Reichstag (Weimarer Republik)
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Der Reichstag der Weimarer Republik (1919 bis 1933) war das Parlament, der Träger der Reichsgewalt als Vertretung des souveränen Volkes.
Nach der Weimarer Reichsverfassung aus dem Jahr 1919 wurde der Reichstag alle vier Jahre in allgemeiner, gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl nach dem Verhältniswahlrecht (ein Abgeordneter auf 60.000 Stimmen) gewählt. Der Reichstag beschloss die Reichsgesetze und war zuständig für den Beschluss über den Haushaltsplan, die Entscheidung über Krieg und Frieden sowie die Bestätigung einzelner Staatsverträge. Der Reichspräsident hatte das Recht zur Auflösung des Reichstages. Reichskanzler und/oder Reichsminister mussten zurücktreten, wenn der Reichstag ihnen das Vertrauen entzog.
In den Krisenjahren der Weimarer Republik (1931 bis 1933) war dem Reichstag eine einheitliche politische Willensbildung nicht mehr möglich.
Nach dem Reichstagsbrand gab der neue Reichstag, der am 5. März 1933 gewählt worden war, mit der Zustimmung zum sog. Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 Adolf Hitler den Weg frei zur Errichtung der Nazi-Diktatur. Mit dem Verbot der Linksparteien und der Selbstauflösung der Mitte- und Rechtsparteien im Frühjahr 1933 wurde der Reichstag zu einem von der NSDAP beherrschten Einparteienparlament. Seine letzte Sitzung fand am 26. April 1942 statt.
Mit dem Begriff "Reichstag" wird auch das Parlamentsgebäude in Berlin bezeichnet, das 1894 eingeweiht wurde. Es konnte diese Funktion jedoch nur 39 Jahre lang wahrnehmen, bis es am 27. Februar 1933 ausbrannte. Wer Urheber der Brandstiftung war, konnte nie restlos geklärt werden und ist bis heute umstritten. Nutznießer waren jedenfalls die Nationalsozialisten, den Brand zum Anlass nahmen, die Grundrechte per Präsidialverordnung abzuschaffen. Das Parlament tagte von da an in der Kroll-Oper. Das Reichstagsgebäude wurde im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges teilweise zerstört. Nach verschiedenen Phasen des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit wurde es erst in den 1990er Jahren grundlegend umgebaut und mit einer neuen Kuppel gekrönt. Seit 1999 ist es Sitz des Deutschen Bundestages.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Präsidenten des Deutschen Reichstages
- Paul Löbe (SPD) 1920-1924
- Max Wallraf (DNVP) 1924-1925
- Paul Löbe (SPD) 1925-1932 (2. Mal)
- Hermann Göring (NSDAP) 1932-1945
[Bearbeiten] Bekannte Reichstagsabgeordnete der Weimarer Republik
- Otto Braun (SPD)
- Heinrich Brauns, Zentrum
- Heinrich Brüning, Zentrum
- Konstantin Fehrenbach, Zentrum
- Andreas Hermes, Zentrum
- Alfred Hugenberg (DNVP)
- Theodor Heuss (DDP, ab 1930: Deutsche Staatspartei
- Oskar Hergt (DNVP)
- Adolf Hitler (NSDAP)
- Alfred Hugenberg (DNVP)
- Paul Löbe (SPD)
- Wilhelm Marx, Zentrum
- Philipp Scheidemann (SPD)
- Gustav Stresemann (DVP)
- Ernst Thälmann (KPD)
- Karl Trimborn (Zentrum)
- Adam Stegerwald (Zentrum)
- Otto Wels (SPD)
[Bearbeiten] Wahlsystem
Der Wähler hatte eine Stimme, die er auf eine Wahlkreisliste abgeben konnte Die Sitzzahl wurde nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt. Die Anzahl der Reichstagsmandate unterlag im Zeitablauf deutlichen Veränderungen, da die Gesamtmandatszahl von der Gesamtstimmenzahl abhängig war: Ein Sitz für 60.000 Stimmen sowie ein Restsitz für mindestens 30.000 Reststimmen (automatisches Verfahren nach Sainte-Laguë - siehe Sitzzuteilungsverfahren). So bestand die Nationalversammlung im Jahr 1919 aus 421 Mitgliedern, während 1933 der letzte Reichstag 647 Mitglieder hatte.
Die 36 Wahlkreise waren in 16 Wahlkreisverbände unterteilt, die jeweils für die Sitzverteilung zusammengefasst wurden. Eine Partei musste mindestens 30.000 Stimmen in einem Wahlkreis oder 60.000 Stimmen in einem Wahlkreisverband erreichen, um einen Sitz zu bekommen. Auch dieses System stärkte regionale Parteien, da sie leichter die notwendige Stimmenzahl in ihrer Region erreichen konnten.
Durch die Reststimmenverteilung konnte es zu nicht unbedeutenden Unterschieden zwische Stimmen- und Mandatsanteil kommen, es handelt sich also nicht um ein "reines" Verhältniswahlrecht.
[Bearbeiten] Literatur
- Martin Döring: "Parlamentarischer Arm der Bewegung". Die Nationalsozialisten im Reichstag der Weimarer Republik, Droste: Düsseldorf 2001, ISBN 3-7700-5237-4
- Thomas Mergel: Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag, Droste: Düsseldorf 2002, ISBN 3-7700-5249-8
- Martin Schumacher (Hg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945, 2. Aufl., Droste: Düsseldorf 1992, ISBN 3-7700-5169-6
[Bearbeiten] Weblinks
- Online Ausgabe der "Verhandlungen des Deutschen Reichstages - Stenographische Berichte", 1919-1939
- Datenbank der Reichstagsabgeordneten / Basis: Reichstagshandbücher (1919 - 1933/38)
- Wahlrecht.de - Reichstagswahlsystem
[Bearbeiten] Siehe auch
- Reichstag
- Reichstag (Heiliges Römisches Reich), Reichstag (Deutsches Kaiserreich)
- Reichstagsgebäude
- Nationalversammlung (Weimar), Mitglieder der Nationalversammlung
- Reichstagswahl, Liste der Reichstagsabgeordneten
- Reichsrat
Paul Löbe (SPD) | Max Wallraf (DNVP) | Paul Löbe (SPD) | Hermann Göring (NSDAP)
Nationalversammlung (1919–1920) – 1. Wahlperiode (1920–1924) – 2. Wahlperiode (1924) – 3. Wahlperiode (1924–1928) – 4. Wahlperiode (1928–1930) – 5. Wahlperiode (1930–1932) – 6. Wahlperiode (1932) – 7. Wahlperiode (1932–1933) – 8. Wahlperiode (1933)