfende „Reichsromantik“ seit den Freiheitskriegen gegen Napoléon Bonaparte. Namentlich unter dem propagandistisch begabten letzten Deutschen Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) gewann der Kaisertitel gegenüber dem preußischen Königstitel das Übergewicht und wurde zum Symbol der Einheit der Nation.
Politisch jedoch war der deutsche Kaiser als König des weitaus größten Bundesstaates Preußen immer mächtiger als staatsrechtlich. Diese Macht erodierte jedoch unter der langen Regierung Wilhelms II. (1888–1918), der 1917 de facto, wenn auch nicht de jure von der Militärdiktatur der obersten Heeresleitung (OHL) unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff abgelöst wurde.
Sonstige Kaisertitel in Europa
Spanien
Im 11. und 12. Jahrhundert führten die Könige von Kastilien den Titel Imperator totius Hispaniae, mit dem sie ihre Hegemonie über die übrigen christlichen und islamischen Monarchen der iberischen Halbinsel ausdrückten.
Bulgarien
Das byzantinische Vorbild wirkte sich im Hochmittelalter auf größere Reichsbildungen slawischer Völker auf dem Balkan aus, die in offener Konkurrenz zum byzantinischen Kaisertum ebenfalls den Kaiser- bzw. Zarentitel annahmen. Der erste Versuch dieser Art war der des Bulgaren-Chans Simeon I. († 927), der 917 den Titel „Zar der Bulgaren und Griechen“ annahm. Dieses bulgarische Kaiserreich wurde jedoch hundert Jahre später (1018) durch die Byzantiner wieder zerstört. Die Dynastie der Aseniden knüpfte an die Zarentradition 1185 wieder an, doch dieses zweite Bulgarische Reich verlor im 14. Jahrhundert an Macht und Bedeutung, längst bevor es 1393 von den Osmanen erobert wurde. Als das seit 1878 autonome Fürstentum Bulgarien 1908 seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erklärte, nahm der bisherige Fürst Ferdinand I. in Anknüpfung an die mittelalterliche Großreich-Tradition den Zarentitel wieder an. Auch Konstantinopel hätten die Bulgaren im Ersten Balkankrieg von 1912/13 beinahe erobert. Diese überzogenen imperialen Ambitionen konnte Bulgarien jedoch angesichts starker konkurrierender Nachbarn niemals umsetzen, und auch international wurde der Zarentitel nicht anerkannt. Stattdessen firmierten die Herrscher Bulgariens von 1908 bis 1946 gegenüber dem Ausland als Könige.
Serbien
Stattdessen wurde damals das Königreich Serbien zum neuen Herausforderer von Byzanz, dessen Herrscher Stefan Duschan († 1355) im Jahre 1346 demonstrativ den Kaisertitel annahm. Dieses Kaiserreich zerfiel jedoch nach dem plötzlichen Tode seines Gründers rasch, schon bevor die Osmanen die Serben ihrer Herrschaft unterwarfen.
Europäisches Kaisertum außerhalb Europas
Außerhalb Europas kam es im 19. Jahrhundert zu einer Reihe neugeschaffener, oft aus modernen europäischen Traditionen schöpfender Kaisertümer. Alle diese Neuschöpfungen standen im Kontext des europäischen Imperialismus und Kolonialismus.
