Maigesetze
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Als Maigesetze werden im Allgemeinen während des Kulturkampfs in Preußen und im Deutschen Kaiserreich erlassene kirchenpolitische Gesetze bezeichnet. Ihr Name geht darauf zurück, dass sie im Mai der Jahre 1873, 1874 und 1875 verabschiedet worden sind.
Maigesetze zu Kirchenfragen gab es auch in Österreich, doch entwickelten sie weniger Brisanz als die deutschen Bestimmungen.
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[Bearbeiten] Deutschland
[Bearbeiten] Vorgeschichte
Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche war in der Geschichte des Christentums von jeher strittig. An Konflikten zwischen Kaisern und Königen mit dem Papst mangelte es in keinem Jahrhundert. Die Kirche fühlte sich bis weit über das Mittelalter hinaus aufgerufen, in staatlichen Angelegenheiten grundsätzlich mitzureden und auch Weisungen zu erteilen. In Deutschland war die Situation zudem seit der Reformationszeit durch das Vorhandensein einer großen römisch-katholischen und einer großen lutheranischen Glaubensgemeinschaft kompliziert.
Das 1. Vatikanische Konzil 1870 unterstrich das universale Episkopat des Papstes und verkündete seine Unfehlbarkeit in Entscheidungen zu Glaubensfragen. Dieses Dogma gab in Deutschland einer starken politischen Strömung mit Reichskanzler Otto von Bismarck an der Spitze Anlass, Überlegungen zu einem mehr absolutistischen Staatskirchenrecht in der praktischen Politik umzusetzen. Da die andere Seite auf eine Maßnahme wieder etwas nachlegte, entwickelte sich vorwiegend in Preußen eine zum Kulturkampf hinführende Spirale.
In das Strafgesetzbuch wurde § 130a StGB im Jahr 1871 eingefügt. Dieser so genannte „Kanzelparagraph“ belegte den öffentlichen Frieden gefährdende öffentliche Erörterungen staatlicher Angelegenheiten mit Strafe. Das 1872 beschlossene „Jesuitengesetz“ zwang diese Ordensgeistlichen außer Landes. Die römisch-katholische Kirche war konsterniert. Ihre Widerstände lösten zuerst die Maigesetze in Preußen aus, die kaum verhüllte Kampfgesetze in der Auseinandersetzung mit der Kirche darstellten.
[Bearbeiten] Mai 1873
Das Gesetz vom 11. Mai 1873 ließ sich zur Vorbildung und Anstellung der Geistlichen aus. In diesem Gesetz wurde von jedem Geistlichen eine Schulausbildung, eine gewisse Universitätsbildung durch Studium und das Ablegen einer staatlichen Prüfung verlangt. Die Anzeige von der Ernennung eines Geistlichen war an den Oberpräsidenten zu leiten (Anzeigepflicht). Letzterer sollte gegen die Anstellung namentlich dann Einspruch erheben können, wenn gegen den Anzustellenden Tatsachen vorliegen würden, welche die Annahme rechtfertigten, dass der Anzustellende den Staatsgesetzen oder den innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit erlassenen Anordnungen der Obrigkeit entgegenwirken oder den öffentlichen Frieden stören werde (Einspruchsrecht).
Ein weiteres Gesetz vom 12. Mai 1873 betraf die kirchliche Disziplinargewalt und setzte einen königlichen Gerichtshof für die kirchlichen Angelegenheiten (in Berlin) ein. Ungehorsame Bischöfe, welche sich jenen Bestimmungen nicht fügten, konnten vom Gericht abgesetzt werden.
In Kevelaer prangerte im Oktober 1873 der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler vor mehr als 25.000 Menschen in seiner Predigt diese Regelungen an.
[Bearbeiten] Mai 1874
Ein Reichsgesetz vom 4. Mai 1874, betreffend die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern, erlaubte renitenten Geistlichen gegenüber gewisse Aufenthaltsbeschränkungen, ja sogar die Landesverweisung (so genanntes „Expatriierungsgesetz“).
[Bearbeiten] Mai 1875
Das preußische Gesetz vom 31. Mai 1875 verbot alle Orden oder ordensähnlichen Kongregationen, abgesehen von solchen, welche sich der Krankenpflege widmeten.
[Bearbeiten] Weitere Entwicklung
Die Maigesetze waren noch kein Schlusspunkt im Kulturkampf. Auch andere Rechtsnormen setzten dem Widerstand vorwiegend der römisch-katholischen Kirche zu, etwa das so genannte „Brotkorbgesetz“ mit seiner Einstellung staatlicher Leistungen. Die Bischöfe konnten sich jedoch auf die Rückenstärkung durch Papst Pius IX. verlassen.
Nach dessen Tod wurde die verfahrene Situation im Kulturkampf vom Pontifex Leo XIII. und ein gewisses Nachgeben Otto von Bismarcks bereinigt. Die Maigesetze hatten danach wie andere Regelungen auch ausgedient.
[Bearbeiten] Österreich
Kaiser Franz Joseph I. setzte am 25. Mai 1868 drei Kirchengesetze in Kraft, welche Bestimmungen des Konkordats vom 18. August 1855 einengten. Sie waren das Ergebnis des Drängens deutschnationaler Abgeordneter und vom Reichsrat in Österreich angenommen worden. Kernpunkte waren
- Weltliche Gerichte wurden zuständig für die Ehegerichtsbarkeit.
- Das Unterrichts- und Erziehungswesen wurde unter die Leitung des Staates gestellt.
- Jeder Staatsbürger ab dem 14. Lebensjahr durfte sein Religionsbekenntnis frei wählen.
In einem Hirtenbrief rief Bischof Franz Joseph Rudigier zum Widerstand gegen diese Maigesetze auf. Als er später dem Gericht vorgeführt wurde, kam es erstmals zu öffentlichen Demonstrationen der katholischen Bevölkerung. Der Bischof wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, vom Kaiser aber begnadigt.
Die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen war 1870 der Vorwand für die Kündigung des Konkordats durch die Regierung. Kaiser Franz Joseph konnte jedoch einen offenen Kulturkampf verhindern. 1874 wurden vier neue Kirchengesetze erlassen, welche eine gemäßigte Linie umsetzten.