Notre Dame de Cunault
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Die Notre Dame de Cunault (Anfang 12. Jahrhundert) ist eine romanische Prioratskirche in Cunault an der Loire, Ortsteil der Gemeinde Chênehutte-Trêves-Cunault im Département Maine-et-Loire (Region Pays de la Loire) in Frankreich.
Die Hallenkirche von seltsamem Aussehen, die man leicht übersehen könnte, ist insbesondere für ihre 223 polychromen Kapitelle berühmt, die erhalten blieben, obwohl der Bau im 18. Jahrhundert stark in Mitleidenschaft gezogen wurde: er wurde unter anderem durch eine Mauer in zwei Hälften geteilt und der Chor als Scheune genutzt.
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[Bearbeiten] Die Kapitelle
Notre Dame de Cunault weist in seinem immensen Kapitellprogramm mit Vorliebe archaische, fast heidnisch anmutende Motive auf, besonders gerne Kampfszenen. Begleitet sind diese figurativen Szenen häufig von Pflanzenformen und beide zusammen überziehen die gesamte Kapitellzone des Pfeilers mit seinen vorgelegten Säulen als endloses Band.
In der abschreckenden Thematik der Kapitelle wird ein ganzes Pandämonium von Angstvisionen ausgebreitet. Das typischste Motiv ist der berühmte sogenannte "Grand goule", das Großmaul, das die ganze Säule zu verschlingen scheint. Dieses Motiv soll keltischen Ursprungs sein und entweder die Erde oder den Teufel darstellen.
Untiere, Fratzen und Grimassen und ein ständiges Sich-gegenseitig-Verschlingen sind Themen dieser Kapitelle. Die romanischen Kirchen als solche haben in der damaligen Welt als solide Steinbauten zwar das Beständige und Ewige symbolisiert - jenseits des ständigen Wandels der bedrohlichen Umwelt. Aber die tiefe Angst, vor allem das ständig bohrende Schuldbewusstsein des sündigen Menschen ließ auf den Kapitellen solche seltsamen, elenden Schimären entstehen.
[Bearbeiten] Die „Psychomachie“ des Prudentius
Eine Vielzahl von Themen entnahm die romanische Bauplastik einer Schrift, die bereits im Jahr 405 veröffentlicht wurde, der sogenannten Psychomachia des Prudentius [1]. Das Wort Psychomachie übersetzt man am besten als „Kampf um die Seele“.
Der Text besteht aus 915 Hexametern. In ihnen werden die christlichen Tugenden und die heidnischen Laster gegenüber gestellt, und zwar in allegorischen Bildern. Es geht um die Herrschaft in der menschlichen Seele. In verschiedenen Versionen werden Vertreter der gegnerischen Seiten als Kämpfende dargestellt. Als erste treten der Glaube als die Haupttugend und der Götzendienst als die angebliche Quelle aller Laster gegeneinander an. Hier sieht der Autor Prudentius die Grundentscheidung im Ringen der menschlichen Seele.
Die folgenden Auseinandersetzungen werden geführt von Keuschheit und Unzucht, Geduld und Zorn, Demut und Hoffart, Mäßigkeit und Üppigkeit, Geiz und Barmherzigkeit, Zwietracht und Eintracht. Am Ende siegt die Eintracht und die Psychomachie hat ein friedliches Ende. [2]
[Bearbeiten] Literatur
- Aurelius Prudentius Clemens (348 - nach 405): Psychomachia (Der Kampf um die Seele), veröffentlicht 405.
- Cunault. Texte de l’atelier du Cœur-Meurtry. 3e édition 1987 (Amtlicher Kirchenführer)
- Wilfried Hansmann: Das Tal der Loire. Köln, 1976, 13. Auflage 1989. (DuMont Kunst-Reiseführer), S. 251, Abb. 159-161;
- Raymond Oursel, Henri Stierlin (Hrsg.): Romanik. (Architektur der Welt, Bd. 15), S. 183.
- Ingeborg Tetzlaff: Romanische Kapitelle in Frankreich. Köln [1976] 3. Auflage 1979. Abb. 60,63
- Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst der Romanik. Architektur - Skulptur - Malerei. Köln 1996, S. 153
- Kindlers Literaturlexikon, 1974, München, dtv