Haiti
In der Karibik und in Lateinamerika entstanden die im 19. Jahrhundert geschaffenen, meist kurzlebigen Kaisertümer zum einen aus antikolonialistischer Haltung, zum anderen in Anlehnung an das post-revolutionäre Militär-Kaisertum Napoleons I. in Frankreich. Dieser ambivalente Kontext lässt sich zuerst in Haiti beobachten, der bisherigen französischen Kolonie Saint Domingue, die sich in den 1790er Jahren durch einen blutigen Aufstand der bisherigen schwarze Sklaven von der Vorherrschaft der Weißen zu befreien versuchte. Nachdem das revolutionäre Frankreich versucht hatte, Kolonialismus und Sklaverei gewaltsam aufrechtzuerhalten, wurden die Expeditionstruppen Napoleons 1804 letztlich doch zur Kapitulation gezwungen. Der letzte Führer des schwarzen Unabhängigkeitskampfes, Jean-Jacques Dessalines, proklamierte sich – ganz wie sein bisheriger Feind Napoleon I. – im Jahre 1804 zum „Empereur“ Jacques I., wurde aber schon 1806 gestürzt und ermordet. Daraufhin spaltete sich Haiti bis 1820 in einen nördlichen und südlichen Teilstaat, wobei der Herrscher des Nordens, Henri Christophe, zwischen 1811 und 1820 als „König Henri I.“ regierte.
Auch in der 1820 vereinigten Republik Haiti nahm einer ihrer Präsidenten, der seit 1847 regierende Faustin Soulouque, den Kaisertitel an und regierte zwischen 1849 und 1859 als Faustin I., bevor er 1859 ins Exil getrieben wurde. Seither ist Haiti eine (nach wie vor sehr instabile) Republik.
Die Kaiser von Haiti wurden vom Rest der Welt kaum als solche respektiert, ganz ähnlich wie später Jean-Bédel Bokassa in der Zentralafrikanischen Republik.
Mexiko
Ähnliche antikolonialistisch-bonapartistische Ambivalenzen zeigt die Etablierung eines Kaisertums in Mexiko, das nach langjährigem Bürgerkrieg 1821 seine Unabhängigkeit von Spanien erkämpft hatte. Dort gelang es dem Militärführer Agustín de Iturbide, der erst 1820 auf die Seite der Aufständischen gewechselt war, die er zuvor als spanischer Offizier bekämpft hatte, sich 1822 als Agustín I. zum Kaiser („Emperador“, Imperator) zu proklamieren. Bereits nach zehn Monaten wurde diese Monarchie 1823 beendet. Als der abgedankte und exilierte Iturbide 1824 sein Wort brach und nach Mexiko zurückkehrte, wurde er von republikanischen Truppen erschossen.
Das zweite mexikanische Kaiserreich (1863–1867) war die Folge eines Bürgerkrieges zwischen Liberalen und Konservativen und des Bündnisses der letzteren mit einem ausländischen Imperialismus. Im Mai 1863 ließ der französische Kaiser Napoléon III. Mexiko durch seine Truppen besetzen, im Juli 1863 wurde die republikanische Staatsform durch ein Kaiserreich von französischen Gnaden ersetzt. Zum neuen Kaiser wählten die mexikanischen Konservativen 1864 mit Zustimmung Napoleons den österreichischen Erzherzog Maximilian, einen Bruder Franz Josephs I., was die internationale Legitimität des neuen Staates erhöhen und zugleich an die frühere (spanische) Habsburgerherrschaft in Mexiko (bis 1700) erinnern sollte. Da der neue Kaiser kinderlos war, adoptierte er 1865 die Nachfahren seines Vorgängers Iturbide und erklärte dessen Enkel Augustin zum Thronfolger – ein symbolischer Akt der Verschmelzung von alter und neuer Welt. Die gesellschaftliche Basis dieses Kaiserreiches war dennoch viel zu schwach: Als das französische Expeditionskorps 1867 abzog, brach die Herrschaft Maximilians zusammen, die Republik wurde unter Benito Juárez wiederhergestellt, der gefangengenommene Habsburger ebenso wie einst Iturbide standrechtlich erschossen. Der adoptierte Thronfolger, Prinz Agustín de Iturbide y Green, wurde erst 1890 von Präsident Porfirio Díaz verhaftet und enteignet, und verstarb 1925 im US-amerikanischen Exil. Mit ihm erlosch die männliche Linie dieses Kaiserhauses.
