Lunfardo
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Lunfardo ist eine Art spanischer Dialekt oder Argot (Soziolekt), welcher gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den unteren Bevölkerungsschichten, wie zum Beispiel den porteños (Hafenarbeiter) in und um Buenos Aires entstand. Es wird angenommen, dass der Lunfardo in den Gefängnissen seinen Ursprung nahm, wo Inhaftierte Ausdrücke kreierten, die nur von ihnen verstanden werden sollten.
Den Neuankömmlingen war es zur Zeit der großen argentinischen Einwanderungsschwemme kaum möglich, reines Spanisch oder oder das argentinische Spanisch der gebildeten Oberschicht zu hören, geschweige denn zu lernen.
Hatte man um 1853 noch versucht, durch gezielte Maßnahmen das weite Land mit Menschen europäischen Ursprungs zu bevölkern um "...die Erde zu bearbeiten, die Industrien zu unterstützen und die Wissenschaften und Künste einzuführen" (aus Artikel 25 der Konstitution von 1853), war die Zahl der Bevölkerung zu Beginn des ersten Weltkrieges, der die Einwanderungswelle stoppte, von 1.300.000 im Jahre 1859 auf 7.885.237 angewachsen.
Es waren aber nicht die erhofften Intellektuellen, Akademiker und Industriellen gekommen, sondern Menschen, vorwiegend Männer, aus bäuerlichen Berufen, für die es im feudalen System der Großgrundbesitzer keinen Platz und keine Arbeit gab. Die meisten von ihnen blieben aus Mangel an Alternativen in der Nähe des Hafens von Buenos Aires, wo sie angekommen waren. Arbeitslosigkeit, Heimweh, Armut, Verzweiflung, extremer Frauenmangel und massive Kommunikationsprobleme bilden die Gemeinsamkeit der neuen Unterschicht, in die sich auch die mittlerweile ebenfalls arbeitslos gewordenen Gauchos einreihten.
Viele Ausdrücke stammen aus den Sprachen der diversen Einwanderer (italienisch, englisch, portugiesisch, polnisch etc.). Andere stammen aus dem Wortschatz der Gauchos beziehungsweise der schwarzen Bevölkerung Argentiniens. Vielfach handelt es sich auch um Metaphern und sehr bildhafte Ausdrücke.
Eine weitere typische Quelle neuer Wörter ist das Vesre. Hier wird die Reihenfolge der Silben vertauscht. Diese Wortspielerei findet sich auch in der französischen Umgangssprache als Verlan. Manche dieser Worte werden so geschickt eingesetzt, daß sie mit und ohne Silbenumkehr verstanden werden können und einen doppeldeutigen Text ergeben. Zum Beispiel sacar (wegnehmen) und casar (heiraten).
Lunfardo eignete sich offenbar so gut zu geheimen Absprachen und zur Abgrenzung von der Oberschicht, das es zeitweilig verboten wurde, wenn auch ohne großen Erfolg.
Heute werden Ausdrücke in Lunfardo vorwiegend noch im Tango benutzt, der zusammen mit dem Lunfardo in dem selben Mileu entstand, und wie die Sprache eine Identifikationsmöglichkeit bot.
Lunfardo verleiht den Texten des Tango heute wie damals einen verruchten Ton und eignet sich besser als die gebildete, "schickliche" Sprache zur Darstellung des Mileus und zur rebellischen Anklage gegen die sozialen Verhältnisse.
[Bearbeiten] Beispiele
- Importe aus anderen Sprachen
- it: mangiare (essen) -> manyar
- en: sandwich -> sanguich
- en: off side (abseits) -> orsai
- Importe und Metaphern:
- fr: canne (Stock) -> cana (Polizist)
- pl: papiros (Zigarette) -> Papirusa -> Papusa (hübsche junge Frau)
- it: funghi (Pilze) -> funyi (Hut, Sombrero)
- it: vento (Wind) -> vento (Geld, weil es im Winde verweht...)
- Vesre:
- revés (umgekehrt) -> vesre
- tango -> gotán
- calor (Hitze) -> lorca
- noche (Nacht) -> cheno
- café con leche (Milchkaffee) -> feca con chele
- hotel -> telo (Stundenhotel)
- muchachos -> chochamus