Orientalismus
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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Für den Orientalismus in Kunst und Literatur, die Vorliebe für orientalische Motive, Figuren und Schauplätze, die vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Frankreich als Form des Exotismus auftritt, siehe Orientalismus (Kunst).. |
Mit dem Begriff Orientalismus (engl. orientalism) bezeichnet Edward Said den eurozentrischen Blick auf die Gesellschaften des Vorderen Orients bzw. die arabische Welt.
Mit Hilfe der Ansätze von Michel Foucault analysiert Said Werke westlicher Wissenschaftler und Schriftsteller und arbeitet dabei heraus, dass es hierbei nicht um eine objektive Betrachtung der Situation gehe. Vielmehr drücke sich in den Arbeiten ein kolonialistischer Ansatz aus, der dem Machtverhältnis zwischen Kolonialisten und Kolonialisierten entspräche.
Westliches Denken sei geprägt davon, Definitionen über Gegensätze herzustellen. Während der „Westen“ als die Zivilisation an sich angesehen werde, erscheine der Orient mysteriös und bedrohlich. Durch Herrschaftswissen sähen sich westliche Autoren in der Lage, die Situation und die Menschen des Orients zu definieren und nähmen ihnen damit ihr Selbstbestimmungsrecht. Aus dieser Definitionsmacht resultierten exotistische, kulturalistische und auch offen rassistische Bilder, welche der Legitimierung der Kolonialisierung des Orients dienten.
Diese Arbeit ist eine wichtige Grundlage für die postkoloniale Wissenschaft, die mit Saids Ansatz bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse überprüft und an verschiedenen Beispielen aufzeigen kann, wie sehr das Verhältnis zwischen Europa und anderen Regionen, wie der Balkan, Indien oder China von kolonialistischen Annahmen geprägt wird. Kritiken und Erweiterungen der Said'schen Analysen aus feministischer Sicht finden sich insbesondere bei Reina Lewis, Anne McClintock und Meyda Yegenoglu.
Kritik an orientalistischen Positionen hat es schon lange vor Saids Veröffentlichungen gegeben. So hat Nâzım Hikmet 1925 gegen die romantisierenden und exotistischen Positionen des französischen „Türkeiliebhabers“ Pierre Loti gedichtet:
Die Saidsche Analyse birgt trotz ihrer Brillanz sowohl in methodologischer als auch in inhaltlicher Hinsicht einige Schwachstellen, etwa hinsichtlich der mangelnden geographischen Spezifizierung oder auch hinsichtlich der fehlenden zeitlichen Eingrenzung. Inhaltlich ist u.a. die homogene Darstellung des orientalistischen Diskurses problematisch, da dadurch die Unterscheidung zwischen Orient und Okzident, die es aufzuheben gilt, zementiert wird und beständig ein realer Orient impliziert wird.
„
“
- Doch
- es gab
- weder gestern
- noch gibt es heute
- so einen Orient und es wird ihn
- auch morgen
- nicht geben!
– Piyer Loti, 1925
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Andre Gingrich: Frontier Myths of Orientalism. The Muslim World in Public and Popular Cultures of Central Europe. In: MESS. Piran 1996. Hg. Bojan Baskar & Borut Brumen, Ljubljana, 1998
- Sabine Mangold: Eine "weltbürgerliche Wissenschaft". Die deutsche Orientalistik im 19. Jahrhundert. Stuttgart, 2004, ISBN 3-515-08515-7 (Rezension)
- Andrea Polaschegg: Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert. Berlin, 2004, ISBN 3-11-018495-8 (Rezension)
- Edward Said: Orientalismus. Fischer-Taschenbuchverlag 1979, ISBN 3-596-12240-6, Ullstein Verlag 1981
- Stefan Hauser: Orientalismus. In: Der Neue Pauly. 15/1/2001, S. 1233–1243 (Ausgezeichnete, knappe Zusammenfassung der Kernthesen sowie der damit verbundenen Probleme.)
- Ian Buruma, Avishai Margalit: Okzidentalismus. Der Westen in den Augen seiner Feinde Hanser-Verlag 2005, 160 Seiten, Hardcover € 15,90, ISBN 3-446-20614-0
[Bearbeiten] Weblinks
- www.orientalism.org
- Frontier Orientalism - Artikel des österreichischen Anthropologen Andre Gingrich