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Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wikipedia:Deutschlandlastige Artikel
Deutschlandlastige Artikel
Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern.

Der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, oft noch mit der älteren Überschrift als Verkehrsunfallflucht oder einfach Unfallflucht bezeichnet, ist in Deutschland in § 142 StGB geregelt.

Nach dieser Vorschrift wird derjenige bestraft, der sich als an einem Verkehrsunfall Beteiligter vom Unfallort entfernt, ohne zuvor den anderen Unfallbeteiligten die Feststellung seiner Personalien ermöglicht zu haben oder hierzu wenigstens eine angemessene Zeit gewartet zu haben, sowie derjenige, der sich zwar erlaubterweise vom Unfallort entfernt hat, die erforderlichen Feststellungen aber nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

Die deliktische Handlung ist häufig Thema von Kriminalstücken oder -filmen, z.B. Fahrerflucht mit Kai Wiesinger (2003)

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Wortlaut

§ 142 StGB lautet:

(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
1. nach Ablauf der Wartefrist (Abs. 1 Nr. 2) oder
2. berechtigt oder entschuldigt
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Abs. 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.
(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Abs. 3).
(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

[Bearbeiten] Normgeschichte

Schon inn der Frühzeit des Automobils ergab sich das Problem, dass aufgrund der Schnelligkeit des Autos sich ein Unfallbeteiligter schnell entfernen konnte, ohne identifiziert zu werden. Verstärkt wurde diese Problematik durch die staubigen Straßen und dem Fehlen von Nummernschildern. In Deutschland wurde ein erstes entsprechendes Gesetz 1942 eingeführt

Zuletzt wurde durch das 6. Strafrechtsreformgesetz die Regelung über tätige Reue (§ 142 Abs. 4) eingefügt, um dem Täter eine goldene Brücke zurück in die Legalität zu bauen, indem durch Nachtatverhalten Straflosigkeit erreicht werden kann. Der Umstand, dass in § 142 in erster Linie Gesinnung unter Strafe steht, wird auch durch die neueste Reform jedoch in keiner Weise verändert, sondern nach Ansicht zahlreicher Kritiker durch die straflose Besinnungszeit sogar noch verstärkt und verdeutlicht.

[Bearbeiten] Verfassungskonformität

Die Vereinbarkeit von § 142 StGB mit dem Grundgesetz wurde und wird mit dem Argument bestritten , es liege ein Verstoß gegen Art. 103 GG vor, da der Täter verpflichtet werde, durch eigenes Verhalten zur einer gegen ihn gerichteten ordnungs- oder strafrechtlichen Sanktion aus anderen Delikten (Straßenverkehrsgefährdung, Sachbeschädigung, Körperverletzung) beizutragen (Nemo tenetur se ipsum accusare). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch mit der in BVerfGE 16, 191 veröffentlichten Entscheidung die Verfassungskonformität bejaht, womit das Problem jedenfalls für die Rechtspraxis entschieden ist.

[Bearbeiten] Kriminalpolitische Diskussion

Unter den Befürwortern der Norm wird die Schutzwürdigkeit der Rechtssicherheit im ohnehin gefährlichen Straßenverkehr ins Feld geführt.

Wer die Abschaffung des § 142 StGB fordert gilt im politischen Diskurs schnell als Vertreter der Interessen rücksichtsloser Raser, obgleich die Normzwecke des Schutzes vor Unfallfolgen abschließend durch die Normen Straßenverkehrsgefährdung, Sachbeschädigung und Körperverletzung, ggfs. mit Todesfolge oder auch (fahrlässige) Tötung vollständig abgedeckt sind.

[Bearbeiten] Die Merkmale des objektiven Tatbestands

[Bearbeiten] Unfallbeteiligter

Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen des Einzelfalles zur Verursachung des Unfalles beigetragen haben kann. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Betreffende schuldhaft gehandelt hat. Zum Beispiel ist man Unfallbeteiligter auch dann, wenn man wegen eines Tieres, das auf die Fahrbahn läuft, stark bremst und der Nachfolgende auffährt.

Weitere Beispiele:

  • Beifahrer, der eine leere Bierdose aus dem Fenster wirft und dadurch einen Unfall verursacht
  • Fahrzeughalter, der einem Betrunkenen das Auto überlässt, jedoch nur dann, wenn er selbst im Auto mitfährt

Da hingegen ist ein Zeuge, der den Unfall lediglich beobachtet hat, kein Unfallbeteiligter. Wenn er sich vom Unfallort entfernt, bevor die Polizei eintrifft, kann er nicht nach § 142 StGB bestraft werden.

[Bearbeiten] Unfall

Unfall ist ein plötzliches Ereignis im Verkehr, das von mindestens einem Beteiligten ungewollt ist und mit den Gefahren des Straßenverkehrs in ursächlichem Zusammenhang steht, bei dem ein nicht ganz unerheblicher Personen - oder Sachschaden entsteht. Die momentane (richterliche) Regelung bestimmt den unerheblichen Sachschaden mit weniger als 40 - 50 €. Umstritten ist, ob ein Unfall im Straßenverkehr auch dann gegeben ist, wenn das Schadensereignis vorsätzlich herbeigeführt wurde (vgl. dazu BGH NJW 2002, 626 und Schnabl, NZV 2005, 281).

