Schock (Medizin)
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In der Medizin wird der Begriff Schock für ein akutes, lebensgefährliches und komplexes Versagen des Kreislaufs verwendet. Verschiedene Ursachen führen zunächst zu einem Missverhältnis zwischen dem eigentlichen Durchblutungsbedarf der Organe und dem vorhandenen Herzzeitvolumen. Daraus entwickelt sich eine Störung der Mikrozirkulation mit Mangel an Sauerstoff und Übersäuerung (Azidose) der Gewebe und des Blutes. Man unterscheidet vier Hauptgruppen, in der Praxis handelt es sich jedoch oft um Mischformen.
Merken kann man sich die folgenden Schockformen mit dem Namen "HANS K."
-Hypovolämischer Schock
-Anaphylaktischer Schock
-Neurogener Schock
-Septisch-Toxischer Schock
-Kardiogener Schock
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Hypovolämischer Schock
Der hypovolämische Schock, auch Volumenmangelschock, entsteht durch eine unzureichende intravasale (in den Blutgefäßen befindliche) Blutmenge (absoluter Blutvolumenmangel). Dies führt zu einer verminderten Füllung der Herzkammern und damit zu einer Abnahme des Schlagvolumens. Wenn es nicht durch eine erhöhte Herzfrequenz kompensiert wird, resultiert daraus eine Abnahme des Herzzeitvolumens.
- Flüssigkeitsverlust: Hitzekollaps, Verbrennungen, aber auch Durchfall und Erbrechen.
- Blutverlust: Hämorrhagischer Schock ausgelöst durch starke Blutungen nach Unfällen oder anderen schweren Verletzungen.
Ein Blutverlust von ca. 50% ist ohne Therapie fast immer tödlich.
Der hypovolämische Schock entsteht häufig durch Traumata, innere Blutungen (Ösophagusvarizen, Aortenaneurysma). Die Blutungen sind also häufig nicht äußerlich sichtbar. Der hypovolämische Schock kann auch Folge von größeren Verlusten anderer Körperflüssigkeiten als Blut sein: Plasma- bzw. Flüssigkeitsverluste durch Verbrennungen, Erbrechen, Durchfälle, Fistel, Peritonitis, Pankreatitis oder Ileus. Normalerweise entsteht ein Volumenmangel (Hypovolämie) über mehrere Stunden.
Der hypovolämische Schock kann auch durch mangelnde Flüssigkeitszufuhr entstehen (alte Menschen), was zur Dehydratation mit weiter steigenden Flüssigkeitsverlusten führt.
Auffallende Symptome sind kollabierte Halsvenen (Differentialdiagnose zum kardiogenen Schock), Blässe, kalte und feuchte Haut, starker Durst, Unruhe, Kältezittern und Oligurie.
[Bearbeiten] Anaphylaktischer Schock
Schwerste Form einer allergischen Reaktion. Die enorme Histaminfreisetzung führt zu einer Gefäßweitstellung mit relativem Flüssigkeitsmangel und Blutdruck-Abfall. Das Herz-Minuten-Volumen (normal 4-6 l/min) nimmt ab, die Bronchien verengen sich. Im Extremfall verstirbt der Patient innerhalb weniger Minuten an Herz-Atemstillstand. Ursächlich können Medikamente wie Penicillin oder andere sogenannte Allergene sein. Besonders Patienten mit erhöhter Allergiebereitschaft sind gefährdet (Neurodermitis, Heuschnupfen,..).
Durch den Ausfall der sympathischen Innervation der Blutgefäße (z.B.: durch Querschnittlähmung) kommt es zu einer Weitstellung derselben und damit über einen relativen Volumenmangel zur Hypotension welche die Sauerstoffversorgung des Gewebes beeinträchtigt.
[Bearbeiten] Septisch-Toxischer Schock
Beim septischen Schock reagiert der Organismus auf eine generalisierte oder lokal begrenzte Infektion mit einer generalisierten Entzündungsreaktion. Das Vorhandensein lebensfähiger Erreger im Blutkreislauf (z.B. Bakteriämie) ist hierbei nicht zwingend erforderlich. Der septische Schock ist gekennzeichnet durch Fieber oder Hypothermie, Blutdruckabfall (arterielle Hypotonie) in Folge eine massiven Gefäßweitstellung (Vasodilatation), Tachykardie und warme, rosige Haut. Durch die Vasodilatation kann es zu einer Beeinträchtigung der Organversorgung kommen. Insbesondere gefährdet sind die Organe des Verdauungstraktes. Eine Unterversorgung mit Sauerstoff (Gewebehypoxie) kann zu einem Übertritt von Bakterien und Toxinen (Translokation) aus dem Darm in die freie Bauchhöhle und die Blutbahn führen. Durch diesen und viele andere Mechanismen wird der septische Schock häufig auch nach chirurgischer und antibiotischer Sanierung des ursprünglichen Infektionsherdes aufrechterhalten. An einem septisch-toxischem Schock sterben 30 - 60 % der erkrankten Menschen. Hauptursachen sind Kreislaufversagen, Herzversagen und Multiorganversagen. Die Behandlung des septischen Schock basiert auf einer chirurgischen Herdsanierung und einer effektiven Antibiotikatherapie. Wesentlich ist ebenso die Kreislaufunterstützung durch aggressive Volumengabe, ggf. Transfusion von Blutprodukten und Gabe kreislaufunterstützender Medikamente (in erster Linie Katecholamine).