Brasilien
Einen interessanten Fall außereuropäischen Kaisertums bildet das Kaiserreich Brasilien. Die bisherige portugiesische Kolonie hatte im Unterschied zu den spanischen Nachbarkolonien Lateinamerikas im Zeitalter Napoleons I. eine ganz eigene Entwicklung genommen: Ähnlich wie in Spanien war Napoleon auch in Portugal einmarschiert und hatte dort das politische System der Kolonialmacht erschüttert, doch anders als der spanischen Königsfamilie war dem portugiesischen Hof (mit britischer Hilfe) 1808 die Flucht in die Übersee-Kolonie Brasilien gelungen. Die auch dort aufkeimenden Unabhängigkeitsbestrebungen gingen daher eine Zeit lang mit der Reformbereitschaft der Monarchie konform: 1815 proklamierte der portugiesische Prinzregent (ab 1816: König Johann VI.) Brasilien zum gleichberechtigten Teil-Königreich eines „Vereinigten Königreiches von Portugal, Brasilien und der Algarve“. Diese an das britische (unter seinen Teilen ebenfalls keineswegs gleichberechtigte) „Vereinigte Königreich“ erinnernde Konstruktion hielt, so lange der königliche Hof in Rio de Janeiro residierte. Doch als König Johann und sein Hof 1821 nach Portugal zurückkehren mussten (wo sie schon lange verlangt wurden), hatte der als Prinzregent in Rio zurückbleibende portugiesisch-brasilianische Kronprinz Peter nur noch die Wahl, von der brasilianischen Unabhängigkeitsbewegung gestürzt zu werden oder sich an deren Spitze zu stellen. Der offenbar durchaus vom südamerikanischen Caudillismo seiner Nachbarstaaten beeinflusste europäische Prinz wählte den zweiten Weg und erklärte sich, indem er seinen Vater absetzte und jede Bindung an Portugal aufhob, als Peter I. zum Kaiser von Brasilien. Insofern war das neue Kaiserreich eine einzigartige Mischung aus bonapartistischer Illegitimität und dynastischer Kontinuität, zumal Peter eine Erzherzogin des ultralegitimistischen Hauses Habsburg heiratete. Noch bemerkenswerter war, dass das Kaiserreich Brasilien sogar den Sturz seines Gründers 1831 überlebte. Peter I. dankte zugunsten seines minderjährigen Sohnes und Thronfolgers Peter II. ab, und auch die Kräfte, die diesen Machtwechsel erzwungen hatten, entschieden sich für den neuen, in Brasilien geborenen Kind-Kaiser als das offenbar beste Symbol staatlicher Einheit und als Mittel zur Bürgerkriegsvermeidung. 1840 übernahm Peter II. persönlich die Regierung, und nur weil er sie klug im Stile eines konstitutionell-liberalen Bürgerpräsidenten zu führen wusste, bestand das Kaiserreich Brasilien ein weiteres halbes Jahrhundert. Der persönlich hochgeachtete Kaiser wurde jedoch alt, seine Tochter und sein französischer Schwiegersohn waren wenig populär, der Fortbestand der Dynastie nach dem Tode des regierenden Kaisers wurde fraglich. Am Ende wurde das brasilianische Kaisertum von den sich zuspitzenden Konflikten zwischen Republikanern und unbeugsamen Konservativen in die Zange genommen, als die in Stellvertretung des abwesenden Kaisers agierende Kronprinzessin Isabella 1888 aus Gewissensgründen die Aufhebung der Sklaverei verfügte und damit einen Keil zwischen Dynastie und konservative Sklavenhalter trieb. Ein Militärputsch zwang Peter II. schon 1889 zur Abdankung und die ganze Dynastie zum Verlassen des Landes. Der Ex-Kaiser starb 1891 im französischen Exil, die von seinem Schwiegersohn abstammende Linie der kaiserlich brasilianischen Prinzen von Orléans-Bragança existiert noch heute.
