Leo Lippmann
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Leo Lippmann (* 26. Mai 1881 in Hamburg; † 11. Juni 1943 ebd.) war ein einflussreicher Hamburger Jurist und Staatsrat in der Finanzbehörde, der sich während der Zeit der Weimarer Republik große Verdienste um die Hamburger Finanzen erwarb. Lippmann wurde im März 1933 ohne gesetzliche Grundlage beurlaubt und im April aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Staatsdienst entlassen.[1] Seit 1935 im Vorstand der jüdischen Gemeinde tätig, nahm er sich 1943 zusammen mit seiner Frau Anna Josephine am Vorabend seiner Deportation in das KZ Theresienstadt das Leben.[2]
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[Bearbeiten] Leben
Lippmann stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus und verbrachte seine Kindheit und Jugend in Hamburg. Er ging auf das Johanneum, welches er 1899 erfolgreich mit dem Abitur abschloss. Im selben Jahr immatrikulierte er sich in München für Rechtswissenschaften. Nach Stationen in Berlin und Kiel schloss er sein Studium erfolgreich in Jena mit der Promotion ab. Von 1903 bis 1906 folgte die Referendariatszeit in Hamburg. Am 10. Oktober 1906 wurde Lippmann auf besonderen Wunsch von Bürgermeister Johann Georg Mönckeberg in einem neu eingerichtete Referat in der Finanzdeputation eingestellt. Lippmann war bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor allem für Enteignungen von Grundstücken für den Bau der U-Bahn zuständig.
Während des Krieges wurde Lippmann in die Kriegsversorgungs-Kommission berufen, die ab 1916 zum Kriegsversorgungsamt wurde. Er war dort der höchste Beamte und leitete das Amt. Diese Einrichtungen koordinierten die gesamte Lebensmittelversorgung Hamburgs während des Krieges. Lippmann arbeitete dort vor allem unter Senator Arnold Diestel, der ihn in den nächsten Jahren sehr förderte. Lippmann lernte aber während seiner Tätigkeit im Kriegsversorgungsamt auch andere Hamburger Politiker kennen, die zukünftig eine wichtige Rolle spielen sollten, unter anderen den Senator Justus Strandes, die damaligen Bürgerschaftsabgeordneten Carl Petersen, Emil Krause sowie den Gewerkschaftsfunktionär Karl Hense. Diese nach der Novemberrevolution einflussreichen Politiker ermöglichten es Lippmann, seine Karriere fortzusetzen.
Nach dem Krieg wurde Lippman im Juni 1919 zum Oberregierungsrat ernannt und am 12. März 1920 zum Senatsekretär erwählt und gehörte dem Senat als nicht stimmberechtigtes Mitglied an (→Hamburger Senat 1919-1933.[3] Lippmann ist der erste nicht zum Christentum übergetretene und getaufte Jude, die diesen Titel erlangte, und der bislang einzige. Mit der neuen Hamburger Verfassung vom 7. Januar 1921 wurde der Titel Senatsekretär abgeschafft. Lippmann selbst wurde am 24. Juni 1920 Staatsrat; dieses Amt hatte er bis zu seiner Entlassung 1933 inne. Lippmann war vor allem zu verdanken, dass die Hamburger Finanzen während der Weltwirtschaftskrise nicht vollends zusammenbrachen; er führte auch die Finanzverhandlungen im Reichsrat. Lippmann hatte die Aufsicht über die Oper und galt als „leidenschaftlicher Förderer“ aller zehn Hamburger Bühnen.[4]
Am 14. März 1933, sechs Tage nach dem Machtwechsel, wurde Lippmann vom nationalsozialistischen Bürgermeister Carl Vincent Krogmann beurlaubt und am 23. Juni 1933 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 entlassen.[5] Lippmanns Bericht dazu offenbart seine verhängnisvolle Fehleinschätzung, als er vor der Machtergreifung den Zusicherungen prominenter Nationalsozialisten glaubte und mit ihnen vertrauensvoll zusammenarbeitete:
- „Bei der Schilderung meiner Entlassung aus dem Staatsdienst, die nur deshalb erfolgte, weil ich Jude bin, und die auch nur so begründet wurde, habe ich dargelegt, wie ich mich früher immer dafür eingesetzt hatte, den Nationalsozialisten in den Hamburger Behörden, insbesondere in der Finanzdeputation, uneingeschränkt Gelegenheit zur Mitarbeit am Staatsleben zu geben. Ich habe erwähnt, wie führende Männer des Nationalsozialismus in Hamburg, insbesondere Ahrens und von Allwöhren, vertrauensvoll mit mir zusammenarbeiteten. [...] Dabei haben sie mir ihr und ihrer Partei Vertrauen ausgesprochen und wiederholt erklärt, sie erwarteten meine Bereitwilligkeit, im Amt zu verbleiben [...] sie seien überzeugt, ihre Partei werde späterhin ihre Einstellung zur Judenfrage abschwächen.“ [6]
Lippmann war ab November 1935 für die Jüdische Gemeinde Hamburg tätig und wurde 1937 zu deren Stellvertretendem Vorsitzenden gewählt. Als die Gemeinde sich 1939 zum jüdischen Religionsverband umformen musste, wurde Lippmann ihr Vorsitzender. Lippmann lehnte in all der Zeit die ihm gebotenen Möglichkeiten zur Auswanderung ab. Er erlebte die Deportationen der Mehrzahl der Mitglieder seiner Gemeinde. Als am 10. Juni 1943 die Gestapo die Büroräume besetzte, in denen der jüdische Religonsverband tätig war, und ihm seine am nächsten Tag geplante Deportation nach Theresienstadt mitteilte, nahm er sich zusammen mit seiner Frau Anna Josephine, von ihm vorbereitet, das Leben.
[Bearbeiten] Ehrungen
- 2006 wurde der große Saal der Finanzbehörde am Gänsemarkt in Leo-Lippmann-Saal umbenannt[7]
[Bearbeiten] Werke
- Lippmann, Leo: Mein Leben und meine amtliche Tätigkeit. Erinnerungen und ein Beitrag zur Finanzgeschichte Hamburgs. Aus dem Nachlass hrsg. von Werner Jochmann, Hamburg 1964.
[Bearbeiten] Quellenangaben
- ↑ Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg (Hrsg.): Hamburg im „Dritten Reich.“ Göttingen 2006, ISBN 3-89244-903-1, S. 156
- ↑ Daten aus Lippmann: Mein Leben
- ↑ Lippmann: Mein Leben, S. 260 und S. 289
- ↑ Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hrsg.): Das Jüdische Hamburg. Göttimngen 2006, ISBN 3-8353-0004-0, S. 168
- ↑ Lippmann: Mein Leben, S. 620 - 624
- ↑ Zitat aus Maike Bruhns u.a. (Hrsg.): Als Hamburg "erwachte". (Ausstellungskatalog des Museumspädagogischen Dienstes) Hamburg 1983, S. 60
- ↑ siehe http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/finanzbehoerde/wir-ueber-uns/leo-lippmann-saal/historie-lippmann.html
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Leo Lippmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten | |
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NAME | Lippmann, Leo |
KURZBESCHREIBUNG | Hamburger Staatsrat der Finanzbehörde |
GEBURTSDATUM | 26. Mai 1881 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | 11. Juni 1943 |
STERBEORT | Hamburg |