S. A. Ramanujan
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Srinivasa Aiyangar Ramanujan (FRS), (Tamil: ஸ்ரீனிவாஸ ஐயங்கார் ராமானுஜன்) (* 22. Dezember 1887 in Irodu, Tamil Nadu; † 26. April 1920 in Kumbakonam, Tamil Nadu) war ein berühmter indischer Mathematiker.
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[Bearbeiten] Jugend und Ausbildung in Indien
Ramanujan wurde 1887 in Irodu geboren und wohnte mit seinen Eltern in der Saarangapani Straße. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen, obwohl seine Mutter, Komalatammal Ramanujan, als gut gebildete Frau galt.
1898 kam er auf die Town High School von Kumbakonam und galt dort schon bald als Mathematik-Wunderkind: Nur zwei Jahre später beherrschte er die Trigonometrie bereits so vollständig, dass er neue Theoreme aufstellte, die seine Lehrer in Erstaunen versetzten. Im Alter von 17 Jahren berechnete Ramanujan die Euler-Mascheroni-Konstante im Kopf auf 15 Stellen hinter dem Komma genau. Dabei hatte er sich den größten Teil seines Wissens autodidaktisch aus Büchern beigebracht, zum Beispiel aus A Synopsis of Elementary Results in Pure and Applied Mathematics von George Shoobridge Carr.
Im Jahre 1906 wechselte Ramanujan auf das Pachaiyappa’s College in Madras. Seine Absicht war, die Prüfung in einem künstlerischen Fach zu bestehen, um an der University of Madras aufgenommen zu werden. Ramanujan war allerdings so auf die Mathematik fixiert, dass er die anderen Fächer vernachlässigte und zweimal hintereinander das Examen nicht bestand. Er wurde nie Student an einer Universität.
Im Frühjahr 1909 erkrankte Ramanujan schwer und musste sich im April einer Operation unterziehen. Vier Monate später heiratete er am 14. Juli 1909 – dem Wunsch seiner Mutter entsprechend – die damals zehnjährige S. Janaki Ammal (1899–1994). Danach nahm er eine Arbeitsstelle in einem Buchhaltungsbüro des Hafenamtes in Chennai an. Neben seinem Beruf beschäftigte Ramanujan sich jedoch zusätzlich auch noch intensiv mit der Mathematik und veröffentlichte seine Ergebnisse in indischen naturwissenschaftlichen Zeitschriften und versuchte dann, europäische Mathematiker für seine Arbeit zu interessieren.
[Bearbeiten] Der Vorstellungsbrief
Ramanujan wandte sich zur Jahreswende 1912/1913 auf Anraten eines Engländers brieflich an Henry Frederick Baker und Ernest William Hobson – zwei Professoren der Universität von Cambridge in Großbritannien. Von den Adressaten erhielt er jedoch keine Antwort, sodass er beschloss, den zu jener Zeit bekanntesten Mathematiker, Godfrey Harold Hardy, anzuschreiben, welcher ebenfalls in Cambridge am Trinity College lehrte. Sein neun Seiten umfassender Brief vom 16. Januar 1913 begann mit den Worten:
- Sehr geehrter Herr,
- ich bitte darum mich Ihnen vorstellen zu dürfen als Angestellter der Buchhaltung in der Hafenverwaltung von Madras mit einem Jahreseinkommen von £ 20. Ich bin jetzt 26 Jahre alt. Ich habe keine abgeschlossene Universitätsausbildung, habe aber den üblichen Unterricht absolviert. […] Ich bitte Sie, die beigelegten Papiere durchzusehen. Da ich arm bin, möchte ich gerne meine Sätze veröffentlichen, falls Sie überzeugt sind, dass sie einen Wert haben.
Der Brief enthielt zahlreiche mathematische Sätze, allerdings ohne Beweise. Hardy erkannte das Talent des jungen Inders und war tief beeindruckt von Ramanujans Formeln:
- Nicht eine hätte bei der weltweit fortschrittlichsten Untersuchung herausgefunden werden können. Viele von ihnen haben mich glatt erschlagen; ich habe noch nie das Geringste von Ihnen gehört. Ein einfacher Blick reicht aus, um zu erkennen, dass diese nur von einem Mathematiker höchster Klasse entwickelt worden sein können. Sie müssen wahr sein, denn niemand hätte die Vorstellungskraft, sie sich lediglich auszudenken.
Seine Antwort, welche Ramanujan am 8. Februar erreichte, fiel dementsprechend kurz aus:
- Ich wünsche mehr… und Beweise, so schnell wie möglich!
Er lud Ramanujan ein, nach England zu kommen. Dieser lehnte anfangs ab, da er als orthodoxer Brahmane Angst hatte, er würde die Zugehörigkeit zu seiner Kaste verlieren, wenn er in ein fremdes Land ginge. Auch seine Mutter hatte Bedenken. So befragte Ramanujan drei Tage lang die astrologischen Konstellationen und die Familiengöttin Namagiri. Diese teilte ihm angeblich in einer Vision mit, er solle reisen. Als am 1. Januar 1914 ein Bote Hardys, Eric Harold Neville, eine nochmalige Einladung überbrachte, war er bereit, diesen zu begleiten. Am 17. März bestieg er zusammen mit Neville ein Schiff, das am 18. April in Cambridge anlegte. Hardy und dessen Partner John Edensor Littlewood empfingen Ramanujan bei seiner Ankunft und wenig später begann eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Briten.
