Paul Verlaine
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Paul Verlaine (* 30. März 1844 in Metz; † 8. Januar 1896 in Paris) war ein bedeutender französischer Lyriker des Symbolismus.
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[Bearbeiten] Biografie

Paul Verlaine wurde 1844 in Metz geboren. Die Familie zog 1851 nach Paris, nachdem der Vater aus dem Offiziersdienst ausgeschieden war. Verlaine besuchte das Lycée Bonaparte. Er begann ein Jurastudium, das er aber bald abbrach. Ebenso vorübergehend war seine Tätigkeit als städtischer Beamter. Er heiratete 1870 Mathilde Mauté de Fleurville. Sein Alkoholismus, an dem er schon von Jugend an litt, lebte nun wieder auf. Es kam zu Gewalttätigkeiten gegen seine Mutter und seine Frau. 1872, während sie ein Kind erwartete, verließ er sie nach zweijähriger Ehe. Er ging eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit dem 17-jährigen Dichter Arthur Rimbaud ein. Mit diesem zog er bis 1873 als Vagabund durch Nordfrankreich, Belgien und England. Als Rimbaud sich von dem zehn Jahre älteren Verlaine trennen wollte, feuerte dieser in betrunkenem Zustand zwei Schüsse auf Rimbaud ab und verletzte ihn an der Hand. Nach seiner 18-monatigen Gefängnishaft versuchte er ab 1875 vergeblich, ein geregeltes Leben zu führen. Er kehrte zum römischen Katholizismus seiner Jugend zurück. Nach seiner Entlassung versuchte Verlaine, als Französisch- und Zeichenlehrer in England bis 1877 eine neue bürgerliche Existenz aufzubauen. Nach Frankreich zurückgekehrt lehrte er ein Jahr Englisch. Mit seinem Schüler Lucien Létinois, den er als seinen Adoptivsohn bezeichnete, versuchte er ohne sonderlichen Erfolg ein Leben als Landwirt zu führen. Létinois verstarb 1883 plötzlich. Verlaine kehrte 1880 nach Paris zurück. In den folgenden Jahren verbrachte er die meiste Zeit in Kneipen, Spitälern und Bordells, wohnte mit Prostituierten in armseligen Unterkünften und war auf die Unterstützung seiner Freunde angewiesen. Durch gelegentliche Publikationen erlangte er noch zu Lebzeiten einen gewissen Bekanntheitsgrad. Er starb im Januar 1896 einsam und verarmt; seine sterblichen Überreste wurden auf dem Cimetière des Batignolles bei Paris bestattet.
[Bearbeiten] Literarische Bedeutung

Verlaine schloss sich den Parnassiens an, bei denen er sein poetisches Handwerk lernte. Er wurde zum führenden Lyriker des Symbolismus und beeinflusste viele spätere französische Dichter. Seine hochmusikalischen Verse bringen feinste Gefühlsregungen und Zwischentöne zum Ausdruck. Verlaines Maxime lautete: "De la musique avant toute chose." Die Thematik reicht von morbider Erotik bis zu ekstatischer Frömmigkeit. Er hat besonders die Kunst der Neuromantik beeinflusst. W. Berger, der auch eine Auswahl Verlaine'scher Gedichte übersetzt hat, schreibt: "Von Baudelaire und den Parnassiens beeinflusst, gehört Verlaine zu den Wegbereitern des Symbolismus, dessen erster bedeutender Vertreter er selbst ist. Sein musikalischer, auf raffinierteste Klangeffekte abgestimmter Vers gewann der französischen Sprache bis dahin unerhörte euphonische Möglichkeiten ab. Sein Gedicht Art poétique wurde zum poetologischen Manifest der Symbolisten..." Der Klang seiner Gedichte ist meistens wichtiger als ihr Inhalt, was dazu führt, dass sie schwer zu übersetzen sind. An diese schwierige Aufgabe wagten sich beispielsweise Hermann Hesse ("Mon Rêve Familier") und Rainer Maria Rilke ("Agnus Dei").
