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Kanon (Musik)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Unter Kanon versteht man in der Musik in erster Linie die Form des sog. strengen Kanons, bei dem die Stimmen einander zeitversetzt imitieren. Allgemeiner betrachtet leiten sich in einem Kanon aus einer notierten Stimme eine oder mehrere weitere simultan erklingende Stimmen ab.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Ursprünglich bedeutete der lateinische Terminus Canon in der mittelalterlichen Musiktheorie keine musikalische Gattung, sondern - ganz dem Wortsinn entsprechend - eine Anweisung. Solche Anweisungen dienten entweder dazu, Einzelstimmen von Kompositionen - eventuell transformiert - zu wiederholen oder auch weitere Stimmen aus ihnen abzuleiten. Der Kanon als Gattungsbegriff entwickelt sich erst im Laufe des 16. Jahrhunderts. Vorher existiert zumindest für den strengen Kanon der Terminus Fuga. Der erste überlieferte Kanon „Sumer is icumen in“ stammt aus dem England des 13. Jahrhunderts. Höhepunkte der Kunstfertigkeit erreichte der Kanon in der Vokalpolyphonie der Niederländer im 15. und 16. Jahrhundert sowie in der Barockmusik, insbesondere bei Johann Sebastian Bach (z.  B. „Das Musikalische Opfer“). Dabei wurde der Kanon zu dieser Zeit als Sonderfall (gebundene Fuge bzw. fuga ligata im Gegensatz zur freien Fuge bzw. fuga libera) der Fuge angesehen . Wolfgang Amadeus Mozart schrieb sehr kunstvolle Kanons. Großer Beliebtheit erfreuen sich Kanons aller Arten heute in den Gesängen von Taizé.

[Bearbeiten] Notation

Der allgemein bekannte strenge Kanon wird üblicherweise als einzelne Melodiezeile notiert; die Einsätze der nachfolgenden Stimmen werden an den betreffenden Stellen mit 1., 2., 3. usw. gekennzeichnet.

In früheren Jahrhunderten (z. B. bei Palestrina) wurde hierfür ein spezielles Kanonzeichen, das signum congruentiae, verwendet (siehe nebenstehendes Bild).

[Bearbeiten] Arten

  • Die bekannteste und häufigste Form ist der strenge Kanon, bei dem eine oder mehrere abgeleitete Stimmen zeitlich versetzt und eventuell auf anderen Tonstufen einsetzen. Neben dem endlichen Kanon gibt es auch Sätze, welche quasi unendlich wiederholt werden könnten. Man spricht hier von einem Ringkanon. Moduliert die Melodie mit jedem weiteren Durchlauf in eine andere Tonart handelt es sich um einen Spiralkanon.
  • Ein Zirkelkanon wird in einem kreis- bzw. ringförmigen Notensystem notiert, um den endlosen Ablauf zu verdeutlichen. Dabei ist es möglich, dass die zweite Stimme in Gegenbewegung, also mit entgegengesetzter Leserichtung einzusetzen hat und/oder einen anderen Notenschlüssel vorgezeichnet bekommt.
  • Erscheinen die Notenwerte einer abgeleitete Stimme vergrößert bzw. verkleinert, so spricht man von einem Augmentations- bzw. Diminutionskanon. Diese Technik entwickelte sich aus den Möglichkeiten der Mensuralnotation, in welcher sich durch die Kombination verschiedener Mensurzeichen verschiedene Verhältnisse zwischen den Stimmen herstellen lassen. Hier nennt sich das Phänomen Mensur- oder Proportionskanon, wobei es sich nicht immer um eine rein proportionale Ableitung handeln muss, sondern bisweilen auch ausgenützt wird, dass Noten unter bestimmten Mensuren zwei- oder dreizeitig sein können. In der Regel enden die am langsamsten fortschreitenden Stimmen, sobald das gesamte musikalische Material der schnelleren Stimmen erklungen ist. Besonders bekannte Beispiele sind in der Renaissance das 2. Agnus Dei aus der „Missa L'homme armé super voces musicales“ von Josquin Desprez sowie die „Missa Prolationum“ von Johannes Ockeghem. Aber auch spätere Komponisten - so etwa J. S. Bach im „Musikalischen Opfer“ - schrieben Proportionskanons. Ein modernes Beispiel ist Arvo Pärts „Cantus in memory of Benjamin Britten“ (1977).
  • Ein Krebskanon (oder Kreuzkanon) liegt vor, wenn eine Stimme die Melodie vorwärts, die andere Stimme sie rückwärts vorträgt.
  • In einem Spiegelkanon (auch Inversions- oder Intervallumkehrungskanon genannt) erscheinen die Intervalle der notierten Stimme in der Ableitung gespiegelt. Das bedeutet, wenn die notierte Stimme z. B. einen Terzschritt nach oben macht, muss die abgeleitete Stimme einen solchen nach unten ausführen.
  • Kombiniert man die beiden zuletzt genannten Techniken, so erhält man einen Spiegelkrebskanon. Bei der Notation ist es möglich, dass die Sänger oder Spieler einander gegenübersitzen und in den entgegengesetzten Ecken des selben Notenblattes zu beginnen haben.
  • Laufen mehrere Kanons gleichzeitig ab, so entsteht ein Mehrfachkanon. Je nach der Anzahl der übereinander gelagerten Kanons spricht man von Doppelkanon, Tripelkanon, Quadrupelkanon etc. Extrembeispiele für diese Technik sind zwei Quadrupelkanons: das 24-stimmige „Qui habitat in adjutorio“ von Josquin (je 6 aus 4 notierten Stimmen) und das 36-stimmige „Deo Gratias“ von Ockeghem (je 9 aus 4 notierten Stimmen). Auch von Mozart ist mindestens ein Mehrfachkanon überliefert, in dem drei vierstimmige Chöre hintereinander einsetzen.
  • Gibt es verschiedene Möglichkeiten, einen Kanon aufzuführen, handelt es sich um einen polymorphen Kanon.
  • Bei einem Rätselkanon wird nur das musikalische Material in einer Zeile notiert, aber Kanonart und Einsätze müssen von den Ausführenden selbst herausgefunden werden. Dabei ist es üblich, dass dem Rätselkanon ein ebenfalls rätselhafter textlicher Hinweis beigegeben ist.

[Bearbeiten] Berühmte Kanones

Kürzester dreistimmiger Kanon
Kürzester dreistimmiger Kanon
  • Das (sehr einfache) Kinderlied Frère Jacques („Bruder Jakob“)
  • Der „Canon“ von Johann Pachelbel, ein durchkomponierter Kanon von drei Violinen über einem Generalbass-Ostinato
  • Der kürzeste dreistimmige Kanon auf den Text „Amen“ (Noten siehe rechts) ist eine alte Weise aus dem englischsprachigen Raum. Wenn alle drei Stimmen eingesetzt haben, entsteht ein permanenter Wechsel zwischen F-Dur und e-Moll.
  • Kookaburra

[Bearbeiten] Medien

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

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