Verordnung gegen Volksschädlinge
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Verordnung gegen Volksschädlinge, gemeinhin als Volksschädlingsverordnung bezeichnet, gehört zu den nicht einmal in Gesetzesform, sondern nur als Verordnung erlassenen strafrechtlichen Bestimmungen, mit denen der NS-Staat das Strafrecht unter den Bedingungen des 2. Weltkriegs verschärft wurde. Sie wurde am 5. September 1939 vom Ministerrat für die Reichsverteidigung beschlossen und diente der Verhinderung von Plünderungen, richtete sich gegen Delikte, die unter Ausnutzung der Verdunkelung begangen wurden, und gegen „gemeingefährliche Verbrechen“. Die meisten der während des 2.Weltkrieges von zivilen Gerichten verhängten rund 15.500 Todesurteile waren hierauf gestützt, wobei die Rechtsprechung großzügigsten und willkürlichen Gebrauch der ihr hierdurch eröffneten Möglichkeiten machte. Exemplarisch ist der Fall Leo Katzenberger.
Diese Einstellung der Nationalsozialisten war weder neu noch unvorhersehbar: Schon 1922 hatte Hitler in Mein Kampf hierzu publiziert: „Ein völkischer Staat wird damit in erster Linie die Ehe aus dem Niveau einer dauernden Rassenschande herauszuheben haben, um ihr die Weihe jener Institution zu geben, die berufen ist, Ebenbilder des Herrn zu zeugen und nicht Mißgeburten zwischen Mensch und Affe.“ (Mein Kampf, Bd. I S. 444 f.).
Unterzeichnet wurde diese Verordnung von Hermann Göring als der Vorsitzende des Ministerrats für die Reichsverteidigung, von Wilhelm Frick als der Beauftragte der Reichsverwaltung und Hans Heinrich Lammers als Reichsminister und Chef der Reichskanzlei. Veröffentlicht wurde die Verordnung im Reichsgesetzblatt Teil I, 1939 vom 6. September 1939 Nr. 168, Seite 1679.
Welchen Stellenwert diese Verordnung in einem politisch von der NSDAP bestimmten Justizwesen hatte, ist, dass wenn Adolf Hitler sich auf „Volksschädlinge“ bezog, er von „Spitzbuben“, „Verbrechern“, „Gaunern“ und „asozialen Elementen“ sprach. Im DNB-Text vom 8. November 1943 wird in diesem Zusammenhang Hitler zitiert: „Es ist eine Schweinerei, daß so etwas überhaupt möglich ist, daß der brave Mann vorn fallen muß und zu Hause die Spitzbuben ihr Unwesen treiben“, womit mit „vorn“ die Kriegsfront gemeint ist.
Zu diesen Kriegs-„Gesetzen“ zählt neben der „Verordnung gegen Volksschädlinge“ auch die Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939, die „Verordnung zur Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes“ vom 25. November 1939, mit der u.a. der verbotene Umgang mit Kriegsgefangenen unter Strafe gestellt wurde, die „Verordnung gegen Gewaltverbrecher“ vom 5. Dezember 1939 sowie die bereits zu Friedenszeiten, nämlich am 26. August 1938 verabschiedete, jedoch erst am 26. August 1939 veröffentlichte „Kriegssonderstrafrechtsverordnung“.
[Bearbeiten] Literatur
- Martin Hirsch, Diemut Majer, Jürgen Meinck, Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1984, S. 456 ff mit Texten der genannten Vorschriften, Rechtsprechungsbeispielen und Kommentierung.
- Gerhard Werle, Strafrecht als Waffe: Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5. September 1939, JuS 1989, 952ff.