Kohlebürste
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Kohlebürste ist ein Gleitkontakt in Motoren und Generatoren. Sie besteht meistens aus Graphit und stellt über Schleifringe oder Kollektoren den elektrischen Kontakt zum rotierendem Teil der Maschine (Rotor) her. Abhängig vom Einsatzfall werden sie zumeist aus kohlenstoffhaltigen Rohstoffen hergestellt, teilweise mit metallischen Komponenten.
Schon über einhundert Jahre alt, ist diese Technik der Stromübertragung auch heute noch längst nicht überholt. Kohlebürsten sind nach wie vor in sehr vielen elektrischen Motoren auf der Welt zu finden. Angefangen von Kleinmotoren in Automobilen, Waschmaschinen, Staubsaugern, Küchengeräten, Haartrocknern, Rasierapparaten oder Elektrowerkzeugen für Profis und Heimwerker reicht das Spektrum bis hin zu großen Übertragungssystemen in Lokomotiven und jüngst verstärkt auch in Windkrafträdern. Entsprechend vielfältig sind die räumlichen und elektrischen Dimensionen der Kohlebürsten. Während die kleinsten Varianten in Spielzeugen nur wenige Gramm wiegen und die Übertragung von wenigen mA übernehmen, werden für die Übertragung von bis zu 1000A in der Galvanik Kohlebürsten mit einem Gewicht über 2kg eingesetzt.
Die Bezeichnung Kohlebürste leitet sich historisch von den Pinselbürsten ab, die man früher anstelle von Graphit als Gleitkontakt verwendete. Da die Zusammensetzung von Kohlebürsten praktisch auf jeden Elektromotor hin abgestimmt werden muss, ist ihr Entwicklungsaufwand relativ hoch. Daher werden Kohlebürsten weltweit nur von wenigen spezialisierten Unternehmen entwickelt.
[Bearbeiten] Herstellung
- Mischung der Komponenten:
- Naturgraphit; Elektrographit, Kupfer als Leitungsverbesserer, seltener andere Metalle (Fe, Mo, usw.) sowie Bindemittel in Form von Pech, Harzen oder Kunstoffpulvern, Schleifmittel meistens SIO2
- Verpressen des Pulvers in eigenen Pressen unter definiertem Druck, in einer eigenen Form mit Ober- und Unterstempel. Für Massenartikel werden Fertigpress-Technologien mit eingepresstem Stromseil bevorzugt. Für kleinere Stückzahlen werden die Kohlebürsten aus Blöcken mechanisch herausgearbeitet.
- Glühen der gepressten Kohlebürsten oder Blöcke unter Sauerstoffausschluss und genau definierter Brandkurve bei bis zu 1200°C. Dabei "verkokt" das enthaltene Bindemittel und verbindet die Inhaltsstoffe.
- Für spezielle Werkstoffe erfolgt durch induktives Aufheizen eine weitere Temperaturbehandlung bei bis zu 3000°C. Dabei werden die Werkstoffe in künstlichen Graphit, so genannten Elektrographit, umgewandelt.
- Bei Mischungen, die eine hohe Brandtemperatur verlangen (Cu-frei), wird die Litze (Kabel) nachträglich eingestampft, da auch die Cu-Litze ab gewissen Temperaturen zu Verfärbungen (Strukturveränderung/-schwächung) und Reaktionen mit den Sintergasen neigt.
- Anschließende Nachbehandlungen wie Imprägnierungen mit Wachsen, Ölen, Harzen und Metallen, lassen eine weitere Anpassung der Werkstoffeigenschaften an die spezifischen Erfordernisse zu.
- Nachschleifen auf Maß: Kohlen unterliegen im Einbauzustand einer engen Toleranz und müssen meistens (in Motorachsrichtung radial und tangential gesehen) nachträglich auf Maß geschliffen werden, da beim Brand ein gewisser Verzug und Schrumpfung auftritt. Das Stromseil wird anschließend in diesen Kohlebürsten mit einem Stampfprozess befestigt.
