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Nordeuropäische Gasleitung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Lage der Pipeline in der Ostsee
Lage der Pipeline in der Ostsee

Die Nordeuropäische Gasleitung (Nord Stream Pipeline, ehemals North European Gas Pipeline, NEGP, auch Ostseepipeline) ist eine geplante Gasleitung, die ab 2010 russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland transportieren soll.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Planung und Bau

Die Gasleitung beginnt bei Wyborg und erreicht Deutschland bei Greifswald. Die Leitung mit ca. 1200 km Länge verläuft zwar mit Ausnahme der Anfangs- und Endpunkte, nicht durch die Hoheitsgewässer, dennoch durch rund 500 km der schwedischen Wirtschaftszone vor Gotland und durch die Wirtschaftszonen Finnlands und Dänemarks. Aus diesem Grund wird diesen Ländern ein gewisser Einfluss auf das Genehmigungsverfahren eingeräumt. Das Projekt sieht auch die Möglichkeit vor, nach der Fertigstellung Abzweigungen in die Niederlande, nach Polen und Großbritannien zu bauen, diese wurde jedoch von den Briten und Polen bereits abgelehnt.

Die Leitung soll pro Jahr etwa 55 Milliarden Kubikmeter Gas befördern können, was etwa der Hälfte des jetzigen deutschen Jahresverbrauchs entspricht. Die Kosten werden auf mehr als sechs Milliarden Euro geschätzt.

Am 8. September 2005 wurde der Vertrag über den Bau der Pipeline von der russischen Gazprom (51 % Beteiligung) und den deutschen Konzernen E.ON und BASF (jeweils 24,5 %) im Beisein von Gerhard Schröder und Wladimir Putin unterzeichnet. Eigentümerin und Betreiberin wird die Nord Stream AG mit Sitz in Zug (Schweiz).

Am 9. Dezember 2005 begannen in Babajewo die Bauarbeiten für den russischen Landabschnitt der Pipeline.

[Bearbeiten] Kritik und Interessen

Um die Ostseepipeline hat sich eine teils heftige Debatte entwickelt. Während des deutschen Wahlkampfes 2005 waren diese Argumente Teil der parteipolitischen Auseinandersetzung.

[Bearbeiten] Interessen Deutschlands und Russlands

Deutschland sichert sich dank der Ostsee-Pipeline den direkten Zugang zu russischen Gasvorkommen und somit mehrere strategische Vorteile. Es entfallen Transitländer und somit mit ihnen verbundene potenzielle politische Spannungen, die sich negativ auf die Lieferungen nach Deutschland auswirken könnten. Deutschland sichert sich angesichts des geplanten Kernenergieausstiegs einen brauchbaren Ersatzenergieträger. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Erdgasversorgung Deutschlands mit der Pipeline noch stärker an den bisherigen Hauptlieferanten Russland gebunden wird. Diese Abhängigkeit berge nicht nur die Gefahr einer volkswirtschaftsschädigenden Preissteigerung auf Grund einer russischen Monopolstellung, sondern auch politische Risiken.

Russland werde in die Lage versetzt, die Gasexporte nach Westeuropa auf direktem Wege zu gewährleisten. Somit wären sowohl der Lieferant als auch der Konsument künftig von den Schwierigkeiten durch Transitländer unabhängig, beispielsweise wenn diese Preisangleichungen an das europäische Niveau nicht akzeptieren wollen oder wenn es technisch bedingte Pipeline-Ausfälle gibt. Bisher konnten Transitländer ihre unverzichtbare Transitrolle als Druckmittel nutzen, um exklusive Lieferbedingungen für sich selbst durchzusetzen und gefährdeten so die Versorgungssicherheit Westeuropas.

[Bearbeiten] Interessen der Ostseeanrainerstaaten

Nach der Unterzeichnung gab es heftige Proteste von Seiten mehrerer osteuropäischer Staaten[1], wie Polen, Litauen, Lettland und Estland, die Russland Bemühungen zur Spaltung der EU und Deutschland die Nichtbeachtung ihrer Interessen vorwarfen.

