Jérôme Lalande
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Joseph Jérôme Lefrançois de Lalande (* 11. Juli 1732 in Bourg-en-Bresse, Département Ain/Frankreich; † 4. April 1807 in Paris) war ein französischer Mathematiker und Astronom (zu seinen verschiedenen Namen siehe unten).
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[Bearbeiten] Hochschullehrer und Astronom
In der Himmelskunde wurde Lalande als exzellenter Hochschullehrer und beliebter Publizist bekannt, u.a. durch sein Lehrbuch Traité d'astronomie (1764 und 1771). Seine Methoden zur Bahnbestimmung von Kometen („Lehrbegriff der Astronomie“) veranlassten z.B. 1800 den jungen Kaufmann Friedrich Wilhelm Bessel, doch noch Astronom zu werden.
Lalande förderte seine Studenten nach Kräften, wenn sie ihm - wie Delambre oder Méchain - zur Spitzenforschung geeignet erschienen. Gleichzeitig sagte man ihm Stolz nach, und seine Hässlichkeit war Ziel vieler Karikaturen. Als Pariser Rektor setzte er die Zulassung von Studentinnen durch, und seine Lebensgefährtin wurde die erste Professorin für Astronomie.
Große Verdienste um die Bahnbestimmung von Kometen und erste Anwendungen des Dreikörperproblems machten ihn früh zum angesehenden Mitglied der Pariser Akademie. Obwohl auch als Mathematiker bekannt, beruhen diese Erfolge mehr auf intensivem Einsatz numerischer Rechnungen als auf Innovation. Doch erst 40 Jahre später gelang es Heinrich Olbers, schnellere Methoden zu finden.
Es gelang Lalande 1771, aus weltweiten Beobachtungen der Venustransite 1761 und 1769 eine verbesserte Erdbahn zu berechnen. Sein Wert dieser „Astronomischen Einheit“ von [153 ±1] Mill.km stimmt mit dem heutigen von 149,6 bereits auf 2% überein. Denselben Wert erhielt Encke 1835, während Pingrè auf 142,9 kam. An den Messdaten hatte u.a. James Cooks Endeavour-Expedition in den Pazifik Anteil (Charles Greens Beobachtungen auf Tahiti, Juni 1769).
Lalande war extremer Atheismus; gleichzeitig war er Monarchist und bewunderte die Jesuiten.
[Bearbeiten] Lalandes verschiedene Namen und Studien
Bei den Daten Lalandes treten historisch und im Internet einige Unstimmigkeiten auf. Manche Quellen geben als Lebenszeit 1713-1762 an, und in den ersten 20 Lebensjahren soll er (nach seinem Vater) den Namen Jérôme Le Français getragen haben.
Danach nannte er sich Jérôme Le Français de la Lande. Als die Französische Revolution ausbrach, waren aristokratische Namen nicht opportun. So zog er das „le“ und „la“ zu den Hauptnamen und schrieb sich nun Jérôme Lefrançais de Lalande. Er war - wie man auch as den Namen anderer Mathematiker dieser Zeit erkennt - dabei nicht der einzige.
Ursprünglich ging er in eine Jesuitenschule und wechselte dann in ein Rechtswissenschaft-Studium. Gerade dadurch kam er zur Astronomie, weil er in einem Pariser Hotel Joseph Nicolas Delisle kennenlernte, der dort seine Sternwarte hatte. Die Sterne faszinierten Lalande so sehr, dass er im Zweitstudium die Vorlesungen Delisles und Mathematische Physik bei Pierre Lemonnier belegte.
Trotz engagierter Beobachtertätigkeit als Delisle's Assistent schloss er 1751 - also mit nur 19 Jahren - das Rechtsstudium ab und praktizierte in seiner Heimat Bourg-en-Bresse. Lemonnier hatte freilich andere Pläne mit ihm.
[Bearbeiten] Mentoren und geodätisch-akademischer Disput
Nach anregenden Kontakten zu Maupertuis und Leonhard Euler darf Lalande einige Reduktionen seiner Messungen in den Akademien von Berlin und Paris publizieren. Nach der ehrenvollen Wahl in die Académie des Sciences (1753) taucht unter anderem die Frage der exakten Erdfigur auf. Eine engl. Biografie schreibt darüber:
In order to compute the lunar parallax it was necessary to allow for the fact that the Earth is not a perfect sphere but is flattened at the poles. To do this it was, of course, necessary to know the precise amount by which the Earth differed from a perfect sphere and Lalande disagreed with Lemonnier on the issue. The Paris Academy set up a commission to settle the argument and it decided in favour of Lalande. This certainly did not please Lemonnier and relations between him and Lalande soured.