[Bearbeiten] Notizen zu den wichtigsten Werken
Die meisten Gedichte der ersten Sammlung sind noch wenig kennzeichnend für die spätere Eigenart Verlaines. Die Poèmes saturniens - in der Titelgebung an eine Gedichtgruppe aus den Fleurs du Mal anknüpfend - stehen bezüglich Themenwahl und Gedankenführung stark unter dem Einfluss Baudelaires, während sie in der Kunst des Versbaus die Schule Banvilles erkennen lassen. Die baudelaireschen Motive sind ins Zarte und Spielerische aufgelöst, die Melancholie entspringt nicht der Bitternis der Vereinsamung, sondern einer seelischen Erschöpfung, die dem Dichter neue Sensationen bietet und ihn befähigt, alltägliche Dinge in neuem Licht zu sehen.
In den Fêtes galantes hat Verlaine im Sinne der baudelaireschen Forderung, dass die Lyrik ein Kollektiverlebnis der Sinne sein soll, versucht, die Malkunst Watteaus dichterisch wiederzugeben, die damals gerade durch die kunstkritischen Arbeiten der Goncourts eine Renaissance erlebte. Dem Geist des Malers wie dem des 18. Jahrhunderts und der Rokokoepoche überhaupt werden die Gedichte besonders dadurch gerecht, dass sie Gedanken an den Tod und Vergänglichkeit mit tändelnder Ironie in die Stimmung des "carpe diem" überleiten. Zu dem spielerisch-frivolen Inhalt der Gedichte steht die noch streng parnassische Form in einem - wohl gewollten - Gegensatz. Über dieser Sammlung und den Poèmes saturniens lastet das Gefühl der Bedrohung, die Ahnung des Untergangs und kompensatorisch dazu die Erfahrung der Unerfüllbarkeit des Traumes (Mon rêve familier) und der Bitterkeit der Erinnerung (Colloque sentimental). Der frühe Verlaine steht zwischen Dekadenz und Symbolismus.
Die Sammlung La Bonne Chanson enthält Liebesgedichte an seine Braut und spätere Gattin Mathilde Mauté und ist von spontan empfundenen Glück und Sehnsucht nach bürgerlichen Existenz geprägt. Sie bildet zugleich den Abschluss der Dichtungsperiode Verlaines, in der er sich noch in herkömmlichen Bahnen bewegte.
Erst das Freundschaftsverhältnis mit dem um 10 Jahre jüngeren Rimbaud hat die Kräfte seines Verstandes und seiner Phantasie zu höchster Leistung entfaltet. Er suchte eine Lebensform, die mit seinem bisherigen Leben, seiner Zeit, mit allem, was Durchschnitt und Bürgerlichkeit hieß, nicht das geringste mehr gemeinsam hatte. Dies führte aber auch dazu, dass ihm das Unterscheidungsvermögen zwischen Wirklichkeit und Wahn allmählich verlorenging. In den Romances sans Paroles wandte Verlaine erstmals die Theorie an, die er in einem später (1882) veröffentlichten Gedicht Art poétique (entstanden 1874) niedergelegt hat: der Vers soll Musik sein, eine Harmonie von Tönen, ein flüchtiger Rausch, der die Grenzen der Form verwischt und die Farben nur als Abschattungen erkennt (Pas la Couleur, rien que la nuance!). Der Reim wird als billiges Effektmittel beiseite geschoben, das Gedicht muss in seinem Aufbau durchaus frei sein und seine Wirkung lediglich durch eigenartige Gruppierung von Lauten zu erreichen suchen. Diese Auflockerung des traditionellen Vers- und Strophenbaus, wie wir sie erstmalig in den Romances antreffen, wirkt aber keineswegs als Formlosigkeit, denn die musikalische Harmonie erweist sich als ein ebenso stark konstruktives Prinzip wie eine vorgeschriebene Zahl von Silben oder Folge von Reimen. In diesem Manifest fordert er den "vers impair". Er versteht darunter sowohl den Vers mit ungerader Silbenzahl als auch die Ungleichsilbigkeit der Verse innerhalb einer Strophe. Hinzu kommt im Bereich der Wortwahl die beabsichtigte Doppeldeutigkeit. Das im Schwebezustand verharrende Gedicht wird zum Pendant einer begrifflich nicht mehr fassbaren Welt. Rhetorische Mittel wie Pointen, Satire und Ironie werden aus der Dichtung verbannt. In Abgrenzung gegen die rationale, konturenscharfe, kühle Lyrik der Parnassiens, doch auch gegen die hohle Rhetorik der Romantik postuliert Verlaine also eine Dichtung, in der die Form - im weitesten Sinn verstanden - auf Kosten des Inhalts Autonomie erlangt.