Indien
Der Zusammenhang mit der europäischen Kolonialherrschaft ist vor allem für das 1876/77 von den herrschenden Briten auf dem Boden des abgelösten Mogulreichs neu gegründete Kaiserreich Indien wichtig, obwohl es auch die Tradition der Großmoguln in sich aufnimmt. Der jeweilige König (oder die regierende Königin) von Großbritannien führte in Personalunion den Titel eines Kaisers (oder einer Kaiserin) von Indien. Dieser Kaisertitel besaß eine doppelte Funktion: Er sollte innenpolitisch die uneinheitliche (teils direkte, teils indirekte) britische Herrschaft in Indien symbolisch verklammern, und er sollte außenpolitisch die Ranggleichheit des britischen Königreiches gegenüber den europäischen Kaiserreichen Russland, Österreich und Deutschland sicherstellen. Erst im Zuge der Teilung des Kaiserreiches Indien in zwei unabhängige Staaten Indien und Pakistan verzichtete der britische König 1948 auf die Führung dieses indischen Kaisertitels.
Nichteuropäische Kaiser
Seit der frühen Neuzeit hat es sich in Europa eingebürgert, auch die Herrscher bedeutender außereuropäischer Reiche als „Kaiser“ zu bezeichnen.
China
China hatte schon früh eine eigene Tradition eines Herrschers, der einen universalen Anspruch hatte. Dieser Anspruch wurde von Seiten der Europäer auch kaum in Frage gestellt.
Japan
Der japanische Titel des Tennō ist ebenso wie der europäische Kaisertitel stark religiös aufgeladen. Die Abschließung Japans bis 1854 machte Überlegungen um Gleichrangigkeit mit europäischen Kaisern bis dahin überflüssig.
Indien
Der Glanz der Moguln in Indien war zur Zeit der intensiven Berührung mit den Europäern schon verflossen, die Gleichrangikeit des Großmoguls mit den europäischen Kaisern stand nicht zur Diskussion. Zum britischen Kaisertum in Indien, das Jahre nach dem offiziellen Ende der Großmoguln 1858 ausgerufen wurde, siehe weiter oben.
Persien
Der Schah von Persien trat ebenfalls erst spät in Kontakt mit Europa. Die europäischen Kaiser waren schon längst Geschichte als Soraya als deutsche „Kaiserin auf den Pfauenthron“ die Regenbogenpresse aufwühlte. Die prachtvolle 2500-Jahrfeier des persischen Kaisertumes fiel ebenso in eine Spätphase, in der die letzten europäischen Monarchen keine Rangstreitigkeiten mehr austrugen. 1979 wurde dann die persische Pahlevi-Dynastie gestürzt, die nur zwei Generationen lang gedauert hatte und auf einen Offiziersputsch zurückging.
Äthiopien
Ebenso wie Persien trat Äthiopien erst spät auf die Weltbühne. Der Negus Negesti („König der Könige“) von Äthiopien begann erst wirklich wahrgenommen zu werden, als es mit der Kaiserherrlichkeit eigentlich schon zu Ende war. 1975/76 wurde auch er gestürzt.
Der Osmanische Sultan
Auch der osmanische Sultan (Osmanisches Reich) konnte spätestens seit dem 15./16. Jahrhundert nicht nur kaiserliche Machtfülle, sondern auch den kaiserlichen Rang beanspruchen. Die Sultan/Kalif-Tradition ist aber eine ganz andere als die europäische Kaisertradition. In arabisch-persisch-türkisch-mongolischer Misch-Tradition standen im offiziellen Titel der osmanischen Herrscher die Bezeichnungen „Sultan“ (auch „Sultan der Sultane“), „Padischah“ (Großkönig) oder „Khan“ (auch „Khan der Khane“) ganz oben. Der Titel Kalif kam ab 1517 dazu, wurde aber erst im 19. Jahrhundert wichtiger. Die Osmanen-Herrscher trugen aber auch den expliziten Titel eines „Kaisers der drei Städte von Konstantinopel, Adrianopel und Bursa“. Entsprechend wurde der osmanische Sultan später auch im diplomatischen Verkehr von den europäischen Mächten als „Kaiserliche Majestät“ anerkannt. Der Sturz des osmanischen Sultanats 1922 und der des Kalifats 1924 beendeten diese Tradition.