Der polnische Verteidigungsminister Radosław Sikorski verglich den deutsch-russischen Vertrag sogar mit dem Hitler-Stalin-Pakt[2]. Die gemeinsamen Interessen im Streit um die Pipeline sorgten auch für die Annäherung zwischen Polen und Republik Litauen. Man plant u. a. zur Stärkung der Sicherheit der eigenen Energieversorgung den gemeinsamen Bau und Betrieb einiger Kernkraftwerke in Nordwesten Polens[3] und in Litauen.

Aber auch in Schweden ist seit Juli 2006 eine aufkeimende Kritik zu bemerken. Energiepolitisch wird die Pipeline als "falscher Schritt" bezeichnet[4], zusätzlich wird aber auch auf ökologische und Spionage-Gefahren hingewiesen. Unter anderem rief Krister Wahlbäck (ehemaliger Botschafter und sicherheitspolitischer Experte) die Regierung auf, schwedische Interessen nicht länger zurückzuhalten und bei der deutschen und russischen Regierung ihre Bedenken wegen der ökologischen Risiken für die Ostsee vorzubringen. In Gotland und der umliegenden Region verbringen Hunderttausende Schweden ihren Urlaub. Deshalb ist schwedischen Politikern auch ein geplanter Gasturm von 70 Metern Höhe östlich von Fårö ein Dorn im Auge. Auf die Sicherheitsgefahren anderer Art hat der schwedische Verteidigungsminister Mikael Odenberg hingewiesen, er vermute, Moskau werde die Pipeline und deren angekündigten Schutz durch die Kriegsflotte, für Militär- und Industriespionage missbrauchen[5][6].

[Bearbeiten] EU - Interessen

Russland wird oft, wegen seiner vermeintlich unsicheren politischen Lage, als kein verlässlicher Partner angesehen. Dagegen spricht, dass seit ca. 30 Jahren bis zum heutigen Tag, selbst während zahlreicher politischer Krisen, von Russland jeder Liefervertrag eingehalten wurde. Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine 2005 sowie zwischen Russland und Weißrussland 2006 (bei denen es um den lang geforderten Übergang zu marktwirtschaftlichen Handelsbeziehungen ging), aber auch die Gazprom-Kooperation mit China [7], sowie die russischen Versuche die EU an der Energieversorgungsfrage zu spalten [8], zeigten, dass Russland gewillt sei, die Gasversorgung als politisches Druckmittel einzusetzen. Angesichts dessen ist die EU primär an der Energieversorgungssicherheit und der Vermeidung der Energiemarktmonopolisierung interessiert. Um dies zu gewährleisten bemüht sich die EU die Erdgasversorgung auf andere Regionen, insbesondere den Nahen Osten, Nordafrika und Kaukasus, auszubreiten. Man plant z.B. den Bau einer Pipeline zum Kaspischen Meer (Nabucco-Pipeline) unter Umgehung Russlands [9]. Darüber hinaus im Oktober 2006 beim EU-Gipfel im finnischen Lahti verlangten die 25 EU-Staats- und Regierungschefs von Putin Liefergarantien in Form einer Energiecharta. Diese wurde jedoch vom russischen Staatschef abgelehnt[10].

[Bearbeiten] Ökologische Aspekte

Es wird angeführt, dass eine Gas-Pipeline durch das Meer stets ökologische Risiken mit sich bringt. Besondere Brisanz erhält der geplante Bau dadurch, dass am Meeresgrund chemische Waffen sowie weitere gefährliche Rückstände aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg vermutet werden. Deren Entsorgung könnte neben erhöhten Kosten auch gravierende Umweltbelastungen zur Folge haben. Die und weitere mögliche Meeresumweltbeeinträchtigungen beschäftigten das EU-Parlament[11].

[Bearbeiten] Ökonomische Aspekte

Kritiker wiesen auf die vermeintliche wirtschaftliche Irrationalität dieses Projektes hin, da die Baukosten auf dem Meeresgrund 1,5-mal höher sind als durch die Länder. Dagegen steht, dass Russland und Deutschland durch die Ostsee-Pipeline Transitgebühren sparen werden, die sonst den Transitländern zufließen würden.

