Open Space
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Open Space (englisch für „geöffneter Raum“) oder Open Space Technology ist eine Konferenz-Methode und für Gruppen von 5 bis mehr als 2000 Teilnehmer geeignet.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Die Open Space Technology wurde in USA von Harrison Owen um 1985 "entdeckt" und ist inzwischen weltweit verbreitet. Die open space world map auf der Site OpenSpaceWorld zählt Eintragungen in 125 Ländern der Erde und hunderte eingetragene Open Space Begleiter.
Die Gründungslegende von Open Space, so wie sie Harrison Owen immer wieder überzeugend erzählt: Er habe ein Jahr lang einen Kongress für 200 Organisationsentwickler vorbereitet, der soweit auch befriedigend ablief. Ein Freund hätte dann zu ihm gesagt: "Weißt du Harrison, es war großartig, aber das Beste waren die Kaffeepausen". Harrison wäre danach auf einer Terrasse am Meer gesessen und hätte überlegt, wie man eine Konferenz gestalten könnte, die nur noch aus Kaffeepausen besteht. Zwischen zwei Martinicocktails und sich an seine Erfahrungen als Zuschauer bei der Organisation eines Festes in einem afrikanischen Dorf erinnernd, hätte er dann Open Space "entdeckt". Diese "Coffee-break" Metapher ist bis heute prägend für das Selbstverständnis von Open Space.
[Bearbeiten] Ziele
Hauptziel des Open Space ist es, einen Raum besonderer Qualität zu öffnen, damit Menschen selbstorganisiert und selbstverantwortlich ihre Anliegen gemeinschaftlich bearbeiten können. Das können komplexe und dringliche gemeinsame, aber auch sehr persönliche Fragen und Themen sein. Auch Konflikte können bearbeitet werden. Dabei sollen sich die Teilnehmer nicht nur beteiligen, sondern ein möglichst breites Commitment oder gegenseitiges Verständnis erreichen, und es soll jeder den Raum und die Möglichkeit erhalten, sein Herzensthema vorantreiben zu können.
Als Fernziel kann gelten, vom Open Space zur Open Space Organisation zu gelangen, in der es alltäglich wird, dass jeder initiativ werden (über Hierarchie- oder gesellschaftliche Grenzen und Zuständigkeitsfragen hinweg), Gruppen zusammenstellen und selbstständig Themen bearbeiten und umsetzen kann.
[Bearbeiten] Thema und Teilnehmende
Als Thema für einen Open-Space-Kongress eignet sich eine Problemstellung oder ein Generalthema, das:
- Dringend ist - Es brennt den Teilnehmenden unter den Nägeln, es betrifft sie/geht sie an/berührt sie, und die Lösung hätte gestern bereits vorliegen sollen
- Breit angelegt ist (Raum für neue Ideen und kreative Lösungen)
- Komplex ist - es gibt viele verschiedene Lösungen, und es kann nicht von einer Person gelöst werden
- Wichtig ist - von zentraler Bedeutung ist für die Zukunft des Systems
- Viele und ganz verschiedenartige Betroffene hat, die alle freiwillig teilnehmen (in Unternehmen: möglichst freiwillig)
[Bearbeiten] Dauer
Die Veranstaltung dauert in der Regel von einem halben Tag bis drei Tage. Open Spaces als Transfer, etwa bei Seminaren, Workshops und Kongressen dauern oft nur kurz, für die Bearbeitung komplexer Aufgabenstellungen wie z.B. Fusionen, Turn-Arounds, Projektentwicklungen, Konzepte für Grossbauten etc. ist ein 2½-tägiger Kongressverlauf optimal.
[Bearbeiten] Ungewöhnliches
Trotz der langen Dauer gibt es:
- Keine typische Tagesordnung
- Keine vorbestimmten Redner
- Keine festgelegten Aufgaben
- dafür ein pausenloses Pausenbuffet, das sich über Mittag in ein Lunchbuffet verwandelt, um die grösstmögliche Flexibilität für die Teilnehmenden in ihrer Tagesgestaltung zu gewährleisten
[Bearbeiten] Zeitstruktur
Die zeitliche Struktur kann je nach Dauer der Veranstaltung und Gruppengröße sehr unterschiedlich sein.
Ein Open Space beginnt immer im Kreis mit der Einführung des Verfahrens und der Sammlung der Anliegen (siehe Ablauf). Dafür werden in der Regel 60 - 90 Minuten geplant. Bei längeren Veranstaltungen (ab 1,5 Tagen) werden üblicherweise 2 Gruppenarbeitsphasen pro Halbtag von etwa 1,5 Stunden eingeplant, bei kürzeren Veranstaltungen oft mehr und kürzere Arbeitsphasen (z.B. 1 Stunde). Sofern die Veranstaltung mehr als einen Tag dauert, wird der Tag mit den Abendnachrichten im Kreis abgeschlossen, um Erfahrungen auszutauschen und am nächsten Tag mit Morgennachrichten für organisatorische Fragen und zur Einbringung weiterer Anliegen fortgesetzt. In allen Fällen, bei denen mit den Ergebnissen gemeinsam weitergearbeitet werden soll, schließt die Konvergenzphase an die Gruppenarbeitsphase an. (90 Minuten bis 4 Stunden)
Die gesamte Zeit über gibt es ein Pausenbüffet mit Fingerfood wie Nüssen, Obst, Gemüse und Dips, Kaffee, Tee, Wasser und Saft.
