Völkerbundsmandat für Palästina
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In den Jahren 1920–1922 erhielt Großbritannien vom Völkerbund das Mandat zur Verwaltung des früher zum Osmanischen Reich gehörenden Territoriums Palästina. Palästina umschloss die Gebiete des heutigen Staates Israel, den Gazastreifen, das Westjordanland, Teile der Golanhöhen sowie das Königreich Jordanien.
Auftrag des Mandats vom 24. Juli 1922 (Text siehe Weblinks) war die Hilfe zur „Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“. Die zugunsten der arabischen und der nichtjüdischen Bevölkerung aufgestellte Bedingung des Mandats war, „dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina ... beeinträchtigen würde“.
Das Mandat nennt in den Artikeln 4, 6 und 7 konkrete Maßnahmen wie Anerkennung und Zusammenarbeit mit einer jüdischen Vertretung („Jewish Agency“), Förderung einer geschlossenen jüdischen Ansiedlung („Jischuw“) durch Zurverfügungstellung von Staats- und Brachländereien sowie Erleichterungen bei der Einwanderung und dem Erwerb der palästinensischen Staatsbürgerschaft durch Juden.
Artikel 13 bis 15 sahen freie Religionsausübung, einen geregelten freien Zugang zu den Heiligen Stätten und die Aufrechterhaltung bestehender kultureller und religiöser Selbstverwaltungen vor.
Artikel 25 erlaubte es Großbritannien, die Mandatsgebiete „zwischen dem Jordan und der endgültig festgelegten Ostgrenze Palästinas“ von der Durchführung von wesentlichen Mandatsbestimmungen, wie denen zur Errichtung einer jüdischen nationalen Heimstätte, vorläufig auszunehmen.
Mit dem Artikel 25 wurde die Voraussetzung für die 1923 im Ostjordanland (Transjordanien) erfolgte Einsetzung des halbautonomen Emirats Transjordanien (des Vorläufers des heutigen Staates Jordanien) durch die Briten geschaffen. Damit wurde der Raum für die Errichtung eines jüdischen Staates, der vorher viel größere Gebiete umfasste, auf das Palästina westlich des Jordan (Cisjordanien) beschränkt.
Das Mandat dauerte von 1920/22 bis zu seinem Erlöschen im Jahr 1948. Von Anfang an umstritten, wurden seine Bestimmungen je nach politischer Lage in unterschiedlichem Ausmaß umgesetzt. Faktisch blieb Großbritannien eine sowohl von der arabischen als auch von der jüdischen Bevölkerung Palästinas abgelehnte Kolonialmacht.
Das Mandat stellt in der Zusammenschau die völkerrechtliche Grundlage für die auf dem Mandatsgebiet entstandenen heutigen Staaten Israel und Jordanien dar, wenngleich eine vorgesehene Volksabstimmung nach Beendigung der Mandatszeit von Großbritannien nicht durchgeführt wurde, beziehungsweise ohne eine (nach Völkerbundsatzung Art. 22) palästinensische Selbstregierung herzustellen. (Nach Art. 10, 11, 13 und 14 der UN-Charta stehen der UNO nur Empfehlungen, nicht aber Entscheidungen über das Schicksal von Völkern und Staatsgründungen zu.) Auch der im Entstehen befindliche Staat Palästina wäre einer der Nachfolgestaaten.
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[Bearbeiten] Geschichte
Vor dem Ende des Ersten Weltkrieges war Palästina ein Teil des Osmanischen Reiches. Die Briten besiegten die türkischen Truppen im Jahre 1917 unter General Edmund Allenby und besetzten Palästina und Irak. Anschließend richteten sie eine Militärverwaltung ein, die Occupied Enemy Territory Administration (OETA), es galt aber noch bis zur San-Remo-Konferenz das osmanische Zivilrecht.
Während des ersten Weltkrieges hatten die Briten zwei Versprechungen bezüglich der Gebiete im Nahen Osten gemacht. Durch Lawrence von Arabien versprachen die Briten den Arabern für ihre Unterstützung eine unabhängige arabische Heimstätte, die fast den gesamten arabischen Nahen Osten umfassen sollte. Den Juden hatte Großbritannien in der Balfour-Deklaration gleichzeitig eine nationale unabhängige Heimstätte versprochen.
Die Briten hatten in der Hussein-McMahon-Korrespondenz zuvor den Haschemiten – im Gegenzug für deren Unterstützung bei der großen arabischen Revolte während des Weltkrieges – die Herrschaft über das meiste Land der Region zugesagt.