[Bearbeiten] Wissenschaftlicher Erfolg in England
S. A. Ramanujan beschäftigte sich in der Folge hauptsächlich mit der Zahlentheorie und ist mit vielen beeindruckenden Summenformeln, welche Konstanten wie die Kreiszahl, Primzahlen und Partitionsfunktionen enthalten, berühmt geworden. Zudem erstellte er eine sehr gute Näherungsformel für die Berechnung des Ellipsenumfangs. Bekannt wurde auch seine Kettenbruchentwicklung, welche er noch 1914 veröffentlichte und mit deren Hilfe man bereits nach nur zehn Schritten 88 Stellen von pi errechnen kann. 1985 gelang es auf diese Weise, pi auf 17.000.000 Stellen hinter dem Komma auszurechen.
In den Jahren der gemeinsamen Arbeit mit Hardy, dem der Inder schon bald überlegen war, entstanden zahlreiche Werke über hochzusammengesetzte Zahlen, Mock-Theta-Funktionen (Pseudo-Theta-Funktionen) sowie die Vermutung der tau-Funktion, welche 1974 von Pierre Deligne nachgewiesen wurde. Gemeinsam entwickelten sie das Hardy-Ramanujan-Theorem. Dieser Satz liefert die bis heute exakteste Schätzung der Primzahlen.
Erwähnenswert ist, dass Ramanujan seine erstaunlichen Formeln oft ohne Beweis mitteilte – so wie er es im Alter von sechzehn Jahren in seinen Mathematikbüchern gelernt hatte. Erst andere Mathematiker haben sie später als korrekt bewiesen.
Am 18. Februar 1918 wurde er zum Fellow of the Cambridge Philosophical Society ernannt. Drei Tage später erschien sein Name auf der Kandidatenliste für den Titel Fellow of the Royal Society (FRS). Er war von zahlreichen namenhaften Mathematikern vorgeschlagen worden. Unter anderem sprachen sich Hardy, Littlewood, Percy Alexander MacMahon, Joseph Larmor, Thomas John I'Anson Bromwich, Seth Barnes Nicholson, Alfred Young, Edmund Taylor Whittaker, Andrew Russell Forsyth und Alfred North Whitehead für ihn aus. Aber auch Hobson und Baker, jene Professoren, die Ramanujan noch fünf Jahre zuvor nicht geantwortet hatten, befürworteten die Kandidatur. Die Auszeichnung erfolgte am 02. Mai. Am 10. Oktober des gleichen Jahres wurde Ramanujan die Ehrung Fellow of Trinity College Cambridge zuteil. Diese Auszeichnung sollte sechs Jahre währen und dann neu vergeben werden.
Berichten zufolge soll der Ramanujan in stark schwankenden Intervallen gearbeitet haben. Mehrere Male habe er 30 Stunden durchgehend am Schreibtisch gesessen und hätte dann für zwanzig Stunden geschlafen. Diese Unregelmäßigkeiten zehrten an seiner Gesundheit. Zudem litt er unter dem ihm unbekannten rauhen Wetter und hatte vermehrt Kreislaufprobleme. Aus Verzweiflung und Heimweh versuchte er sich sogar vor eine Londoner U-Bahn zu stürzen. Passanten konnten ihn jedoch zurückhalten.
[Bearbeiten] Formeln
Nachfolgend sind einige von Ramanujan entwickelte Formeln aufgelistet.
- „Ramanujansche tau-Funktion“ (Zahlentheoretische Funktion) als Basis für die Fourierreihe:
für teilerfremde
- Gesetz für Primzahlen p:
- Erfüllung der τ(n) durch die Kongruenz:
mit
[Bearbeiten] Tod und Nachleben
Ramanujan hatte zeitlebens gesundheitliche Probleme. Während seines Aufenthalts in England verschlechterte sich sein Zustand aus oben genannten Gründen, aber wohl auch wegen des Mangels an vegetarischer Kost während des Ersten Weltkrieges. Ende November 1918 sah Hardy jedoch Anzeichen für eine physische Besserung und schrieb in einem Brief:
- Ich denke, wir dürfen nun hoffen, dass er sich aus dieser schwierigen Lage befreit hat und auf dem Weg zu einer vollständigen Genesung ist. Seine Körpertemperatur hat aufgehört zu schwanken und er hat fast 6,35 Kilogramm zugenommen. Es hat nie ein Anzeichen für eine Verringerung seines außergewöhnlichen mathematischen Talents gegeben. Er hat selbstverständlich während seiner Krankheit weniger geschafft, aber die Qualität ist gleich geblieben. […] Er wird mit einem derart bedeutsamen Ansehen und Ruf nach Indien zurückkehren, wie sie noch kein Inder zuvor genossen hat und ich bin zuversichtlich, dass Indien ihn als den Schatz betrachten wird, der er ist. Seine natürliche Unkompliziertheit und Bescheidenheit sind nicht im geringsten vom Erfolg beeinflusst worden – tatsächlich ist alles, was versucht wird, nur dazu da, um ihm zu zeigen, dass er der Erfolg ist.