[Bearbeiten] Ablauf Schritt für Schritt
- Zu Beginn sitzen alle Teilnehmer in einem Kreis. Der Begleiter "öffnet den Raum" und führt in das Verfahren ein.
- Die Agenda ergibt sich aus den Anliegen der Teilnehmenden. Alle können ein Anliegen einbringen. Es handelt sich dabei um ein Anliegen, das unter den Nägeln brennt und wofür jemand Verantwortung übernehmen will.
- An einer Anliegenwand werden die Anliegen den Anfangszeiten im Zeitraster und vorbereiteten Arbeitsplätzen zugeordnet.
- Teilnehmer tragen sich bei den Themen ein, die sie interessieren.
- In der Marktphase gibt es für die Menschen die Gelegenheit, über Anfangszeiten und Räume zu verhandeln.
- Gruppenarbeitsphase: Die Teilnehmer arbeiten in dieser Zeit selbstorganisiert, angeleitet vom Gesetz der 2 Füße. Die "Einlader" der Gruppen werden gebeten die Ergebnisse der Gruppenarbeit zu dokumentieren, damit sie auch den ánderen Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden können.
- ggf. Abend- und Morgennachrichten
- ggf. Konvergenz (siehe unten)
- Abschlussrunde (häufig mit dem talkingstick-Ritual)
- Den "Raum schließen"
[Bearbeiten] Konvergenzphase
- Die Kleingruppen protokollieren die wichtigsten Punkte ihrer Ergebnisse. Das Begleitteam kopiert die Protokolle und hängt sie an der Dokuwand aus. Das ermöglicht allen Teilnehmenden, sich zu jeder Zeit einen Überblick über die Zwischenergebnisse zu verschaffen.
- Am Beginn der Konvergenz wird jedem Teilnehmer das sog. Buch, mit Kopien aller eingegangenen Berichte der Arbeitsgruppen zur Verfügung gestellt. Danach wird still gelesen.
- Die weitere Vorgehensweise kann sehr unterschiedlich sein. In vielen Fällen werden die in den Berichten genannten Ergebnisse zu Themenblöcken zusammengeführt. Oft werden die Ergebnisse von den Teilnehmern nach ihrer Bedeutung priorisiert.
- Die Topthemen werden in einer letzten Bearbeitungsrunde noch einmal aufgegriffen und zu Verabredungen oder Maßnahmenplänen konkretisiert.
[Bearbeiten] Vor-/Nachteile
[Bearbeiten] Stärken
- Man kann komplexe Themen mit vielen Menschen in sehr kurzer Zeit umfassend bearbeiten.
- Viele Leute lassen sich für eine Sache aktivieren/motivieren.
- Die Hürde, das Thema vor evtl. mehr als 100 Teilnehmern vorzustellen, bietet den Vorteil, dass nur hoch engagierte Leute, denen das Thema auch wichtig genug ist, Themen anbieten.
- Fördert viele Ideen für Maßnahmen und die Motivation für Gruppen, diese dann auch umzusetzen.
- Zum Schluss liegt eine Dokumentation aller bearbeiteten Themen für alle TeilnehmerInnen bereit, als Basis für die weitere Zusammenarbeit.
[Bearbeiten] Gefahren
- Die Konferenz wird abgehalten, aber dann fehlt der Mut, den Freiraum zur Umsetzung nach der Konferenz bereitzustellen. Dann wäre eine Open-Space-Veranstaltung sogar kontraproduktiv - ungeachtet der Qualität der Ergebnisse auf dem Treffen.
- Gruppen sprechen heikle Themen evtl. nicht offen an.
- Bei erzwungener Teilnahme besteht die Gefahr, dass in Gruppen nur lamentiert wird.
[Bearbeiten] Wichtige Elemente
- Die seriöse Vorbereitung durch die Begleiterin / den Begleiter des Open Space gemeinsam mit einer Vorbereitungsgruppe, die möglichst das ganze System abbildet und sicherstellt, dass die Rahmenbedingungen stimmen, die Einladungen dem Ziel entsprechend abgefasst werden und wichtige Personen persönlich eingeladen werden.
- Bei der kurzen Begrüssung durch den Veranstalter muss neben den "Givens" (Tatsachen, an denen nichts geändert werden kann) auch kommuniziert werden, wie die Resultate durch den Veranstalter anschliessend aufgenommen werden können.