Als die Alliierten die Mittelmächte geschlagen hatten, wurde dem Vereinigten Königreich im Sinne der Friedenskonferenz von Versailles die Kontrolle über Palästina übertragen und Herbert Louis Samuel, ein ehemaliger Postminister im britischen Kabinett, wurde zum ersten Hochkommissar in Palästina ernannt.
Im Jahre 1920 wurde bei der San-Remo-Konferenz in Italien das Völkerbundmandat über Palästina grundsätzlich dem Vereinigten Königreich übertragen. Die genaue Definition folgte erst zwei Jahre später. Palästina umschloss all jene Gebiete, aus denen später der Staat Israel hervorgehen sollte, außerdem den Gazastreifen, das Westjordanland, Teile der Golanhöhen, sowie das Königreich Jordanien. Nach Einschätzung des Zensus von Oktober 1922 bestand die Bevölkerung Palästinas (ohne Transjordanien, die britischen Garnisonen, und die Beduinen des südlichen Distriktes) aus 757.182 Menschen, davon waren 590.890 Muslime, 83.794 Juden, 73.024 Christen und 7.028 Drusen.[1] Das Gebiet war multi-ethnisch, Arabisch war die Hauptsprache, vorherrschende Religion war der Islam. Die Bodenbesitzverhältnisse veränderten sich zwischen 1918 bis 1948 nur unwesentlich (1918: 2,5 % des Bodens jüdisch, 1948: 5,67 %), obwohl sich die Bevölkerungsverhältnisse vor allem durch die Einwanderung zionistischer Juden stärker verschoben (1948: 33% jüdische Bewohner).
[Bearbeiten] Weiterer politischer Verlauf und arabische sowie jüdische Opposition
Während der 1920er Jahre wanderten 100.000 jüdische und auch 6.000 nicht-jüdische Immigranten nach Palästina ein. Besonders die Einwanderung von 35.000 russischen Juden in den Jahren 1919–1923 prägte das Land für lange Zeit (zur jüdischen Einwanderung siehe Alijah). Die jüdische Einwanderung wurde von dem „Allgemeinen jüdischen Arbeiterverband“ kontrolliert, der die Bewerber nach ihrer politischen Einstellung auswählte. Land, das von jüdischen Agenturen gekauft wurde, wurde nur an Juden verpachtet, und das auch nur unter der Bedingung, dass es ausschließlich von jüdischen Arbeitern bestellt würde.
Anfangs stieß die jüdische Einwanderung nach Palästina nur auf wenig Widerstand bei den Arabern, als jedoch Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa der Antisemitismus wieder einmal stärker wurde, führte die gesteigerte Auswanderung von europäischen Juden zu Spannungen mit den Arabern. So kam es durch die muslimische Führung in Palästina zur Aufwiegelung von Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung. In einigen Fällen führte der Verkauf von Land durch die oft im Ausland lebenden arabischen Großgrundbesitzer zur Ausweisung ihrer ehemaligen palästinensischen Pächter (Felachen); an Stelle der alten Orte entstanden z.T. jüdische Kibbuzim.
Zu Konflikten kam es insbesondere deswegen, weil die Pächter oft zwar nicht das Land besaßen, wohl aber die Bäume (besonders Olivenbäume), die auf diesem Land wuchsen. Die Problemsituation wurde von den europäischen Juden, die nicht mit dieser Art von Besitzrecht vertraut waren, allerdings oft nicht verstanden, das Besitzrecht entsprechend nicht akzeptiert.
Besonders in den letzten Mandatsjahren schränkte die britische Mandatsmacht die jüdische Einwanderung ein und legte unter anderem im Weißbuch von 1939 bestimmte Quoten fest, deren Höhe sowohl von Juden als auch Arabern unter verschiedenen Vorzeichen kritisiert wurden. In den Jahren 1921 und 1929 kam es (in diesen Jahren besonders in Hebron) ebenso wie in den Jahren 1936–1939 zu (hauptsächlich) arabischen Übergriffen und terroristischen Attacken (für den großen Aufstand 1936–1939 siehe: Arabischer Aufstand). Die Gründung der jüdischen Hagana am 15. Juni 1920 kann im Zeichen der damals schon bestehenden Feindseligkeiten zwischen den Bevölkerungsgruppen gesehen werden. Als Reaktion auf den großen Aufstand bildeten sich mit dem Irgun und der Lechi 1936 auch bewaffnete beziehungsweise terroristische jüdische Gruppen, die sowohl britische als auch arabische Ziele angriffen.
