Nostratisch
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Nostratisch (früher auch Boreisch) ist der Name einer hypothetischen Makrofamilie, die nach Meinung mancher Linguisten mehrere Sprachfamilien Europas, Asiens und Afrikas umfasst. Der Name Nostratisch stammt vom lateinischen (lingua) nostra "unsere Sprache".
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[Bearbeiten] Die Zusammensetzung der nostratischen Makrofamilie
Die genaue Zusammensetzung des Nostratischen variiert von Autor zu Autor, der gemeinsame Kernbestand ist aber Indogermanisch, Uralisch und Altaisch. Des weiteren werden meist Kartvelisch und Dravidisch dazugerechnet, ursprünglich auch das Afroasiatische. Manche Autoren beziehen noch verschiedene weitere Sprachen, z.B. Eskimo-Aleutisch oder Etruskisch mit ein.
Die nostratische Makrofamilie
- Nostratisch
Das Afroasiatische wird heute nur noch selten zum Nostratischen gerechnet, neuerdings wird Elamisch als eigene Komponente des Nostratischen gesehen, die nicht näher mit dem Dravidischen verwandt sei.
[Bearbeiten] Ursprung und moderne Wiederbelebung
Die nostratische Hypothese wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von dem dänischen Linguisten Holger Pedersen aufgestellt, nachdem schon vorher Verwandtschaften des Indogermanischen einerseits zum Semitischen, andererseits zum Uralischen und Altaischen vermutet worden waren. Heinrich Koppelmann führte 1933 eine Eurasische Sprachfamilie ein, die neben dem Indogermanischen, Uralischen und Altaischen auch das Giljakische (Nivchische), Ainu und Sumerische umfassen sollte.
Diese Hypothesen blieben jedoch weitgehend unbeachtet, bis sie in den 1960er Jahren von Wladislaw Illitsch-Switysch und Aharon Dolgopolsky wiederbelebt wurden. Die nostratische Hypothese war und ist in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft äußerst umstritten, genau so wie die von Joseph Greenberg in den 1980er Jahren alternativ formulierte Hypothese einer Eurasiatischen Makrofamilie (siehe unten).
[Bearbeiten] Grundidee und Problematik
Die indogermanische Hypothese war sehr erfolgreich, und so versuchten Linguisten, das Verfahren, mit dem man die indogermanische Ursprache erschlossen hatte, bei anderen Sprachen zu wiederholen. Bei vielen Sprachen wurden große Sprachfamilien, ähnlich der indogermanischen, nachgewiesen (so z.B. beim Afrosasiatischen, wo die zeitliche Tiefe der Trennung von der gemeinsamen Protosprache bis 25.000 Jahre zurückreichen soll). Und so ist es auch logisch, dass der Stammbaum sich noch weiter in die Vergangenheit erstrecken könnte und die Ursprachen untereinander auch verwandt sein könnten.
Dabei gibt es zwei Aspekte auseinanderzuhalten, einerseits eine faktische gemeinsame Verwandtschaft und andererseits die Möglichkeit, diese Verwandtschaft angesichts der langen Zeit der Trennung von einer gemeinsam Ursprache heute auch nachzuweisen.
Die Indizien für solch entfernte Verwandtschaften sind jedoch spärlich und teilweise zweifelhaft. So werden etwa von Allan R. Bomhard andere Lautgesetze angenommen als von Aharon Dolgopolsky, was zu ganz unterschiedlichen Wortgleichungen führt und das Vertrauen in die nostratische Hypothese natürlich schmälert. Von den meisten Linguisten wird die nostratische Hypothese deshalb auch nicht akzeptiert; sie halten es für unrealistisch, mehr als 10.000 Jahre zurückliegende Sprachverwandtschaften zu rekonstruieren.
[Bearbeiten] Konkurrierende Hypothese "Eurasiatisch"
Eine teilweise konkurrierende These stellte Joseph Greenberg in Form der eurasiatischen Makrofamilie auf. Diese deckt sich insbesondere beim Indogermanischen, Uralischen und Altaischen mit dem Nostratischen, schließt jedoch insbesondere das Afroasiatische und Dravidische aus. Greenberg und Bomhard sehen dabei den jeweils anderen Ansatz nicht als Alternative zu ihrem eigenen, sondern als Beitrag zu einem vertieften Verständnis der von beiden postulierten Makrofamilie im Hinblick auf eine Verständigung der auch unterschiedlichen methodischen Ansätze.
[Bearbeiten] Beispiel einer nostratischen Wortgleichung
Im folgenden sei eine Wortgleichung als Beispiel aus Dolgopolsky (1998) auszugsweise und in vereinfachter phonetischer Notation zitiert. Als nostratische Wurzel Nr. 34 wird *tap- "ein Ziel treffen" behandelt. Dazu ergeben sich folgende Parallelen:
- Indogermanisch *top- "auf etwas treffen; Ort, wo man hingelangt" > griechisch tópos "Ort", top-azo "ziele hin, vermute, errate"; lettisch pa-tapt "hingelangen", litauisch pri-tapti "antreffen, erfahren"
- Afroasiatisch *tbb "zu einer Information gelangen, erfahren" > syrisch tab "Information erhalten", ähnlich arabisch.
- Uralisch *tap "finden" > finnisch tapaan "finden, treffen"
- Altaisch *t'ap "ein Ziel treffen"
- Turkisch *tupa "zu einer Einigung gelangen"
- Mongolisch *taba "raten, ein Rätsel lösen"
- Dravidisch *tapp "vereinbarter Zeitpunkt" > tamil. tappu "erwarteter Moment, vereinbarter Zeitpunkt", malyalam tappu "passende Zeit, gute Gelegenheit".
Schon dieses eine Beispiel zeigt die ganze Problematik nostratischer Wortgleichungen, da man offensichtlich mit weiten Bedeutungsfeldern und großzügiger phonetischer Übereinstimmung arbeiten muss, um entsprechende Parallelen zu finden. Dabei ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich eine Variante der vermuteten Wurzel *tap mit einer ähnlichen Bedeutung in den vielen hundert Sprachen der Untergruppen des Nostratischen finden lässt.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Bomhard, Allan R. and John C. Kerns: The Nostratic Macrofamily. A Study in Distant Linguistic Relationship. Mouton De Gruyter. Berlin/New York 1994. ISBN 3110139006
- Dolgopolsky, Aharon: The Nostratic Macrofamily and Linguistic Palaeontology. The McDonald Institute for Archaeological Research, Oxford 1998. ISBN 0-9519420-7-7.
- Greenberg, Joseph H.: Indo-European and its Closest Relatives. The Eurasiatic Language Family. Vol. 1 Grammar. Vol. 2 Lexicon. Stanford University Press, Stanford (Calif.) 2000 und 2002. ISBN 0-8047-3812-2, ISBN 0-8047-4624-9.
- Koppelmann, Heinrich: Die Eurasische Sprachfamilie. Carl Winters Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1933.
[Bearbeiten] Periodikum
- Mother Tongue : Journal of the Association for the Study of Language in Prehistory ASLIP. Seit 1995.