Annam
In Südostasien nahmen ab 1806 die bisher als Könige firmierenden Herrscher von Annam Vietnam den Kaisertitel an – mit Genehmigung der Großmacht China, die traditionell die Oberhoheit über das Gebiet beanspruchte. Die nach 1860 eindringenden französischen Kolonialherren übersetzten jedoch den vietnamesischen Kaisertitel ab 1884 gezielt als „König“ und verweigerten ihm damit die Anerkennung. Im Jahre 1945 wurde zugunsten des letzten Kaiser-Königs von Annam, Bao Dai (1926–1945), kurzfristig ein „Kaiserreich Vietnam“ proklamiert, das jedoch nach wenigen Wochen in einen kommunistischen Norden und einen republikanischen Süden (zuerst unter französischer, dann unter US-amerikanischer Hegemonie) geteilt wurde. Exkaiser Bao Dai fungierte 1949–1955 als republikanischer Staatschef von Südvietnam, bevor er ins französische Exil ging.
Korea
Ebenfalls im imperialistisch-kolonialistischen Kontext steht die 1897 erfolgte Annahme des Kaisertitels durch den König von Korea, obschon diese antikolonialistisch gedacht war. Die koreanischen Könige standen traditionell unter der Oberherrschaft der Kaiser von China, doch der Ausgang des japanisch-chinesischen Krieges zwang China 1895, die Unabhängigkeit Koreas anzuerkennen. Dieser Akt sollte aus japanischer Sicht allerdings nur die Vorstufe zur eigenen Kolonisierung Koreas sein, doch zeitweilig bildeten imperialistische Interessen Russlands ein Gegengewicht. Die Annahme des Kaisertitels durch den bereits seit 1864/73 regierenden König Kwang Mu symbolisierte vor diesem Hintergrund das koreanische Streben nach Gleichrangigkeit mit den Herrschern von Japan und China und den ernsthaften Willen zur Bewahrung der Unabhängigkeit. Als Russland 1904/05 von Japan militärisch besiegt wurde, brach jedoch das dazu erforderliche Mächte-Gleichgewicht zusammen. Der koreanische Kaiser musste 1905 das „Protektorat“ des japanischen Tennō akzeptieren und wurde – als zu eigenwillig – 1907 von den Japanern zur Abdankung gezwungen, 1910 setzten die Japaner auch seinen Sohn und Nachfolger Kaiser Hyung Hui ab und machten der Unabhängigkeit des Landes auch formell ein Ende. Die japanische Kolonialherrschaft in Korea dauerte bis zu Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg 1945. Die beiden Ex-Kaiser, von den Japanern 1910 zu Prinzen herabgestuft, verstarben 1919 bzw. 1926 in Korea, ihre Nachfahren leben in Südkorea.
