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Proto-Indoeuropäer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der mutmaßlichen Ethnie der Proto-Indoeuropäer. Für den (rein) linguistischen Aspekt siehe Indogermanische Ursprache.

Als Proto-Indoeuropäer werden die Sprecher sowie die (hypothetischen) Träger der teilweise rekonstruierten proto-indogermanischen Ursprache und Kultur bezeichnet. Dieses prähistorische Volk soll während der späteren Kupfersteinzeit bis zur frühen Bronzezeit existiert haben.

Die Proto-Indoeuropäer gelten des Weiteren als Stammväter fast aller europäischen Ethnien, also den Indogermanen. Darunter fallen die Griechen, Kelten, Balten, Latiner, Romanen, Germanen, Slawen und Albaner. Aber auch nicht in Europa lebende Ethnien gehen teilweise auf diese zurück, zu nennen sind hier die Iraner, Armenier, Kurden, Tadschiken, Paschtunen, Belutschen und im weiten Sinne auch die Inder (vedischer Abstammung).

Zu beachten ist bei diesem Vergleich aber folgender, in erster Linie von Marija Gimbutas postulierter Ansatz.

„Die Indoeuropäisierung war eine sprachliche, eventuell kulturelle und religiöse, aber keine physische Verschmelzung bzw. Umwandlung.“

Damit will ausgedrückt werden, dass es nicht zu Vermischungen im Sinne der Gene, sondern zu gewaltsamen Unterwerfungen sowie allmählichen Assimilationen der ehemaligen Vorbevölkerungen Europas, Anatoliens, Persiens sowie Indiens kam.

In neuerer Zeit wird dieser Grundgedanke aber meistens etwas relativiert. So kann eine teilweise physische Vermischung der Proto-Indoeuropäer mit der jeweiligen Vorbevölkerung nicht vollständig ausgeschlossen werden. Inwiefern und in welchem Ausmaß die Ethnien ineinander aufgegangen sind, lässt sich nach heutigem Wissensstand nicht beurteilen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Proto-Indoeuropäer oder Proto-Indogermanen?

In der deutschen Sprachwissenschaft wird noch meistens der Begriff indogermanisch verwendet. Dies ist vor allem auf die geschichtliche Entwicklung bzw. Bedeutung dieses Begriffs im deutschsprachigen Raum zurückzuführen.

Des weiteren wird ein ethnischer Aspekt, so wie ihn dieser Artikel erläutert, gegenwärtig noch größtenteils abgelehnt. Jedwede Erweiterung, welche über den sprachlichen Gesichtspunkt hinausgeht wird vielfach schnell als „nicht beweisbar“, als Absurdität, kritisiert. Dies entspricht zumindest der „gängigen Sichtweise“ im deutschsprachigen Raum.

Im drastischen Gegensatz zu dieser stehen die internationalen Überlegungen und Ansätze. So wird an einer ethnischen (also kulturellen und religiösen) Beeinflussung Europas durch die Proto-Indoeuropäer deutlich weniger gezweifelt. Heftig umstritten ist indessen, inwiefern eine genetische Verwandtschaft postuliert werden kann.

Als Beispiel für diese spezifisch deutsche Auslegung muss der Artikel Indogermanen genannt werden, dieser benennt fast ausschließlich sprachliche Hintergründe. Folglich beschränkt sich „indogermanisch“ in erster Linie auf die Sprachwissenschaft.

Unbestritten bleibt, zumindest in der Linguistik ist „indogermanisch“ absolut identisch mit „indoeuropäisch“. Ob eine Gleichwertigkeit nun auch im ethnischen Sinne besteht, ist wieder eine andere Fragestellung. Wirklich falsch ist keiner von beiden, nur folgt „indoeuropäisch“ eher einer gewissen Logik. Bezugnehmend auf den neuen (ethnischen), Faktor ist „(proto-)indoeuropäisch“ wohl doch die schlüssigere Wahl.

[Bearbeiten] Ursprung

Der eigentliche Herkunftsort der Proto-Indoeuropäer ist bis heute nicht wirklich gesichert. In neuerer Zeit gab es zahlreiche Versuche und Ansätze einer genaueren Lokalisierung, dennoch konnte bislang nichts eindeutig erwiesen werden.

Zu den gebräuchlichsten Ansichten zählt wohl die im 20. Jahrhundert durch Marija Gimbutas eingeführte Kurgan-Hypothese. Anhand dieser liegt der Ursprung im südlichen Russland.

Einen anderen Ansatz verfolgt die Schwarzmeer-Überschwemmungs-Hypothese. Diese wurde 1996 von William Ryan and Walter Pitman, beides Geologen an der Columbia University, in einem populären Artikel der New York Times vorgestellt. Laut dieser These lebten die Proto-Indoeuropäer in unmittelbarer Umgebung des prähistorischen Schwarzen Meers. Der Auslöser für die Völkerwanderung der Proto-Indoeuropäer soll eine gigantische Flutkatastrophe gewesen sein.