(Übs.: Um die lunare Parallaxe zu berechnen war es notwendig die Tatsache anzuerkennen, dass die Erde keine perfekte Kugel, sondern an den Polen abgeflacht ist. Daher war es natürlich nötig die genaue Abweichung zu kennen und darüber kam es zwischen Lalande und Lemonier zu einem Disput. Die Pariser Akademie setzte eine Kommission ein, den Streit zu klären und diese entschied zugunsten Lalandes. Dies missfiel Lemmonier sicherlich und sein Verhältnis zu Lalande erkaltete.)
[Bearbeiten] Komet Halley und das Dreikörper-Problem
Nach diesem „Pyrrhussieg“ zog er es vor, sich mit anderem zu beschäftigen - unter anderem als Assistent Clairauts mit einer besseren Bahn für Komet Halley ... Im Zuge dessen stieß er - wie auch Clairaut, d'Alembert und Euler - auf das Dreikörperproblem. Clairaut verschaffte ihm das nötige Rüstzeug, um die Bahnstörungen durch große Planeten berechnen zu können - und er war erfolgreich. Die Fachliteratur ignoriert(e) aber weitgehend die unerhörten Rechenleistungen und -Gaben seiner Helferin, Nicole-Reine Lépaute (1723-88) - obwohl Lalande sie ausführlich würdigte:
Sechs Monate lang rechneten wir von morgens bis nachts .. Die Hilfe Mme Lépautes war so, daß ich ohne sie die enorme Arbeit überhaupt nicht hätte in Angriff nehmen können. Es war notwendig, die Distanz der beiden Planeten Jupiter und Saturn zum Kometen separat für jeden aufeinanderfolgenden Grad über 150 Jahre hinweg zu berechnen. - Auch später kooperierte Lalande öfters mit Mathematikerinnen.
Bei „Halley“ ergaben ungewöhnlich starke Bahnstörungen durch Jupiter, dass der Komet Monate später in die Nähe der Erdbahn kommen würde als angenommen. Charles Messier hatte ihn 1757 vergeblich gesucht; er wurde Ende 1758 von Johann Georg Palitzsch erstmals gesichtet und das Perihel im März 1759 stimmte auf vier Wochen - was einen großen Erfolg für die neuen mathematischen Methoden darstellte. Allerdings stärkte dieser Triumph der „Himmelsmechanik“ - was andere Wissenschaftler weniger positiv fanden - die Tendenzen zu rein mechanistischen Weltanschauungen. Dem Zeitgeist der in Frankreich gerade herrschenden Aufklärung entsprach es allerdings.
Heute weiß man durch andere Methoden (vor allem dank der durch Computer möglichen Numerischen Integration kleiner Schritte), dass Halleys Umlaufzeit sich nicht nur damals um ein Jahr veränderte: ihr Wert, der im Mittel bei 76 Jahren liegt, schwankte in den letzten 2000 Jahren zwischen 74 und 79 Jahren.
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[Bearbeiten] Weitere Stationen von J.J. Lalande
- 1760-1776 Herausgeber von „Connaissance des temps“, des wichtigsten astronomischen Jahrbuchs von Frankreich.
- Unterbrechung während der Französischen Revolution, Vorbereitung von „Monddistanzen“ zu Sternen (Wichtig für die Navigation, siehe Längenproblem).
- Wiederaufnahme der Edition ab 1794 bis zu Lalandes Tod 1807.
- 1762 Nachfolger seines Lehrers Delisle als Astronomie-Prof. am Collège Royale - für volle 46 Jahre.
- Venusdurchgänge 1761 und 1769 - auf aller Welt zu Parallaxen-Messungen genützt (u.a. von Cpt. James Cook) und auch von Lalande bearbeitet.
- 1765-1766 in Italien, Papstaudienz mit der Bitte, Werke von Kopernicus und Galileo vom „Index“ zu nehmen (8-bändige Voyage d'un français en Italie 1769 mit touristischen Details).
- England-Reise, Greenwich und Harrisons berühmte Uhren - die Konkurrenz zu Lalande's Mondtafeln.
- Bekannt durch einige Bücher - von rein wissenschaftlich bis zu Populär-Literatur; 1764 Traité d'astronomie (Lehrbegriff der Astronomie) und weitere 4 Bände 1771-1781,
- ~1780 Delambre bester Student Lalandes (ab 1783 sein Assistent). 1788 schreibt Lalande an Bugge: Msr. Delambre is currently the most able astronomer of any country in the world ... We must encourage so valuable a recruit, and bind him to a science in which he performs prodigious feats without hope of any position .. (Übs.: Herr Delambre ist derzeit der fähigste Astronom aller Länder der Welt ... Wir müssen einen so wertvollen Aspiranten ermutigen und an eine Wissenschaft binden, in welcher er wunderbare Leistungen ohne Aussicht auf irgendeine Position vollbringt ...) Letztere wurde die neue Sternwarte, die ihm L.überschrieb, als D. den Grand Prix 1789 für die exakte Uranusbahn erhalten hatte.