Literatur:
Bauer M, et al: Sepsis - Aktuelle Aspekte zu Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Anaesthesist 2006; 55(8):835-845
[Bearbeiten] Kardiogener Schock
Beim Kardiogenen Schock, auch "Herzschock" genannt, ist das Herz nicht mehr in der Lage, das benötigte Herzzeitvolumen zu fördern, z.B. nach Herzinfarkt, Angina Pectoris, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen oder Hypertensiver Krise. Er tritt als Folge eines Pumpversagens des Herzens auf. Diese Schockart ist eine Ausnahme. In diesem Falle darf unter keinen Umständen eine Volumenzufuhr durch Infusion oder eine Selbsttransfusion durch Hochlagern der Beine durchgeführt werden, da es sonst infolge zusätzlicher Überforderung des Herzens zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand kommt. Auch die sonst übliche Schocklagerung (s.u.) ist in dieser Situation kontraindiziert; der Oberkörper des Patienten sollte hier vielmehr hochgelagert werden.
[Bearbeiten] Ursachen
Ursachen des kardiogenen Schocks können am Herz selbst (intrakardial), aber auch außerhalb des Herzens liegen (extrakardial). Intrakardiale Ursachen können den Herzmuskel (Myokard) betreffen, wie z. B. ein Myokardinfarkt, eine Myokarditis oder eine Kardiomyopathie, oder den Klappenapparat (akute Mitral- oder Aortenklappeninsuffizienz, akute Endokarditis, Papillarmuskelabriss). Weitere Ursachen könnten ein Trauma oder eine Aortendissektion darstellen.
Extrakardiale Ursachen sind zum Beispiel eine Herzbeuteltamponade mit Behinderung der diastolischen Füllung der Herzkammer, eine Entzündung des Herzbeutels (Perikarditis) oder ein tumorbedingter Erguss in den Herzbeutel (Perikardkarzinose). Andere extrakardiale Erkrankungen, die zu einem kardiogenen Schock führen können, sind z. B. eine Lungenembolie oder ein Vorhofmyxom.
Die beschriebenen Erkrankungen können zu einer verminderten Pumpleistung des Herzens führen und damit zu einer verminderten Durchblutung der Kreislaufperipherie. Dies kann den ersten Schritt für die Entwicklung eines Schocks darstellen.
[Bearbeiten] Diagnose
Der Betroffene klagt über Atembeschwerden (Dyspnoe). Durch eine rasche klinische Untersuchung mit Blutdruckmessung und Auskultation von Herz und Lunge wird zunächst die Verdachtsdiagnose überprüft. Infolge des Linksherzversagens kommt es zu feuchten Rasselgeräuschen über den basalen Lungenabschnitten.
Ein möglichst frühzeitiges 12-Kanal-EKG ist zur Erkennung eines Herzinfarktes als häufigster Ursache des kardiogenen Schocks nötig. Im Thorax-Röntgen ist meist eine Lungenstauung erkennbar. Die Echokardiographie gibt oft Aufschluss über die zugrundeliegende Krankheit (Herzbeuteltamponade, Klappenfunktion, Ventrikelfunktion). In einzelnen Fällen ist eine invasive Diagnostik mittels Rechtsherzkatheteruntersuchung angezeigt.
[Bearbeiten] Symptome
Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen eines Schocks sind auch seine Symptome variabel. Sie müssen nicht immer vollständig ausgeprägt sein und einige treten nur bei bestimmten Schockformen auf. Typische Symptome sind
- kalter Schweiß
- Angstzustände
- blasse oder bläuliche Hautfarbe (Zyanose)
- verlängerte Rekapillarisierungszeit (Nagelbettprobe)
- Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit
- Teilnahmslosigkeit, Unruhe, Verwirrtheit
- schneller Puls (Tachykardie), beispielsweise beim Erwachsenen über 100 Schläge pro Minute. Gleichzeitig ist der Puls schwach und kaum tastbar
- Versiegen der Harnproduktion (Oligurie bis Anurie)
- beim Erwachsenen ist der schock-definierende mittlere Blutdruck (systolischer Blutdruck + 2 x diastolischer Blutdruck)/3) < 60 mmHg.
- hoher Schockindex
- Ein Schock kann aber auch bei höheren Blutdruckwerten auftreten, insbesondere bei Patienten die unter Bluthochdruck leiden, und bei denen ein plötzlicher Abfall des Blutdrucks zu einer mangelnden Perfusion (Durchblutung), bzw. Sauerstoffversorgung vitaler Organe (Herz, Gehirn, Lunge, Niere) führen kann.