[Bearbeiten] Straßenverkehr

Der Unfall muss sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignen. Mit öffentlichem Straßenverkehr ist der Verkehr (Fußgänger und Fahrzeuge) auf öffentlichen Wegen oder Plätzen gemeint. Eine Unterscheidung wird mitunter in tatsächlich öffentlich - für alle zugänglichen Wege wie beispielsweise Garagen, Tankstellen, Parkplätze - und rechtlich öffentlich (Widmung durch Verkehrsbehörde) vorgenommen. Bei der ersten Variante bedarf es unter Umständen der Zustimmung des Inhabers/Pächters. Reine Privatstraßen fallen nicht unter diese Regelung.

Es muss allerdings ein Fremdschaden eingetreten sein. Entfernt sich der Täter nach einer bloßen Verkehrsgefährdung ist er nicht nach § 142 StGB, wohl aber nach anderen Vorschriften, strafbar.

Die unverzüglich abgegebene Unfallmeldung bewahrt den Unfallverursacher vor einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

Öffentlicher Verkehr findet auch auf den nicht gewidmeten Straßen, Plätzen und Wegen statt, wenn diese mit Zustimmung oder unter Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich allgemein benutzt werden. Dagegen ist der Verkehr auf öffentlichen Straßen nicht öffentlich, solange diese, zum Beispiel wegen Bauarbeiten, durch Absperrschrankgen oder ähnlich wirksame Mittel für den Verkehr gesperrt sind (Verwaltungsvorschrift zu § 1 StVO).

Dem öffentlichen Straßenverkehr dient jedweder Verkehrsgrund, der der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken (also nicht zu Spielzwecken, Sportzwecken etc.) zur Verfügung offen stehen, bei straßenrechtlicher Widmung oder bei Gemeingebrauch mit Zustimmung des Berechtigten ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse. Eine Sperrung für einzelne Verkehrsarten (z. B. Radfahrer) ist dabei unbedeutend. Öffentliche Straßen kann auch der Weg zu einem Privateigentum sein, z. B. eine private, nicht besonders gekennzeichnete Zufahrt, die zu mehreren Wohnhäusern führt.

[Bearbeiten] Sich entfernen

Die Tathandlung begeht, wer sich räumlich von der Unfallstelle absetzt. Entgegen früherer Rechtsprechung, als bereits eine geringe Bewegung zur Seite genügte, zum Beispiel das zur Seite treten und unter die Schaulustigen mischen eines Unfallbeteiligten, um unerkannt zu bleiben, fordert die heutige Rechtsprechung eine räumliche Absetzbewegung des Täters in einen Bereich hinein, in dem eine feststellungsbereite Person den Unfallbeteiligten nicht mehr vermuten würde. Das kann zum Beispiel das Verbergen in einem Haus, welches sich an der Unfallstelle befindet sein. Regelmäßig entfernen sich die Täter aber tatsächlich räumlich weit von der Unfallstelle weg. Ein interessantes psychologisches Phänomen ist dabei, dass der überwiegende Teil der Unfallflüchtigen zunächst nach Hause zurück kehrt. Auch kurzzeitiges Entfernen ist grundsätzlich mit Strafe bedroht, kann aber gerechtfertigt sein, wenn man zum Beispiel von einer Telefonzelle die Polizei verständigt oder Hilfe herbeiholt.

Nicht strafbar ist das Entferntwerden wider den eigenen Willen, zum Beispiel wenn man vom Rettungsdienst in das Krankenhaus eingeliefert wird.

[Bearbeiten] Feststellungen

Das Treffen von Feststellung bezieht sich auf die Angaben zur Person, zum Fahrzeug und zur Art der Beteiligung an einem Verkehrsunfall. Grundsätzlich muss bei dem Verkehrsunfall fremdes Feststellungsinteresse gegeben sein, dass heißt dass eine der Unfallparteien, im Regelfall werden es alle am Unfall beteiligte Personen sein, ein Interesse an der Feststellung dieser Daten haben muss. Dieses Interesse wird sich regelmäßig damit begründen lassen, dass bei dem Unfall ein Schaden entstanden ist, der zivilrechtlich reguliert werden muss. Zur Wahrung dieses Feststellungsinteresses verlangt der Gesetzgeber von den Unfallbeteiligten ein bestimmtes Handeln, welches sich an der Unfallsituation festmacht.

Ist eine feststellungsbereite Person (also eine Person die Willens ist, die Feststellungen zu treffen und die auch dazu in der Lage ist) am Unfallort anwesend, verlangt das Gesetz - dass der Unfallbeteiligte an der Unfallstelle bleibt, bis die Feststellungen getroffen sind (Anwesenheitspflicht) - dass der Unfallbeteiligte sich als solcher zu erkennen gibt (aktive Vorstellungspflicht) - dass der Unfallbeteiligte die Feststellungen der Daten duldet (Feststellungsduldungspflicht). Dabei muss der Unfallbeteiligte auch in Kauf nehmen, dass für ihn strafrechtlich relevante Feststellungen(z.B. Trunkenheit) getroffen werden.