Ostjordanland (Transjordanien) einerseits und Israel mit Westjordanland (Cisjordanien), Gaza und Teile der Golanhöhen andererseits blieben theoretisch Teile eines gemeinsamen Völkerbundmandats für Palästina, die meisten offiziellen Dokumente behandelten diese beiden Teile jedoch, als würde es sich um zwei getrennte Mandate handeln. Transjordanien blieb bis 1946 unter britischer Kontrolle. Im Jahre übertrugen die Briten einen Teil der Golanhöhen an das französische Völkerbundsmandat für Syrien im Austausch für die Region um Metulla.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Ernst Marcus: Palästina – ein werdender Staat. Völker- und staatsrechtliche Untersuchung über die rechtliche Gestaltung des Mandatslandes Palästina unter besonderer Berücksichtigung des Rechtes der nationalen Heimstätte für das jüdische Volk, 328 S., 2 Karten, Leipzig 1929 (Frankfurter Abhandlungen zum modernen Völkerrecht, Heft 16)
- The Handbook of Palestine. London 1922.
- Walter Hollstein: "Kein Frieden um Israel". Zur Sozialgeschichte des Palästina-Konflikts, Fischer-TB-Verlag, 1972, 283 S.
- Younes R. Altamemi: "Die Palästinaflüchtlinge und die Vereinten Nationen". Wilhelm Braumüller-Universitätsbuchhandlg., Wien 1974, 215 S.
- Arabisches Informationszentrum, Studie über Israels Verhältnis zum internationalen Recht, Genf 1968
- K. Blumenfeld: Erlebte Judenfrage, Ein Vierteljahrhundert deutscher Zionismus. Stuttgart 1962
- E.B. Childers: The road to Suez. London 1962
- David Ben Gurion: Rebirth and destiny of Israel. New York 1954
- S. Hadawi: Palestine - a loss of heritage. San Antonio 1963
- W. Khalidy: Why did the Palestinians leave? The Exodus of 1948, London 1961
- J. Kimche: Seven fallen pillars. London 1954
- C. Kühner: Nahost - Geschichte einer Unversöhnlichkeit. Frauenfeld 1975
- A. Lilienthal: What Price Israel. Chicago 1953
- R. Meinerzhagen: Middle East Diary 1917-1956. London 1959
- Helmut Mejcher (Hg.): Die Palästina-Frage 1917-1948. Historische Ursprünge und internationale Dimensionen eines Nahostkonflikts. Ferdinand Schöningh Verlag, 2., überarb. u. erw. Aufl., Paderborn u.a. 1993, ISBN 3-506-77488-3 (mit Personen- und Sachregister und ausführlichem Literaturverzeichnis)
- M. Menuhin: The decadence of Judaisme in our time. Beirut 1969
- O. Rabinowicz: Fifty years of zionisme. London 1950
- J. de Regnier: A Jerusalem, un drapeau flottait sur la ligne de feu. 1950
- N. Safran: The United States and Israel. Harvard 1963
- F.A. Saygeh: Discrimination in Education against the Arabs in Israel. Beirut 1966
- Schriftenreihe Israels des Informationsbureaus Zürich
- A. Taylor: Prelude to Israel. New York 1959
- UNWRA-Dokumente
- UN Commission 1947, Special Committee on Palestine 1947 (Teilungspläne)
- UN-Resolutionen 181, 194...
- I. Zangwill: The Voice of Jerusalem. London 1920
- B.M. Zohar: Ben Gurion-Le Prophète armé. Paris 1966
- Palästina Monographien, Gewalt und Frieden, Rastatt 1969
- B. Singh, A. Helou: An examination og documents on which the state of Israel is based. Beirut 1970
- The Economist (Ztg.): Debacle in Palestine. 15.5.1948, S. 790
- UN Economic Survey Mission of the ME, Final report of the mission, 1949
- Neue Zürcher Zeitung, Abendausg. 5.6.1967
- NZZ, Morgenausgabe, 4.7.1967
- Sunday Times, 16.7.1967, Interv. M. General Hod
- New York Times, 19.6.1967
- Bentwich N,M, Ahad Ha´am and his Philosophy, Jerusalem 1927
- Stenogr. Protokoll d. Verhandlungen des 17. Zionistenkongresses Basel 1931, London 1931
- E. Golomb: The history of jewish selfdefence in Palestine 1918-1921. Tel Aviv
[Bearbeiten] Weblinks
- Mandatstext engl.
- Mandatstext dt.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Report on Palestine Administration, 1922. League of Nations, 31. Dezember 1922.