Neopatrimonialismus
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Unter Neopatrimonialismus wird ein, besonders häufig in Afrika anzutreffender, Herrschaftstyp bezeichnet, der als eine Mischform aus klassisch patrimonialer und legal-rationaler Herrschaft angesehen werden kann (in Anlehnung an Max Webers Herrschaftstypologie). Als Regimetyp ist er zwischen Autokratie und Demokratie anzusiedeln. Kennzeichnende Bestandteile des Neopatrimonialismus sind Klientelismus und politische Patronage.
[Bearbeiten] Definition
In der Weberschen Herrschaftstypologie ist der Patrimonialismus, als Untertyp der traditionalen Herrschaft, gekennzeichnet durch die Unterwerfung unter die Autorität einer Person, die durch Tradition und einen (militärischen) Verwaltungsstab ausgeübt wird. Unter rational-legaler Herrschaft ist die Willkür einer Person ersetzt durch eine unpersönliche Ordnung (Bürokratie) und die Trennung von privater und öffentlicher Sphäre.
In Neopatrimonialen Systemen finden sich Elemente dieser beiden Typen. Die öffentlichen Regeln (Gesetze, Normen) sind zwar formalisiert, ihre praktische Ausübung aber meist persönlich vermittelt und auf informeller Ebene. Das Hin und Her zwischen beiden 'Logiken' bedingt eine andauernde Verhaltens- und Erwartungsunsicherheit der Bevölkerung.
[Bearbeiten] Auswirkungen und Kennzeichen
Die persönliche Willkür, die auch in neopatrimonialen Systemen vorherrscht, hängt zusammen mit autoritärer Politik und der ineffizienten Wirtschaftsform der Rentenökonomie. Unter diesen Bedingungen verschafft erst das öffentliche Amt die Möglichkeit auch ökonomisch erfolgreich sein. Klientelismus und politische Patronagebeziehungen sind die Folge.
Während im historischen, patrimonialen Klientelismus ein Patron einem Klienten ein knappes Gut wie Sicherheit, Vieh, Land, Wasser u.ä. gegen, oft auch nur symbolische, Dienste zur Verfügung stellte, werden im neopatrimonialen Klientelismus auch öffentliche Güter und Dienste wie Bildung, Kredite, Lizenzen und nicht zuletzt öffentliche Ämter vergeben, die einen deutlichen umverteilenden Effekt haben. Speziell der politische Klientelismus ist häufig anzutreffen, in dem Dienstleistungen und Mittel gegen politische Unterstützung, wie beispielsweise Wählerstimmen (elektoraler Klientelismus), 'getauscht' werden.
Mit politischer Patronage bezeichnet man die nur bestimmten soziale Gruppen, in Afrika meist an Ethnien festgemacht, gewährten Vorteile, welche nicht-öffentlich und politisch motiviert sind. Weitverbreitete Korruption und Verwandtenbegünstigungen (Nepotismus) sind unter anderem die Folgen.
[Bearbeiten] Beispiele
Neopatrimoniale Regime sind zum Beispiel Kamerun, Kenia, Zimbabwe, aber auch Indonesien, Kolumbien und die palästinensischen Autonomiegebiete.
[Bearbeiten] Literatur
- Bratton, Michael / van de Walle, Nicolas: Democratic experiments in Africa. Regime transitions in comparative perspective; Cambridge 1997 (insbesondere S. 61-96)
- Eisenstadt, Shmuel Noah: Traditional patrimonialism and modern neopatrimonialism; Beverly Hills (Californian) 1973
- Engel, Ulf: Neopatrimonialismus; in: Hofmeier, Rolf / Mehler, Andreas (Hrsg.): Kleines Afrika-Lexikon; Bonn 2005.
- Médard, Jean-François: États d’Afrique noire. Formations, mécanisme et crise; Paris 1991 (insbesondere S. 323-353)
- Molt, Peter: Machiavellismus und Neopatrimonialismus: Zur politischen Herrschaft in Afrika südlich der Sahara; in: Breitling, Rupert / Gellner, Winand: Machiavellismus, Parteien und Wahlen. Medien und Politik. Politische Studien zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Erwin Faul; Wiesloch 1987; S. 90-107
[Bearbeiten] Weblinks
- Gero Erdmann: Neopatrimoniale Herrschaft - Der Übergang zur Demokratie ist nicht gelungen. In: E+Z - Entwicklung und Zusammenarbeit (Nr. 10, Oktober 2001, S. 294-297).