- Das Thema der Veranstaltung
- Kreis zu Beginn und Ende (alle sind gleichberechtigt)
- Die "Öffnung des Raumes" und die Erklärung der Funktionsweise von Open Space (Der Begleiter schreitet dabei den Kreis innen ab)
- Anliegentafel (alle Informationen für jeden sichtbar)
- Kreis und die Anliegentafel bilden den Marktplatz, dort finden sich die Themen und Gruppen
- Arbeitsgruppen (dort gibt es dann Leute, die bei der Gruppe bleiben, Leute die die Gruppe verlassen und ggf. andere Gruppen mit den Ideen befruchten)
- Abendnachrichten und Morgennachrichten. (Zu diesem Zeitpunkt treffen sich wieder alle Teilnehmer im großen Kreis.)
- Talking-stick Abschlussrunde
- Das "Schließen des Raumes"
Die Teilnehmer in einem Open Space werden von einem Gesetz und vier Prinzipien geleitet:
- Gesetz der zwei Füße (auch "Gesetz der Mobilität" genannt) - jede Person ist verpflichtet für sich zu überprüfen, ob sie in der Gruppe in der sie sich befindet, etwas lernen kann oder etwas beitragen will. Fall sie weder lernen noch beitragen will, ehrt sie die Gruppe mit ihrer Abwesenheit. Das Gesetz der zwei Füße betont Selbstverantwortlichkeit und ungezwungene Bewegungsfreiheit.
Die Prinzipien:
- Die da sind, sind genau die Richtigen
- Was immer geschieht: Es ist das Einzige, das geschehen konnte
- Es beginnt, wenn die Zeit reif ist
- Vorbei ist vorbei - Nicht-vorbei ist Nicht-vorbei.
[Bearbeiten] Nach der Konferenz
Im Normalfall ist eine Open-Space-Konferenz so motivierend, dass von selbst die vielfältigsten Aktivitäten entstehen. Dennoch ist sinnvoll, nach 4 - 6 Wochen ein Nachtreffen mit der Vorbereitungsgruppe abzuhalten und zu prüfen, ob weitere Unterstützung für entstandene Projekte gebraucht wird. Wenn Open Space innerhalb einer hierarchisch gegliederten Organisation stattfindet, gilt: Freiraum zur Umsetzung gewähren! Das Management sollte den Gruppen nun unterstützend, beratend zur Seite stehen und u.a. die benötigten Ressourcen für die Umsetzung bereitstellen. Ggf. müssen auch aus komplexeren Themen feste Projektteams gebildet oder Gruppen weiter aufgeteilt werden. Nach ein paar Wochen ist es sinnvoll, die Gruppen und die Geschäftsleitung zusammen zu bringen oder eine weitere Open-Space-Konferenz zu veranstalten. Teams von Projekten, die auch über größere Entfernungen hinweg auf der Grundlage der Open-Space-Philosophie weiterarbeiten wollen, können eigenständig zu Open-Space-Internet-Konferenzen einberufen (Siehe Link zu OpenSpace-Online®).
[Bearbeiten] Literatur
- Owen, Harrison: Open Space Technology, deutsch: Open Space Technology - Ein Leitfaden für die Praxis, Stuttgart, Klett-Cotta, 2001
- Owen, Harrison: Expanding our Now, deutsch: Die Erweiterung des Möglichen - Die Entdeckung von Open Space, Stuttgart, Klett-Cotta, 2001
- Owen Harrison: „The Power of Spirit“, Berrett Koehler Publ., 2000,
- Maleh, Carole: Open Space: Arbeiten mit großen Gruppen, Ein Handbuch für Anwender, Entscheider und Berater, Beltz, 2000
- Maleh, Carole: Open Space in der Praxis. Erfahrungsberichte: interessante Highlights, Grenzen und Möglichkeiten, Beltz Verlag, 2002
- Kolenaty, Erich, Weber, Susanne: Open Space und Organisation, Zeitschrift für Organisationsentwicklung 02/03
- Ulrich M. Drescher: Großformen der Moderation, in: Sabine Bolender (Hrsg.): Managementtrainer. Adressen, Referenzen, Honorare, Campus-Verlag, Frankfurt/M. 1998, ISBN - siehe auch:- Großformen der Moderation
- Jo Töpfer: Augen auf! Mit Überraschungen ist zu rechnen! In: Führungskräftehandbuch des Deutschn Roten Kreuz, 3. aktualisierte Ausgabe August 2003
- Frank Baumann/Malte Detlefsen: Open Space - oder: Kaffeepausen in der Stadt- und Regionalentwicklung. In: RaumPlanung 123/2005, S. 249 - 253
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- Weltweite Open Space Website
- Was ist denn open space?
- Wie funktioniert die OpenSpace-Online® Methode?
- Ein Interview mit Harrison Owen bei Einseitig.info
- Beispielhafte Bildergalerie: Open-Space-Schulsozialarbeit 2004
- Open Space Conference ForestXChange
- Unter "Ressourcen" eine Fotostory des größten Open Space der Welt
- Kurzworkshops im Sinne des Open Space