[Bearbeiten] Gefahren
- Verschlechterung des Zustandes des Patienten, beispielsweise
- Bewusstlosigkeit
- Atem- und Kreislaufstillstand
- Durch die Zentralisation des Kreislaufs werden nur noch die lebenswichtigen Organe, wie Gehirn, Herz und Lunge, versorgt (Makrozirkulation). Die Durchblutung der Kapillargefäße der übrigen Organe (Mikrozirkulation) kann dabei zum Erliegen kommen, dies geschieht bereits ab einem Blutverlust von ca. 1 Liter (zum Vergleich: Der menschliche Körper hat 5 - 6 Liter Blut, je nach Konstitution). Wird ein Schock über einen längeren Zeitraum nicht behandelt, kommt es dadurch zu einem irreversiblen Schock und es besteht die Gefahr eines Nierenversagens und eines tödlich verlaufenden Multiorganversagens. Es kommt zu einer Übersäuerung des Blutes (Azidose), zudem sammeln sich in Blut und Gewebe Giftstoffe an. Mit der Zeit werden auch die Gefäße nach und nach durchlässiger, so dass die Giftstoffe noch in andere Körperregionen transportiert werden.
[Bearbeiten] Sofortmaßnahmen
Die Sofortmaßnahmen beim Auffinden eines Patienten mit Schock dienen dazu, dessen Kreislauf solange aufrecht zuerhalten, bis eine medikamentöse Therapie oder ein Ausgleich des ursprünglichen Blutverlustes, zum Beispiel durch Transfusionen, möglich ist. Besonders hervorzuheben ist hier das Beseitigen der Ursachen, zum Beispiel durch Stillen von Blutungen. In den meisten Fällen empfiehlt sich die Schocklagerung (Autotransfusionslage), bei der die Beine des Patienten durch Hochhalten und/oder Unterlegen von geeigneten Materialien rund 20 bis 30 Grad höher gelagert werden als der restliche Körper. Dadurch wird das in den Beinen befindliche Blut (ca. 0,7 Liter) dem zentralen Kreislauf,also v.a. den lebenswichtigen Organen Gehirn, Herz, Niere, Leber, Lunge zur Verfügung gestellt. Bei einem kardiogenen Schock ist die Schocklagerung kontraindiziert, da nicht fehlendes Blut bzw. Volumen das Problem ist, sondern eine Pumpschwäche des Herzens, welches durch die Schocklagerung nur noch höher belastet würde. In diesem Fall sollte der Oberkörper aufrecht gelagert werden. Bei Erkrankung/Verletzung im Brustbereich wird die Schocklagerung ebenfalls nicht durchgeführt, da hier das Risiko einer Verschlimmerung der ursprünglichen Verletzung den Nutzen überwiegt. Gleiches gilt für Verletzungen/Erkrankungen an Kopf, Wirbelsäule, Becken, Bauch und Beinen. Ebensowenig wird die Schocklagerung bei einer Unterkühlung angewandt. Die Beine werden nicht hochgelagert bei: Bauch-, Brust-, Becken-, Bruch- und Kopfverletzungen. Wichtig ist auch die Erhaltung der Körperwärme, die durch die Erweiterung der Blutgefäße reduziert wird. (Bis zu 3 Grad Celsius)
Ebensowenig wird die Schocklagerung bei einem orthostathischem Schock (Hängetrauma) angewendet. Der Verunfallte soll nach meist vertretener Meinung ca. 30 Minuten nicht hingelegt sondern hingesetzt (Kauerstellung) werden. Das Hängetrauma tritt nach längerem (einige Minuten) bewegungslosem aufrechtem Sitzen oder Hängen in Klettergurten o.ä. auf. Das in den Beinen versackte Blut (eventuell mit Schadstoffen angereichert) strömt sonst zu schnell zum Herz zurück und das kann nicht die plötzlich erforderliche Pumpleistung aufbringen was zu Herzversagen führt.
[Bearbeiten] Weitere Maßnahmen durch den Rettungsdienst
- Sauerstoffgabe, bei stark ausgeprägter Symptomatik Intubation und Beatmung
- mehrere großlumige Zugänge oder ein zentralvenöser Zugang zum Ausgleich von Blutverlusten durch Infusionen (sowohl kristalloide als auch kolloidale (Hydroxyethylstärke(HES)))
- Monitoring (EKG, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Blutdruck)
- Transport in eine dafür geeignete Notaufnahme mit Schockraum
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Böcker, Denk, Heitz: Pathologie. Urban & Fischer, München 2001, ISBN 3-437-42380-0.
- Gerd Herold: Innere Medizin. Eigenverlag, Köln 2005.
- Rossi, Dobler, Notfalltaschenbuch. Stumpf und Kossendey, Wien 1998. ISBN 3-932750-01-2.
[Bearbeiten] Weblink
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