Mandschukuo
Eine japanische Kolonie war auch der 1932 geschaffene, jedoch international kaum anerkannte Staat „Mandschukuo“ (Mandschu-Staat) in der von Japan besetzten chinesischen Provinz der Mandschurei. Dieser Staat, der mit der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg 1945 endete, wobei die Mandschurei ans kommunistische China fiel, wurde 1934 von den Japanern zum Kaiserreich proklamiert. Der Kaisertitel des Staatsoberhauptes ergab sich aus dessen Person – dem ehemaligen (und letzten) Kaiser von China, Pu Yi, der dort als Kinder-Kaiser (unter der Devise „Hsüan Tung“) zwischen 1908 und 1912 „regiert“ hatte und 1917 nochmals (vergeblich) von einem General zum Kaiser proklamiert worden war. Pu Yi hatte bereits 1932 das Amt eines „Regenten“ von Mandschukuo angetreten, das er als Stammland seiner Vorfahren – der chinesischen Mandschu-Dynastie – und damit als sein legitimes Erbe begriff. Während der Kaiser von Mandschukuo (seine neue Devise lautete: „Kang Te“) Wert darauf legte, symbolisch an die chinesische Kaisertradition anzuknüpfen (und damit weiterhin einen Herrschaftsanspruch über ganz China verband), waren die Japaner daran interessiert, das Neuartige des Kaisertums von Mandschukuo herauszustellen. Dieses war faktisch nur eine japanische Marionettenregierung, wenn auch bei einem Staatsbesuch Pu Yis in Japan 1937 Ranggleichheit mit dem japanischen Tenno Hirohito demonstriert wurde. Pu Yi, nach langjähriger sowjetischer und chinesischer Haft zu einem musterhaften Bürger der neuen Volksrepublik China umerzogen, verstarb 1967 in Peking. Seine lesenswerte Autobiografie gab die Vorlage ab für den Bernardo Bertolucci-Film Der letzte Kaiser. Mit Pu Yis Bruder und früherem Thronfolger Pu Dschieh starb 1987 die engste männliche Linie der Qing-Dynastie aus, entferntere Angehörige des ehemaligen Kaiserhauses leben jedoch noch heute in China.
Die Farce des Zentralafrikanischen Kaiserreichs
Als bizarr anmutender Epilog auf die bonapartistische Kaisertradition des 19. Jahrhunderts erscheint das kurzlebige postkoloniale Kaiserreich in der Zentralafrikanischen Republik. Der dort seit 1966 durch einen Putsch zur Macht gelangte Präsident Jean-Bedel Bokassa, ein früherer Unteroffizier der französischen Kolonialarmee, proklamierte sich 1977 zum „Empereur“ und imitierte dabei die Selbstkrönung Napoleons I. mit in Paris hergestellten Krönungsinsignien. Das Kaiserreich dieses Despoten wurde international kaum anerkannt und blieb kurzlebig, bereits 1979 wurde Bokassa gestürzt.
Liste der Kaiserreiche
Europäische Kaiserreiche
- Rom
- Byzanz
- Heiliges Römisches Reich deutscher Nation
- Österreich
- Deutsches Reich
- Bulgarien
- Serbien
- Russland
- 1. Französisches Kaiserreich
- 2. Französisches Kaiserreich
Außereuropäische Kaiserreiche
- China
- Japan
- Äthiopien
- Persien
- Osmanisches Reich
- Indisches Mogulreich
- Haiti
- Brasilien
- Annam (heute Vietnam)
- Mexiko
- Korea
- Mandschukuo
- Zentralafrika
Siehe auch
- Herrscher
- Liste der Referenztabellen#Personen
- Monarchie
- Regierungsform
- Liste der römischen Kaiser (800–924)
- Zweikaiserproblem
Literatur
- Alexander Demandt: Der Fall Roms. Die Auflösung des Römischen Reiches im Urteil der Nachwelt. München 1984.
- Egon Flaig: Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im römischen Reich. (Historische Studien 7) Frankfurt 1992.
- Egon Flaig: Mehrheitsentscheidungen in der Antike. Dynamiken und Risiken. In: Max-Planck-Gesellschaft. Jahrbuch (1997), S. 676–681.
- Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Sp. 851ff. (zum Kaisertum in Byzanz und im Heiligen Römischen Reich, einschließlich weiterführender Literatur).
- Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter (Hrsg.): Die deutschen Herrscher des Mittelalters, Historische Porträts von Heinrich I. bis Maximilian I. Verlag C. H. Beck, München 2003.
Weblinks
Wiktionary: Kaiserin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
Wiktionary: Kaiser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
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