Wie im Brief angekündigt, reiste Ramanujan nach dem Ende des Krieges ab. Sein Schiff legte am 27. Februar 1919 in Cambridge ab und erreichte Indien am 13. März. Am 26. April des folgenden Jahres starb Srinivasa Aiyangar Ramanujan, mittlerweile in Mathematikerkreisen weltbekannt, im jungen Alter von nur 32 Jahren in Kumbakonam an Tuberkulose. Seine Witwe lebte bis zu ihrem Tod 1994 außerhalb von Chennai von einer kargen Rente.
Ramanujans persönliche Aufzeichnungen waren für einige Jahrzehnte verschollen und wurden nach ihrer Entdeckung im Laufe mehrerer Jahre von Bruce C. Berndt und George Neville Watson ediert und veröffentlicht. Sie bestehen lediglich aus vier Notizbüchern und einigen Manuskripten; jedes vollständig mit Formeln beschrieben. Da Ramanujan keine Beweise mitgeliefert hat, rätseln Mathematiker noch heute über die Bedeutung einiger Sätze.
Jahre später äußerte Hardy, dass seine größte Spende an die Mathematik die Entdeckung Ramanujans gewesen sei und bemerkte:
- Mit seinem Gedächtnis, seiner Geduld und seiner rechnerischen Begabung kombinierte er ein Verallgemeinerungsvermögen, ein Gefühl für Form und eine Fähigkeit, seine Hypothesen rasch zu modifizieren, die oft wirklich verblüffend waren, so dass er in seiner Zeit auf seinem Gebiet ohne Rivalen war. Er wäre wahrscheinlich ein bedeutenderer Mathematiker geworden, wenn sich in seiner Jugend jemand seiner angenommen und ihn erzogen hätte; er hätte dann mehr neue Dinge entdeckt und ohne Zweifel solche von größerer Bedeutung. Andererseits wäre er dann weniger Ramanujan und mehr ein europäischer Professor gewesen: Der Verlust hätte den Gewinn wahrscheinlich nicht aufgewogen.
Das Geburtshaus des Mathematikers in der Saarangapani-Straße in Irodu beherbergt heute ein umfangreiches Museum.
[Bearbeiten] Ramanujan Prize
Der Ramanujan Prize (voller Name: Ramanujan Prize for Young Mathematicians from Developing Countries) ist eine Auszeichnung, die seit 2005 vom Abdus Salam International Centre for Theoretical Physics (ICTP) im Gedenken an den berühmten Inder verliehen wird. Mit dem mit 10.000 US-Dollar dotierten Preis werden junge Mathematiker unter 45 Jahren aus Entwicklungsländern geehrt, die sich auf wissenschaftlichem Gebiet besonders für ihr Land eingesetzt oder um dieses verdient gemacht haben. Der Preisträger wird von einem fünfköpfigen Wissenschaftlerkommitee in Zusammenarbeit mit der International Mathematical Union (IMU) ermittelt.
[Bearbeiten] Preisträger
[Bearbeiten] Zitate
- „Eine Gleichung ergibt für mich keinen Sinn, wenn sie nicht einen göttlichen Gedanken zum Ausdruck bringt.“
- „Ist Null geteilt durch Null ebenfalls Eins? Wenn man keine Frucht auf niemand aufteilt, bekommt dann auch jeder eine?“ (Einwurf in der Schule, nachdem der Lehrer erklärt hatte, dass eine Größe durch sich selbst geteilt immer gleich Eins ist. Teilt man nämlich drei Äpfel auf drei Menschen auf, bekommen alle einen.)
[Bearbeiten] Auszeichnungen
- 18. Februar 1918: Fellow of the Cambridge Philosophical Society
- 02. Mai 1918: Fellow of the Royal Society
- 10. Oktober 1918: Fellow of Trinity College Cambridge
[Bearbeiten] Literatur
- Robert Kanigel: Der das Unendliche kannte. vieweg-Verlag, 1995, ISBN 352816509X
[Bearbeiten] Weblinks
- Quarks & Co - Ein Genie mit Intuition: Ramanujan
- Seite über den Ramanujan Prize
- Bild von Ramanujan
- Büste Ramanujans
- Büste Ramanujans
- Bilder von Hardy und seinem „Boten“ Neville
Personendaten | |
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NAME | Ramanujan, S. A. |
ALTERNATIVNAMEN | Ramanujan, Srinivasa Aiyangar |
KURZBESCHREIBUNG | indischer Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 22. Dezember 1887 |
GEBURTSORT | Irodu, Tamil Nadu |
STERBEDATUM | 26. April 1920 |
STERBEORT | Kumbakonam |