Richard Sennett
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Richard Sennett (* 1. Januar 1943 in Chicago, Illinois) lehrt Soziologie und Geschichte in New York und London. Seine Hauptforschungsgebiete sind Städte, Arbeit und Kultursoziologie.
Berühmt wurde Sennett mit seinem Buch Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Sennett ist verheiratet mit der Soziologin Saskia Sassen.
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[Bearbeiten] Biographie
Sennett wuchs in Cabrini Green, einem Armenviertel von Chicago, auf. Sennett versuchte den sozialen Aufstieg aus dieser von ihm später als eng und bedrohlich beschriebenen Welt zunächst über die Musik. Er lernte in jungen Jahren Cello, komponierte und hatte Erfolge bei öffentlichen Auftritten. Das Studium der Musikwissenschaften und des Violoncello in New York musste er aufgrund einer fehlgeschlagenen Operation an seiner linken Hand aufgeben. Daraufhin studierte er zunächst bei David Riesman in Chicago, dann bei Talcott Parsons in Harvard Soziologie und später Geschichte.
Nach der Promotion 1964 forschte und lehrte er unter anderem in Harvard, Yale, Rom und Washington.
1998 erhielt Sennett den Premio Amalfi, 2006 wurde er mit dem Hegel-Preis ausgezeichnet.
[Bearbeiten] Werk
Sennetts Hauptthemen sind die Vereinzelung, Orientierungslosigkeit und Ohnmacht moderner Individuen, die Oberflächlichkeit und Instabilität zwischenmenschlicher Beziehungen sowie die Ausübung von Herrschaft. Vor allem in seinen Frühwerken bleibt er der Stadt seiner Kindheit und den in ihr gemachten Erfahrungen stark verhaftet. Die hohe Aktualität seiner Themen und sein eingängiger, essayistischer Stil ließen seine Bücher zu Bestsellern avancieren.
[Bearbeiten] Der flexible Mensch
In seinem Werk Der flexible Mensch (The Corrosion of Character), 1998, beschreibt Sennett die Auswirkungen des neuen Flexiblen Kapitalismus auf den Charakter. Durch die Flexibilisierung der Arbeitswelt verlieren Wertvorstellungen und Tugenden, wie Treue, Verantwortungsbewusstsein und Arbeitsethos, ebenso wie die Fähigkeit auf sofortige Befriedigung von Wünschen zu verzichten und Ziele langfristig zu verfolgen, an Bedeutung. Gründe für diese Entwicklung sind die Beschleunigung der Arbeitsorganisation, die stetig wachsenden Leistungsanforderungen, die zunehmende Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse sowie die Notwendigkeit, jederzeit aus beruflichen Gründen den Wohnort zu wechseln.
Auch auf der Makroebene konstatiert Sennett einen tiefgehenden Wandel. Er untersucht, nachdem er sich mit der Geschichte der Industriearbeit auseinandergesetzt hat, den Übergang vom ausgebildeten Industriekapitalismus, dem Fordismus, zu einem System der Flexiblen Spezialisierung. Beispielsweise wurde in der Automobilindustrie die Fließbandproduktion in einer Fabrik abgelöst von spezialisierten Produktions- und Zuliefererbetrieben, die ihren Standort und ihre Arbeitsabläufe ständig flexibel den Notwendigkeiten der globalisierten Wirtschaft anpassen. Strenge Hierarchien sind teilweise durch kleine ‚selbstverantwortliche Gruppen’ mit hohem Risiko abgelöst worden. Der Druck auf den Einzelnen, der sich auch in einem gewandelten Verständnis des Zeitbegriffs zeigt, steigt immens. Hinzu kommt eine engmaschige Überwachung der gesamten Produktionsprozesse - einschließlich der Arbeitenden - durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel.
All dies trägt zu einer Atmosphäre von Angst, Hilflosigkeit, Instabilität und Verunsicherung in weiten Teilen der Gesellschaft bei. Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer. Die Mittelschichten werden ausgedünnt. Dort ist eine Polarisierung zwischen einer kleineren Gruppe von Profiteuren und einer großen Anzahl von Verlierern des neuen Systems zu beobachten.
[Bearbeiten] Kultur des neuen Kapitalismus
Sennetts Analysen, die er in seinem 2005 in deutscher Übersetzung erschienenen Buch Kultur des neuen Kapitalismus fortsetzt und vertieft, beziehen sich auf die Auswirkungen des globalisierten Wirtschafts- und Verwaltungssystems auf das Leben der Menschen in den hoch industrialisierten Staaten.
[Bearbeiten] Werke (Auswahl)
- Die Kultur des Neuen Kapitalismus, Berlin, 2005 Beprechung in: Die Zeit und in der taz
- Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus,Berlin, 1998, ISBN 3-442-75576-X
- Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt am Main 1986 ISBN 3596273536
- Respekt im Zeitalter der Ungleichheit, Berlin: Berliner Verlag 2004, ISBN 3-8333-0074-4, englisch: Respect: The Welfare State, Inequality, and the City, 2003
- Fleisch und Stein englisch: Flesh and Stone: The Body and the City, 1994
- Autorität, 1990, englisch: Authority, 1980
- Ein Abend mit Brahms, 1985
- Civitas, Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds, 1991
- Die Tyrannei der Intimität. Eine Studie über den Verfall von Öffentlichkeit, 1991 ISBN 3596273536
- The Corrosion of Character: The Transformation of Work in Modern Capitalism, 1998
- The Conscience of the Eye: Urban Design and the Social Life of Cities,1990
- Palais-Royal, 1987
- The Fall of Public Man, 1977
- The Hidden Injuries of Class
- The Uses of Disorder, 1970
- Families against the City, 1970
[Bearbeiten] Interviews
- Sennett, Richard (2005): Tolerieren ist nicht genug. In: Die Welt, 30. April 2005 [1]
- Sennett, Richard (2005): Die Angst, überflüssig zu sein. In: Die Zeit, 19. Mai 2005, Nr.21 [2]
- Sennett, Richard (2005): In Wahrheit sind sie Kinder. In: Die Zeit, 15. September 2005, Nr.38 [3]
- Sennett, Richard (2006): "An der Schwelle zum Verfall" - Die US-Gesellschaft in der Passivitätskrise. Gespräch mit Ingar Solty. In: Das Argument 264, 1/2006 (Schwerpunktheft "Aussichten auf Amerika"), S.27-35
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Sven Opitz: Richard Sennett. In: Stephan Moebius & Dirk Quadflieg (Hg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. Wiesbaden: VS- Verlag für Sozialwissenschaften, 750 S., 2006, ISBN 3-531-14519-3
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Richard Sennett im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Homepage an der LSE
- Tolerieren ist nicht genug. Richard Sennett über Megastädte, Ghettos und die Möglichkeiten des neuen Bürgersinns. In: Die Welt vom 10. April 2005
- Die Angst, überflüssig zu sein. Zwang zur Anpassung: Warum der neue Kapitalismus unsere Freiheit nicht vermehrt hat. In: Die Zeit Nr. 21 vom 19. Mai 2005 Von Richard Sennett
- »In Wahrheit sind sie Kinder« In: Die Zeit Nr. 38 vom 15. September 2005 Von Richard Sennett
[Bearbeiten] Siehe auch
Prekarisierung, Subunternehmer, Immaterielle Arbeit, Flexibilisierung,
Personendaten | |
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NAME | Sennett, Richard |
KURZBESCHREIBUNG | US-Amerikanischer Soziologe |
GEBURTSDATUM | 1. Januar 1943 |
GEBURTSORT | Chicago |