Historische Rechtsschule
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Die historische Rechtsschule oder geschichtliche Schule der Rechtswissenschaft ist eine Richtung der Rechtswissenschaft, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Romantik in Abkehr von der Epoche des Naturrechts oder Vernunftrechts die historische Bedingtheit des Rechts wieder in das Bewusstsein der Juristen brachte.
Sie wurde vornehmlich von Friedrich Carl von Savigny begründet. Die Grundaussage der historischen Rechtsschule ist, dass das Recht nicht als ein willkürlich vom Gesetzgeber geschaffener Bestand an Vorschriften aufzufassen sei, sondern als im Bewusstsein des Volkes lebendige Überzeugungen, ähnlich wie die Sprache oder die Sitten und Gebräuche eines Volkes. Solche Rechtsüberzeugungen könnten zwar auch durch den Gesetzgeber veranlasst werden, entwickelten und veränderten sich aber vor allem ohne dessen Zutun organisch im Laufe der Zeit. Dabei spielen die praktischen sich verändernden Bedürfnisse des Volkes eine tragende Rolle. In einem entwickelten Rechtssystem komme dem Juristenstand – im Sinne der gesellschaftlichen Arbeitsteilung – die Aufgabe zu, das Volksbewusstsein dadurch zu repräsentieren, dass er das geltende Recht auf der Grundlage wissenschaftlicher Arbeit am Recht darlegt und anwendet.
Innerhalb der historischen Rechtsschule konkurrierten die Romanisten mit den Germanisten. Die Romanisten, zu deren Hauptvertretern Savigny gehörte, meinten, dass das rezipierte römische Recht dem Volksgeist entspräche, während die Germanisten (Karl Friedrich Eichhorn, Jakob Grimm, Georg Beseler, Otto von Gierke) das mittelalterliche deutsche Recht von vor der Rezeption als dem deutschen Volksgeist entsprechend ansahen.
Die historischen Rechtsschule hat die deutsche Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts maßgeblich bestimmt. Unter Savignys Nachfolgern Puchta und Windscheid ging aus dem romanistischen Zweig die Pandektenwissenschaft hervor, die auch als Begriffsjurisprudenz gesehen wird. Jhering wandte sich schließlich von der Begriffsjurisprudenz ab hin zu einer an den realen sozialen Anforderungen orientierten Betrachtung des Rechts.
Während die auf der historischen Rechtsschule fußende, mithin geschichtliche Rechtswissenschaft für die Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches, die 1896 vollendet wurde, noch von großem Einfluss war, ist für das gesamte 20. Jahrhundert eine weitgehende Abkehr von den Ideen und Methoden der historischen Rechtsschule zu verzeichnen.
Siehe auch: Vom Beruf unserer Zeit, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, Kodifikation