- 1785 Astronomie des dames betont die Bedeutung weiblicher Forscher. Lalandes Lebensgefährtin Louise-Elizabeth-Félicité du Piery wird später erste Astronomie-Professorin. Neuauflagen der dames 1795 und 1806.
- 1791 wird Lalande Rektor des Collège de France, und erstmals Zulassung von Studentinnen.
- 1792 3. Auflage der Traité (hsg. von Delambre: außer wiss. Lehrbuch auch ein Handbuch für Messungen, deren Reduktion und für Messinstrumente.
- 1793 Abrégé de navigation historique, théorétique, et practique, Navigations-Tabellen
[Bearbeiten] Revolution und starker Charakter
- Als Atheist unbehelligt durch die Revolutionsjahre, und weiterer Aufstieg. Heftiger Gegner des Christentums, das er durch Wissenschaft ersetzen will. Erst später wird klarer, dass das zwei verschiedene Lebensbereiche sind.
- Manche scherzen, Lalande sei nur aus Rache Atheist, weil ihn Gott so hässlich gemacht habe. Er wirkt, als sei er sogar stolz darauf.
- Rede gegen übertriebenen Patriotismus und für Nächstenliebe
- Mai 1795 Direktor der Pariser Sternwarte. Erster Sternkatalog mit 30.000 Sternen 1997 erweitert auf 41.000 (illegitime Tochter Amélie Harlay und Cousin Michel werden Mitarbeiter)
- 1801 Histoire céleste française und Anhang mit 47.000 Katalogsternen.
- 1799 Wörterbuch für Atheisten - in das er später Napoleon aufnimmt, obwohl dieser die Partnerschaft der Kirche sucht und vom Papst gekrönt wird. Kritik der Akademie an dieser Aktion weist Lalande im Namen der Freiheit zurück.
Lalandes Stolz, intensive Lebensart und Hässlichkeit gaben Anlass zu diversen Aussagen. Im 1.Weblink ist z.B. zu lesen:
- He was an extremely ugly man, and proud of it. His aubergine-shaped skull and shock of straggly hair trailing behind him like a comet's tail made him the favourite of portraitists and caricaturists. He claimed to stand five feet tall, but precise as he was at calculating the heights of stars he seems to have exaggerated his own altitude on earth. He loved women, especially brilliant women, and promoted them in word and deed.
- (Übs.: Er war ein äußerst hässlicher Mann und stolz darauf. Sein auberginenförmiger Schädel und langer Haarschopf, der ihm wie ein Kometenschweif folgt, machten ihn zum Favoriten von Porträtisten und Karikaturisten. Er behauptete fünf Fuß [c.a. 1,52 m] groß zu sein, aber so genau er auch bei der Berechnung der Entfernung zu Sternen war, so scheint er doch seine eigene Höhe über dem Boden übertrieben zu haben. Er liebte Frauen, vor allem geistvolle Frauen, und förderte sie durch Wort und Tat.)
- Zeitgenossen vermerken Widersprüchliches: Freidenker und Monarchist (später für Napoleon), Atheist und Verehrer der Jesuiten, übertriebener Stolz (z.B. I thought I possessed all the human virtues (Übs.: Ich glaube alle menschlichen Tugenden besessen zu haben)).
Doch auch heiteres wird berichtet. Der Dichter Voltaire mochte keine Katzen und lästerte immer, dass sie die Aufnahme unter die 33 Sternbild-Tiere nicht geschafft hatten. Um Voltaire zu ärgern, kreierte Lalande in seine Himmelskarte ein Sternbild „Felis“ und schrieb: „Diese Figur soll an der Sternenkarte kratzen.“
Das tat sie freilich nur für kurze Jahre, dann wurde „Felis“ als überflüssig aus den Himmelskarten entfernt. Hingegen entschied der Astronomenkongress 1798 in Gotha (s. Franz Xaver von Zach und Johann Elert Bode), dass der von Lalande ebenfalls vorgeschlagene „Aerostat“ bleiben solle.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Jérôme Lalande im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ausführliche und prägnante engl. Biografie bei MacTutor (doch Jahresfehler bei Komet Halley)
- Astronominnen: Nicole-Reine Lépaute (1723-1788)
Personendaten | |
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NAME | Lalande, Jérôme |
ALTERNATIVNAMEN | Lalande, Jérôme Lefrançais de |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Mathematiker und Astronom |
GEBURTSDATUM | 11. Juli 1732 |
GEBURTSORT | Bourg-en-Bresse, Département Ain/Frankreich |
STERBEDATUM | 4. April 1807 |
STERBEORT | Paris |