Die zeitweilige Rückkehr zum Glauben, die sich bei Verlaine während seiner Gefängnishaft vollzog, fand ihren Ausdruck in den Gedichten der Sammlung Sagesse. Inhaltlich sind diese Gedichte auf das Problem des Kampfes zwischen Gut und Böse abgestellt. Mittelalterliche Motive klingen auf, das Gedicht wird zum Gebet, zur Lobpreisung Gottes, und die zartesten Marienlieder gelangen ihm in dieser Zeit, da er tatsächlich an seine Umkehr glaubte. Auch in der Form zeigen die Sagesse-Gedichte eine Rückkehr zur Tradition, die meisten sind aus Alexandrinern bestehende Sonette.
1883 setzte er in dem Essay Les Poètes maudits (dt. Die verfemten Dichter) u.a. Rimbaud und Mallarmé ein Denkmal. Amours handelt vor allem von seinem 1883 verstorbenen Schüler Létinois. In den späteren Jahren erschienen mehr oder weniger autobiographische Prosaschriften wie Mes Épitaux, Mes prisons und Confessions.
[Bearbeiten] Werke
- Poèmes saturniens, 1866
- Fêtes galantes, 1869
- La Bonne Chanson, 1870
- Romances sans paroles, 1873
- Sagesse, 1880
- L'Art poétique
- Les Poètes Maudits, 1884
- Jadis et Naguère, 1885
- Mémoires d'un veuf, 1886
- À Louis II de Bavière, 1888
- Amour, 1888
- Parallélement, 1889
- Dédicaces, 1890
- Chansons pour elles
- Bonheur
- Mes hôpitaux, 1891
- Liturgies intimes
- Chansons grises, 1892
- Elégies. Odes en son Honneur
- Mes prisons
- Quinze jours en Hollande, 1893
- Epigrammes
- Dans les limbes, 1894
- Confessions, 1895
- Invectives
- Chair, 1896
[Bearbeiten] Sonstiges
Das Leben und Schaffen Paul Verlaines und Arthur Rimbauds wurde 1995 von Agnieszka Holland unter dem Titel Total Eclipse verfilmt.
Mit den Versen: "Les sanglots longs des violons de l'automne/ Blessent mon coeur d'une langueur monotone“ - „Seufzer gleiten/ Die saiten/ Des herbsts entlang/ Treffen mein Herz/ Mit einem schmerz/ Dumpf und bang." (Übers. S. George) aus dem Verlaine-Gedicht "Chanson d'automne" ("Herbstlied") wurde die französische Résistance im 2. Weltkrieg im Radioprogramm der BBC auf die bevorstehende Landung in der Normandie (6. Juni 1944, Operation Overlord) vorbereitet.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Paul Verlaine im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biografie, Bibliografie, Analyse (französisch)
Commons: Paul Verlaine – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- [http://www.bautz.de/bbkl/v/verlaine_p_m.shtml Biografie und Bibliografie
Personendaten | |
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NAME | Verlaine, Paul |
KURZBESCHREIBUNG | Französischer Lyriker |
GEBURTSDATUM | 30. März 1844 |
GEBURTSORT | Metz |
STERBEDATUM | 8. Januar 1896 |
STERBEORT | Paris |