Der Weltmarkt für Kohlebürsten wird von den drei Unternehmen Schunk Kohlenstofftechnik (D), Carbone Lorraine (F) und Morgan Crucible (GB) dominiert. Daneben gibt es aber auch viele mittelständische und kleine Hersteller.
[Bearbeiten] Anwendungen
Grundsätzlich werden vom Aufbau und ihren elektrischen Eigenschaften zwei Typen unterschieden:
- Kohlebürsten für Gleichstrommotoren: Haupteinsatzgebiet Automobilindustrie (Starter, Wischer, alle Arten von Stellmotoren, Innenraumlüfter, Kühlerlüfter, [Benzinpumpen] und in Alternatoren)
- Kohlebürsten für Wechselstrommotoren: v.a. für Haushaltsgeräte wie Staubsauger, Mixer usw., solche Bürsten sind meistens kupferfrei.
Insbesondere in der Automobilindustrie werden hohe Anforderungen and Kohlebürsten gestellt: Die Bürsten werden vom Motorhersteller auf eine gewisse Lebensdauer hin getrimmt, die in umfangreichen Vorversuchen nachgewiesen werden muss. Kohlen für Anlasser müssen heute ca. 40.000 Startzyklen aushalten und werden in umfangreichen Zusatztests geprüft: Salzwasserspraytest, Wärme- und Kältetests, Staub- und Überspannung usw. Jedes Unternehmen hat eigene, genormte Testverfahren, die den extremen Alltagseinsatz simulieren und die zuverlässige Funktion des Elektromotors in der Praxis gewährleisten sollen.
Bei Kraftstoffpumpen wird bei Neuentwicklungen (ca. seit 2000) auch der Kommutator aus Graphitwerkstoffen verwendet. Grund dafür sind die günstigen elektrischen Eigenschaften und erhöhte Lebensdauer durch Selbstschmierung der im Kraftstoff laufenden Bauteile.
Kein Haushaltsgerät ist ohne Kohlebürste vorstellbar. Neben der Standzeit der Kohlebürsten, wie z.B. geforderte 4000 Waschzyklen bei Waschmaschinen, stehen auch hier Geräuschverhalten und besonders die Funkentstörung im Fokus. Schließlich darf der Fernsehempfang nicht durch einen laufenden Staubsaugermotor beeinträchtigt werden. Nur speziell angepasste Kohlebürstenwerkstoffe, teilweise mit aufwändigen Nachbehandlungen, erfüllen diese Anforderungen. Neben dem Kohlebürstenwerkstoff hat auch das das Design der Kohlebürste entscheidenden Einfluss auf das Verhalten des Gleitkontakts.
Gleichstrommaschinen mit Kohlebürsten haben im 20. Jahrhundert einen großen Teil zur industriellen Revolution beigetragen. Auch heute noch ist z.B. die Fertigung von Stahlblechen, etwa für Autos, ohne große Gleichstromantriebe mit Leistungen bis zu 10MW nicht möglich. Nach der Ausmusterung von Dampflokomotiven sorgten elektrische Lokomotiven mit Kohlebürsten für den Personen- und Gütertransport. Der öffentliche Personennahverkehr vertraute lange Zeit auf Gleichstromantriebe. Papier, Kunststoff und Gummi, Zement, Strom etc. gäbe es nicht ohne elektrische Antriebe mit Kohlebürsten. In modernen Windturbinen leisten heute moderne, angepasste Werkstoffe ihren Beitrag zur umweltfreundlichen Energieerzeugung.
Bei vielen Anwendungen spielt nicht nur der Verschleiß der Kohlebürste eine Rolle. Kohlebürsten müssen das Gegenlaufmaterial wie Kommutator oder Schleifring schonen, da deren Austausch deutlich kostspieliger ist, als der Austausch des Verschleißteils Kohlebürste. Der Austausch verschlissener Kohlebürsten eines Gerätes setzt dessen Lebensalter aber nicht wieder einfach auf null, weil auch der Kommutator oder die Schleifringe (bei Alternatoren/Generatoren) verschleißen.