Kalifatsstaat
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Kalifatsstaat heißt eine islamistische Organisation, die 1994 auf einer Veranstaltung in Köln ausgerufen wurde. Er ging aus dem Verband islamischer Vereine und Gemeinden (ICCB) in Deutschland hervor, der sich 1984 von der islamistischen Organisation Milli Görüş abspaltete. Der Führer war zunächst Cemaleddin Kaplan, der den Beinamen "Khomeini von Köln" hatte. Nachfolger wurde 1995 sein Sohn Metin "Müftüoğlu" Kaplan. Metin Kaplan nannte sich selbst "Müftüoğlu" ("Sohn des Muftis"), da er - wie sein Vater, der sich "Hocaoğlu" ("Sohn des Hodschas") nannte - den Nachnamen "Kaplan" ("Tiger") ablehnte. Unter Metin Kaplan kam es zu einer weiteren Radikalisierung der Vorstellungen. Im Kalifatsstaat kam es häufiger zu internen Auseinandersetzungen. In Berlin residierte zeitweise ein Gegenkalif, Ibrahim Sofu. Er wurde, nachdem Kaplan öffentlich zum Mord an ihm aufrief, am 8. Mai 1997 ermordet.
[Bearbeiten] Ideologie
Das Weltbild des Kalifatsstaats ist geprägt von einer ausgesprochenen Dichtonomie. Die Geschichte der Menschheit wird als Kampf zwischen Gut und Böse betrachtet: ein Kampf zwischen hak und batıl, dem Wahren und dem Nichtigen, zwischen iman und küfür, Glauben und Unglauben, zwischen tevhid und şirk, Monotheismus und Polytheismus, zwischen müstekbirler und müstazaflar, Unterdrücker und Unterdrückten, zwischen der hizbullah und der hizbüşşeytan, der "Partei Gottes" und der "Partei des Satans". Zur Illustration dieser Weltsicht werden koranische (und biblische) Vorbilder angeführt. Dazu gehören der Pharao (Firavun) als tyrannischer Herrscher, sein Handlanger Haman, Korah (Karun), der das System mit seinem Geld unterstützt, und Bileam (Bel'am), ein weiterer Handlanger. Ziel des Kalifatsstaats ist die Errichtung eines auf der Scharia gegründeten islamischen Staatswesens. Als Vorbild dient das Kalifat, in dem die religiöse und politische Macht bei einem Kalifen vereint ist.
Im Dezember 2001 wurde der Kalifatsstaat verboten. Die Mitglieder stehen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Als Folge der weiteren Beobachtung kam es am 19. Dezember 2002 zum Verbot weiterer Vereine, die als Nachfolgeorganisationen gelten. Metin Kaplan wurde nach seiner Abschiebung in der Türkei vor Gericht gestellt und im Jahre 2005 wegen des Versuchs "die verfassungsmäßige Ordnung mit Gewalt zu stürzen" zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt.