Tugendpartei (Türkei)
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Die Tugendpartei (FP, Fazilet Partisi) war eine von 1997-2001 existierende rechte islamische Partei in der Türkei. Sie wurde Dezember 1997 unter maßgeblicher Beteiligung des Ministerpräsidenten Erdoğan in Erwartung des Verbots der Wohlfahrtspartei (Türkei) von Politikern jener Partei gegründet. Im Januar 1998 verbot das türkische Verfassungsgericht die Wohlfahrtspartei (RP), trotz Verlusten immer noch stärkste Fraktion im Parlament, wegen „Aktivitäten zum Umsturz der weltlichen Verfassungsordnung“. Der Partei wurden Sympathien zum Dschihad und die Debatte über die Einführung der Sharia – in der Türkei absolut tabu – vorgeworfen. Der Parteiführer und frühere Ministerpräsident Necmettin Erbakan wurde mit einem fünfjährigen Verbot politischer Betätigung belegt.
„In neuem Gewande präsentierten sich die Islamisten im Mai 1998 mit einer Massenveranstaltung als politische Kraft, die – in deutlicher Abkehr von der Rhetorik der Wohlfahrtspartei unter Erbakan – für ‚Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte’ kämpfe und es mit der Verwirklichung einer Demokratie mit gleichen Rechten und Freiheiten wie in den westlichen Ländern ernst meine.“ Vorlage:Quelle?
Dennoch wurde auch diese neue Partei, wie schon ihre Vorgängerinnen, vom laizistisch ausgerichteten, mächtigen Militär, das seit jeher den politischen Islam in der Türkei zu unterdrücken suchte, mit Misstrauen verfolgt. Erdoğan wurde nicht zum Parteipräsidenten gewählt, obwohl dies allgemein angenommen wurde. Am 14. Mai 1998 sprach die Partei das Amt Recai Kutan zu, einem Veteranen der alten Fundamentalistengarde.
[Bearbeiten] Haftstrafe für Erdoğan
Für das laizistisch ausgerichtete Militär bedeutete Erdoğan eine besondere Herausforderung. Da er nicht nur bei den klassischen Wählern der Islamisten Erfolg hatte, sondern in breiten Bevölkerungsschichten Zustimmung fand, wurde sein Aufstieg an die Schalthebel politischer Macht auch mit zweifelhaften juristischen Mitteln bekämpft. So wurde er im April 1998 von einem Staatssicherheitsgericht in der südanatolischen Metropole Diyarbakir zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Anlass war eine Rede Erdoğans, in der er den ansonsten allseits geachteten Dichter Ziya Gökalp, den Vater des türkischen Nationalismus, mit einigen Versen („Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Kuppeln unsere Helme, die Minarette unsere Schwerter“) zitiert hatte, in denen das Gericht Volksverhetzung als gegeben ansah. Verteidigung und Anklage hatten auf Freispruch plädiert. Erdoğan wurde mit einem lebenslangen Politikverbot belegt.
Politische Beobachter sprachen von einem klaren Fall politischer Unrechtsjustiz, durch die eine wahrscheinliche Wahl Erdoğans in die Chefetage der FP verhindert werden sollte. Tausende demonstrierten in Istanbul gegen das Urteil. Erdoğan versuchte seiner Haftstrafe mit allen Mitteln zu entkommen. Nachdem das Berufungsgericht in Ankara den Urteilsspruch als letzte Instanz bestätigt hatte, wurde er in die Strafanstalt Pinarhisar in Kirklarerli im Nordosten von Istanbul eingewiesen; nur die Haftdauer wurde auf 120 Tage reduziert. Seine Haft wurde von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International beobachtet.
Am 24. Juli 1999 wurde Erdoğan aus der Haft entlassen. Von öffentlichen und politischen Ämtern ausgeschlossen engagierte er sich für interne Arbeiten in der FP. Die Partei war in den Wahlen vom 18. April hinter die Partei der Demokratischen Linken (DSP, Demokratik Sol Partisi) von Bülent Ecevit und die rechtsextremistische Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP, Milliyetçi Hareket Partisi) von Devlet Bahçeli zurückgefallen. Unter diesen Umständen konnte seinem Ruf als politischer Hoffnungsträger weder Haft noch Politikverbot etwas anhaben, denn die Haftstrafe hatte nicht eine Schwächung der isamistischen Bewegung durch die Beraubung einer Führungsfigur, sondern genau das Gegenteil, nämlich einen noch größeren Rückhalt Erdoğans in der Bevölkerung, bewirkt.
[Bearbeiten] Politischer Kurswechsel
Erdoğan selbst demonstrierte nach seiner Haftentlassung ein gesteigertes Maß an Toleranz und Liberalität.
Er distanzierte sich vom Begriff des ‚politischen Islam’, lobte den in der Verfassung verankerten Laizismus, die Trennung von Religion und Staat.
- ‚Der Islam ist eine Sache von Anstand und Moral und letztlich meine persönliche Angelegenheit’, sagte er. ‚Politik hingegen bedeutet, dass man Dinge im Sinne der Wähler erledigen muss.’
Damit gewann er an Akzeptanz auch bei Wählerschichten, die ihn wegen seiner Erfolge als Bürgermeister als Person schätzten, den Islamisten aber ablehnend gegenüberstanden. Dies führte zu wachsender Distanz zur Führungsriege der Tugendpartei (FP), die zunächst eher taktisch motiviert schien und nun inhaltlich begründet wurde. Erdoğan stand in engem Kontakt zu den jungen Reformern dieser Partei. Vom Spiel mit Erbakan, mit dem er lange Zeit auf gleicher Schiene gefahren war, hielt er sich zusehends fern. Allmählich zeichnete sich eine Zweiteilung der Partei ab, in der Erbakan und Kutan am bisherigen radikalen Kurs festhielten und sich die Reformer unter Abdullah Gül formierten. Als am Parteitag vom 14. Mai 2000 die Fortführung des bisherigen Kurses beschlossen wurde, schloss sich Erdoğan der Gruppe von Gül an. Die interne Spaltung der Partei war nicht religiös begründet, sondern rein (sozial)politisch. Erdoğan und seine Kollegen offerierten wenig rhetorisches Geplänkel, überzeugten aber mit Aspekten wie der Stärkung der demokratischen Werte und der Achtung der Menschenrechte.
Durch die rechtlichen Maßnahmen, die die Staatsanwaltschaft zum Verbot der FP in Erwägung zog, spitzte sich die Situation für Erdoğan und Gül zu. Am 22. Juni 2001 wurde die Tugendpartei aus den gleichen Gründen wie schon ihre Vorgängerin verboten.