Hosenrolle
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Als Hosenrolle bezeichnet man in der Theatersprache eine Rolle oder Partie, deren Figur männlich ist, jedoch von einer Frau dargestellt wird. Hosenrollen gibt es im Schauspiel, aber auch in Oper und Operette. Die Bezeichnung bezieht sich dabei darauf, dass die weibliche Darstellerin in Hosen spielt. Meist übernehmen Mezzosoprane solche Partien aufgrund des dunkleren Timbres ihrer Stimme.
Historisch gesehen ist die Hosenrolle in Opern des 19. und 20. Jahrhunderts die Fortsetzung der relativen Geschlechterindifferenz in den Opern des 17. und 18. Jahrhunderts. In dieser Barock-Ära wurden die Männerstimmen Tenor und Bass (Stimmlage) nur in Nebenrollen eingesetzt. Alle Hauptrollen hingegen wurden von Frauen und Kastraten (vor der Pubertät kastrierten Männern) gesungen, weil diese hohen Stimmen vom Publikum als engelsgleich empfunden wurden und auch zu virtuoseren Verzierungen geeignet sind. Dabei kam es durchaus vor, dass der Kastrat die Rolle einer Frau sang und die Primadonna den Helden. Entscheidend war damals der individuelle Stimmklang und sicherlich auch rein praktische Gründe wie etwa die Verfügbarkeit einer Sängerin oder eines Sängers. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verschwanden schließlich die Kastraten von Europas Opernbühnen. Doch die Tradition der "Frau in Hosen" wurde fortgesetzt. So schrieb etwa Vincenzo Bellini die Rolle des Romeo für eine Sängerin. Sein Liebespaar in I Capuleti ei Montecchi besteht also aus zwei Sopranen. Seit dem sind oft die Rollen der "jugendlichen Liebhaber" als Hosenrollen konzipiert worden.
So wie die Kastraten umgab auch die "Frauen in Hosen" immer eine gewisse Ambiguität. Spätestens mit "Erfindung" der Homosexualität in der Zeit um die Jahrhundertwende 19./20. sind diese Hosenrollen deshalb ein erstaunliches Relikt in einer ansonsten strikt auf die Einhaltung der Geschlechterrollen bedachten Kunstform. Dessen ungeachtet ist es Richard Strauss gewesen, der mit Oktavian Graf Rofrano in seinem Rosenkavalier und dem Komponisten in Ariadne auf Naxos Anfang des 20. Jahrhunderts zwei der schönsten, umfangreichsten und romantischsten Hosenrollen überhaupt geschaffen hat. In beiden Fällen steht der junge "Mann" zwischen zwei Frauen.
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[Bearbeiten] Bekannte Hosenrollen
[Bearbeiten] Oper und Operette
- W. A. Mozart, "Die Hochzeit des Figaro": Cherubino
- Gioacchino Rossini, "Semiramide": Arsace
- Gioacchino Rossini, "La Donna del Lago": Malcolm
- Vincenzo Bellini, "i Capuleti e i Montecchi": Romeo
- Karl Haffner und Richard Genée, "Die Fledermaus": Prinz Orlofsky
- Richard Strauss, "Der Rosenkavalier": Oktavian
- Richard Strauss, "Ariadne auf Naxos": Komponist
- Alban Berg, "Lulu": Der Gymnasiast, Ein Groom
- Nikolaus Schapfl, "Der Kleine Prinz": Der kleine Prinz
- Giuseppe Verdi, "Maskenball": Oskar
- Engelbert Humperdinck, "Hänsel und Gretel": Hänsel
- Jacques Offenbach, "Fantasio": Die Titelrolle
[Bearbeiten] Schauspiel
- William Shakespeare, "Der Kaufmann von Venedig": Portia
[Bearbeiten] Film
- "Ein Mann wie Eva": Eva Mattes als fiktiver Rainer Werner Fassbinder
- "Rita Ritter": Annamirl Bierbichler als fiktiver Herbert Achternbusch
- "Viktor und Viktoria": Renate Müller bzw. Julie Andrews in "Victor/Victoria" als Viktor
- "Kevin und Perry... tun es": Kathy Burke als Perry
Film- und Theaterrollen, in denen eine Frau sich nur vorübergehend als Mann verkleidet, werden auch als weibliches Cross-Dressing bezeichnet.
[Bearbeiten] Literatur
- Rauscher, Susanne Sweet Transvestite: Hosenrollen in der Oper, Feministische Studien, 22. Jahrgang, November 2004, S. 263-276
- Benedek, S., Binder, A., Von tanzenden Kleidern und sprechenden Leibern. Crossdressing als Auflösung der Geschlechterpolarität?, Edition Ebersbach Dortmund, 1996, ISBN 3-931782-01-8
- Rauch, B. (Hrsg.), Welche Wonne, welche Lust, Ein anderes Opernbuch, NZZ Buchverlag, Zürich 2001, ISBN 3-8582-3908-9
- Blackmer, C.E., Smith, P.J. (Hg.), En Travesti. Women, Gender Subversion, Opera, Columbia University Press, New York 1995, ISBN 0-2311-0268-2
- Holtmont, A. Die Hosenrolle. Variationen über das Thema das Weib als Mann, Meyer & Jessen Verlag, München, 1925
- Lehnert, G., Maskeraden und Metamorphosen. Als Männer verkleidete Frauen in der Literatur, Königshausen und Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-943-6
- Linhardt, M. Inszenierung der Frau – Frau in der Inszenierung. Operette in Wien zwischen 1865 und 1900, Diss., Hans Schneider Verlag, Tutzing, 1997, ISBN 3-7952-0904-8
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