[Bearbeiten] Kontroverse um Gerhard Schröder als Aufsichtsratsvorsitzender und der Bürgschaft der Bundesregierung für Milliardenkredite

Gerhard Schröder und Wladimir Putin
Gerhard Schröder und Wladimir Putin

Im Juni 2005 trafen sich Deutsche-Bank-Vorstand Tessen von Heydebreck und der Vorstandschef von Gazprom Alexej Miller in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Hier berieten sie über einen Kredit der Deutschen Bank und der Staatlichen KfW Bankengruppe in Höhe von einer Milliarden Euro - getragen zu gleichen Teilen von 500 Millionen Euro je Bank - für den Bau des Zubringer zwischen dem Gasfeld Yushno Russkoje und der Hafenstadt Wyborg. Abgesichert werden sollte der Kredit durch eine Bürgschaft[12]. Anschließend beauftragten die beiden Banken die PricewaterhouseCoopers, die im Auftrag des Bundes sich um Bürgschaften für ausländische Unternehmen kümmert. Vier Tage nach der Bundestagswahl stellten am 22. September des selben Jahres die Banken ihr Vorhaben dem interministeriellen Ausschuss zur Vergabe von Garantien vor. Das Gremium setzt sich unter der Leitung des Wirtschaftsministerium aus den Finanz-, Außen- und Entwicklungshilfeministerien zusammen. Das Kanzleramt ist dort nicht vertreten. Am 24. Oktober, zwei Wochen nach der Ankündigung Schröders sich aus der Politik zurück zu ziehen, tagte das Gremium erneut und bewilligte die Bürgschaft unter den Konditionen, das der Bund 900 Millionen Euro plus Zinsen im Falle eines Scheiterns übernehmen würde. Anders als sonst üblich gilt die Bürgschaft aber auch für "die Deckungszusage sowohl für das politische als auch das wirtschaftliche Risiko".

Bei den Feierlichkeiten zum Baustart der Pipeline am 9. Dezember 2005 teilte Gazprom-Chef Alexei Miller mit, dass Gerhard Schröder Aufsichtsratsvorsitzender der Betreibergesellschaft werden soll. Dies führte zu Kritik von verschiedenen Seiten, insbesondere von Politikern der Oppositionsparteien, da Schröder das Projekt als Bundeskanzler selber aktiv mit gestaltet und zusammen mit Russlands Präsident Wladimir Putin forciert hatte.

Bakannt wurde diese Bürgschaft erst am 31. März 2006 in einer Gerichtsverhandlung zwischen Gerhard Schröder und Guido Westerwelle. Westerwelle behauptete, dass Schröder den "Auftrag" zum Bau der Pipeline gegeben hätte, doch dieser wollte wegen Rufschädigung gegen Westerwelle vor gehen. In der Verhandlung legte Westerwelles Verteidiger einen Vermerk des Finanzministeriums vor, der mit dem Zusatz "VS - Nur für den Dienstgebrauch" versehen war und an den Haushaltsausschuss des Bundestags andressiert war. Aus dem Papier geht hervor, dass Putin und Schröder den Bau der Pipeline "vereinbart" hätten, woraus die Verteidigung den "Auftrag" ableitete. In diesem Papier war aber auch von der Bürgschaft und den Konditionen die Rede.

Schröder entgegnete den Vorwürfen der Verbindung zwischen der Bürgschaft des Bundes und seinem Sitz im Aufsichtsrat, dass das Bundeskamzleramt nicht im Gremium zum Beschluss der Bürgschaft beteiligt gewesen war. Auch unterstrich er und Gasprom, dass es nie zu der Bürgschaft gekommen ist, weil Gazprom den Kredit zum Bau des Abschnittes letztendlich nicht nutzte.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Fußnoten

  1. 'Das Parlament' -Zündstoff im Baltikum
  2. Stern 30.04.06
  3. Tagesschau: Polnisches AKW an deutscher Grenze?
  4. Politikum Ostseepipeline
  5. Sicherheitspolitisches Stirnrunzeln über Ostseepipeline
  6. Financial Time Deutschland: Schweden fürchtet Ostseepipeline
  7. Tagesschau: Gazprom droht EU mit Gas-Entzug
  8. Anfang 2006 bot das Pipelinekonsortium erfolglos auch der Großbritannien den Ostsee-Pipeline-Anschluss an
  9. Bundesministerium für Landesverteidigung, Wien - Die Politik der Pipelines
  10. FAZ v. 23.10.2006: "Putin verweigert Garantien"
  11. EU-Parlament: Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Meeresumwelt
  12. Süddeutsche Zeitung zum Thema "Bürgschaft"
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