Ist eine feststellungsbereite Person nicht an der Unfallstelle, so fordert der Gesetzgeber eine nicht näher definierte Wartepflicht, d.h. der Unfallbeteiligte muss an der Unfallstelle auf das Eintreffen einer feststellungsbereiten Person warten und dann seinen weiteren Pflichten nachkommen. Die Wartepflicht selbst ist gesetzlich nicht normiert und wird von den Gerichten im Einzelfall bestimmt.

[Bearbeiten] Wartefrist

Die durch Rechtsprechung festgelegten Wartefristen bewegen sich zwischen 15 Minuten bei einem Bagatellunfall bis zu zwei Stunden bei einem Unfall mit Verletzten. Entscheidend sind neben der Schwere der Unfallfolgen auch die Zeit und die Lage der Unfallstelle. Entfernt sich ein Unfallbeteiligter von der Unfallstelle nach Ablauf einer Wartefrist, so sind seine Verpflichtungen, Maßnahmen zur Schadenregulierung zu treffen, damit keinesfalls beendet. Der Gesetzgeber verlangt hier vielmehr, dass sich der Unfallbeteiligte bei einer Polizeidienststelle meldet und die erforderlichen Angaben macht. Darüber hinaus muss er seinen eigenen Aufenthaltsort und den Abstellort seines Fahrzeugs bekanntgeben und sich für weitergehende Überprüfungen (Art der Beteiligung) bereit halten.

[Bearbeiten] Nachträgliche Feststellungen

Die goldene Brücke zur nachträglichen Feststellung regelt § 142 (4) StGB. Darin wird dem Verursacher eine Möglichkeit geboten, innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall die notwendigen Feststellungen zu ermöglichen. Dies gilt jedoch nur, sofern die Polizei nicht schon Ermittlungen aufgenommen hat, der Unfall sich nicht im fließenden Verkehr ereignet hat und kein bedeutender Sachschaden entstand. Bedeutender Sachschaden wird auf Grund der allgemeinen Teuerung nach der herrschenden Rechtsprechung bei einem Schaden von über 1.300 € angenommen. Das Gericht kann unter diesen Voraussetzungen die Strafe abmildern oder ganz von Strafe absehen. Einen Eintrag im Verkehrszentralregister in Flensburg (Kraftfahrtbundesamt) mit fünf Punkten bleibt davon unberührt.

[Bearbeiten] Subjektiver Tatbestand (Vorsatz)

Das Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort kann nur vorsätzlich begangen werden. Daraus folgt, dass sich der Täter des Umstandes bewusst gewesen sein muss, dass er Unfallbeteiligter war.

Wegen der mit dem subjektiven Tatbestand zumeist verbundenen Beweisschwierigkeiten, wird gerade diese Kenntnis vom Vorliegen des Unfalls beziehungsweise der Beteiligung oftmals bestritten werden. In diesem Fall muss die Ermittlungsbehörde versuchen, dem Täter seine Kenntnis nachzuweisen, um dadurch den Beweis über den Vorsatz zu führen:

Beispiel: Ein Verkehrsteilnehmer steigt am Unfallort aus, besieht den (Fremd-)Schaden, fährt aber ohne seinen Pflichten nachzukommen weiter. Dies beobachtet ein Passant und zeigt den Flüchtigen bei der Polizei an.

Der Beweis über den Vorsatz kann gegebenenfalls durch den Nachweis der (taktilen) Bemerkbarkeit geführt. Dabei geht es um die Bemerkbarkeit des Verkehrsunfalles durch einen Unfallbeteiligten.

[Bearbeiten] Sonderfälle

[Bearbeiten] Skifahren

In Bayern gilt auf Skipisten Art. 24 Abs. 6 Nr. 4 LStVG:

„Mit Geldbuße kann ferner belegt werden, wer sich als Skifahrer, Skibobfahrer oder Rodelfahrer als Beteiligter an einem Unfall vom Unfallort entfernt, bevor er a) zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder b) eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen.“

BayRS 2129-1-1-U

[Bearbeiten] Luftfahrt

In der Luftfahrt gilt bei Unfällen mit Luftfahrzeugen im deutschen Luftraum bzw. deutschem Boden § 26 Abs. 2 Luftverkehrsgesetz:

„(...) ist die Besatzung des Luftfahrzeugs verpflichtet, dem Berechtigten über Namen und Wohnsitz des Halters, des Luftfahrzeugführers sowie des Versicherers Auskunft zu geben; bei einem unbemannten Luftfahrzeug ist sein Halter zu entsprechender Auskunft verpflichtet.“

[Bearbeiten] Sonstiges

Im Polizeijargon wird von einer Flucht gesprochen, ist ein unfallbeteiligtes Fahrzeug beschädigt worden, spricht man hier von einer Parkflucht.

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!
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