An dieser Stelle muss noch darauf hingewiesen werden, dass es vor allem im frühen 20. Jahrhundert zu zahlreichen abstrusen sowie grundfalschen Mutmaßungen gekommen ist. So sehen beispielsweise einige Historiker in der Arier-Fiktion der Nationalsozialisten ebenfalls eine (krankhafte) Abwandlung der proto-indoeuropäischen Geschichte.

Selbst heute noch wird von nationalistischen Strömungen immer wieder „ihre“ Nation als die wahre Urheimat propagiert. Beispiele für diese Art der Verklärung findet man im Iran. So sollen sich die urtümlichen Arier (im Sinne von Proto-Indoeuropäer) in dessen Hochebenen gebildet und von dort ausgebreitet haben.

[Bearbeiten] Kultur und Religion

In kultureller sowie religiöser Hinsicht ist ebenfalls nur wenig bekannt. Anhand archäologischer Funde sowie den daraus abgeleiteten mutmaßlichen Gesellschaftsformen lässt sich somit lediglich ein grobes (hypothetisches) Bild skizzieren.

Die Proto-Indoeuropäer bildeten wahrscheinlich patrilineare Gemeinschaften, welche vorwiegend halbnomadisch lebten. Vermutlich hielten sie domestizierte Tiere wie Hausrinder und Schafe. Als weitgehend erhärtet gilt, dass die Proto-Indoeuropäer auch die Domestizierung des Pferdes (ek'wos) kannten. Eine zentrale Rolle innerhalb ihrer Mythologie, Religion aber auch dem alltäglichen Leben, spielten wohl Kühe (gwous). Der „Wert“ und die soziale Stellung eines Mannes wurden beispielsweise anhand der Anzahl seiner Tiere gemessen.

Des Weiteren praktizierten die Proto-Indoeuropäer eine polytheistische Religion. In deren Mittelpunkt standen vermutlich Opfer-Riten, welche durch eine Priester-Kaste vollzogen wurde. Die Kurgan-Hypothese erwägt Bestattungen vorwiegend in Hügelgräbern, teilweise aber auch in Steingräbern. Einflussreiche Anführer wurden mit ihrem Eigentum, möglicherweise gar mit bestimmten Familienmitgliedern, wie ihren Frauen, beigesetzt (Sati, Menschenopfer).

Außerdem gibt es Hinweise auf sakrale Königtümer, in welchen der Stammesführer gleichzeitig die Rolle eines hohen Priesters einnahm. Viele spätere, indoeuropäische Ethnien kannten eine Art „Dreiteilung“ ihrer Gemeinschaften, so gab es einen Klerus, eine Kriegerklasse, sowie einfache Bauern. Diese Ansicht wurde in erster Linie vom renommierten französischen Religionswissenschaftler Georges Dumézil in dieser Weise vertreten.

Werkzeuge und Waffen wurden aus Bronze gefertigt, Silber und Gold waren bekannt. Schafe hielt man um Wolle zu gewinnen, welche der Fertigung von Bekleidungsstücken diente. Hergestellt wurden diese mittels Webtechniken. Das Rad wurde nachweislich bei einfachen Ochsenkarren eingesetzt. Spätere Generationen entwickelten diese zu Streitwagen weiter, welche zu jener Zeit wohl als große Neuerung in der Kriegsführung galten.

Die ursprüngliche Eigenbezeichnung der Proto-Indoeuropäer konnte bisher nicht rekonstruiert werden. Vermutet wird eine etymologische Verwandtschaft zu „aryo-“, inwiefern diese mit „Arier“ in Verbindung gebracht werden darf oder kann ist Gegenstand der Forschung.

[Bearbeiten] Zusammenfassung

Die Proto-Indoeuropäer gelten als eine hypothetische Gruppe, welche vermutlich um ca. 4000 v. Chr. existiert hat.

Basierend auf der Rekonstruktion ihrer Sprache und archäologischen Funden können einige Merkmale ihrer Kultur teilweise festgestellt werden:

  • sie verehrten mindestens einen Gott, vermutlich *diwos ph2tēr (lit. "Himmelvater"), daneben existierten wahrscheinlich noch weitere Gottheitheiten
  • sie glaubten, dass Geister sie heimsuchen kommen können
  • sie verfassten möglicherweise bereits Lieder sowie Epen, welche wohl hauptsächlich über „unsterblichen Ruhm“ handelten
  • sie ritten Pferde
  • sie züchteten Vieh
  • sie hielten Sklaven, die sie als Eigentum betrachteten, ähnliche wie ihr Vieh
  • sie lebten in einem Klima-Bereich, in dem auch Schnee vorkam

Andere Feststellungen gelten als weniger sicher:

  • sie hatten vermutlich eine halbnomadische oder nomadische Lebensweise
  • sie hatten wahrscheinlich Karren mit massiven, aber nicht gespeichten Rädern (wie diese bei späteren Streitwagen vorkamen)
  • sie waren mit großen Seen, jedoch nicht mit Ozeanen vertraut

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

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