Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
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Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (alt: Widerstand gegen die Staatsgewalt) ist eine Straftat nach § 113 des deutschen Strafgesetzbuches.
Die Rechtsvorschrift schützt die Effektivität und Gewähr staatlicher Vollstreckungshandlungen durch dazu berufene Organe.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Tatbestand
[Bearbeiten] Wortlaut § 113 StGB
- (1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
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- 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, oder
- 2. der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
- 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, oder
- (3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.
- (4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.
[Bearbeiten] Tatbestandsmerkmale
Der Täter muss einer Diensthandlung eines Vollstreckungsbeamten gegenüber stehen. Der Vollstreckungsbeamte ist Amtsträger. Umfasst sind davon alle inländischen Amtsträger und Soldaten der Bundeswehr sowie die Amtsträger, die durch völkerrechtliche Verträge in den Schutz einbezogen werden (z. B. NATO-Truppenstatut). Der Amtsträger muss ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung, einen Titel (z.B. Gerichtsvollzieher) oder eine bestimmte verwaltungsrechtliche Verfügung vollstrecken. Gegen genau diese Vollstreckungshandlung muss sich der Widerstand des Täters richten, und zwar während der Vollstreckungshandlung, die also mindestens schon begonnen haben und noch andauern muss. Einigkeit besteht zwar, dass die Diensthandlung rechtmäßig sein musste, ob dies jedoch Tatbestandsmerkmal, objektive Bedingung der Strafbarkeit ist oder im Zusammenhang mit einer modifizierten Rechtswidrigkeit steht, ist umstritten. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Diensthandlung ist zu prüfen, ob neben sachlicher und örtlicher Zuständigkeit des Vollstreckungsbeamten die wesentlichen Förmlichkeiten und das pflichtgemäße Ermessen ausgeübt wurde und die Maßnahme selbst verhältnismäßig war. Diese Anforderungen sind nicht unumstritten, da sie über den Begriff der verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeit noch hinausgehen. Bei der örtlichen Zuständigkeit ist bei Polizeibeamten stets das Problem der Nacheile über Zuständigkeitsgrenzen hinweg gegeben. Nach § 167 GVG bleibt die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung damit jedoch bestehen.
Unter Widerstand im Sinne des § 113 StGB ist Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verstehen.
Im subjektiven Tatbestand braucht es lediglich Vorsatz. Wird die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung als Tatbestandsmerkmal angesehen, so reicht dafür Fahrlässigkeit. Als objektive Bedingung der Strafbarkeit bedarf es noch nicht einmal der Fahrlässigkeit. Passiver Widerstand kann ebenfalls strafbar sein, zum Beispiel das plötzliche Sich-Einschließen. Der Versuch des Delikts ist nicht strafbar (Unternehmensdelikt), sodass die speziellen Irrtumsregeln des § 113 Abs. 3 und Abs. 4 gelten. Da der Täter Rechtsschutz gegen die irrtümlich rechtmäßigen Diensthandlungen suchen kann, wird die Strafe nach Abs. 4 nur fakultativ gemildert.
[Bearbeiten] Konkurrenzen
§ 113 sperrt als Privilegierung in der konkreten Tatsituation die Nötigung (§ 240). Problematisch ist jedoch die Sperrung, wenn sich der Täter irrig vorstellt, dass das Opfer Amtsträger ist. Bei solchen Fällen soll nach § 240 bestraft werden, die Strafzumessung jedoch dem Strafrahmen des § 113 zu entnehmen sein. Tateinheit ist im Rahmen des § 113 denkbar mit den Körperverletzungsdelikten, den Sachbeschädigungsdelikten und dem Hausfriedensbruch.
[Bearbeiten] Phänomenologie
Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zeigt durchaus Auffälligkeiten: Teilweise ist festzustellen, dass es sog. "Widerstandsbeamte" gibt, die weitaus häufiger durch Anzeigen wegen angeblichen Widerstands gegen ihre Amtstätigkeit auffallen als andere. Teilweise wird auch berichtet, dass Vorfälle des § 113 im Nachhinein zur Anzeige gebracht würden, um Überschreitungen der Verhältnismäßigkeit bei der Ausübung unmittelbaren Zwanges zu rechtfertigen. Empirische Nachweise konnten bisher nicht überzeugend erbracht werden.
Wobei anzumerken ist, dass auch einige Vollstreckungsbeamte (aus wohl unterschiedlichen Gründen) von einer Verfolgung des Widerstands absehen.
Der sogenannte "Widerstandsbeamte" ist auch des weiteren kritisch zu bewerten. Manche Beamte werden in ihrem jeweiligen Revierbreich häufiger mit widerstandsbereiten Personen konfrontiert als Beamte, welche in "ruhigeren" Bereichen ihren Dienst verrichten und eher selten mit gewaltbereiten Personen in Kontakt kommen.
[Bearbeiten] Verletzungen durch gesetzliche Maßnahmen Y35
Klassifikation nach ICD-10 | ||
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Y35 | Gesetzliche Maßnahme | |
Y35.0 | Gesetzliche Maßnahme unter Einsatz von Feuerwaffen (Schusswaffen) | |
Y35.1 | Gesetzliche Maßnahme unter Einsatz von Explosivstoffen | |
Y35.2 | Gesetzliche Maßnahme unter Einsatz von Gas | |
Y35.3 | Gesetzliche Maßnahme unter Einsatz von stumpfen Gegenständen | |
Y35.4 | Gesetzliche Maßnahme unter Einsatz von scharfen Gegenständen | |
Y35.5 | Gerichtlich angeordnete Hinrichtung | |
Y35.6 | Gesetzliche Maßnahme unter Einsatz sonstiger näher bezeichneter Mittel | |
Y35.7 | Gesetzliche Maßnahme, Mittel nicht näher bezeichnet | |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Verletzungen durch gesetzliche Maßnahmen werden international mit dem ICD-Code Y35 verschlüsselt. Damit können im Vergleich von Staaten Rückschlüsse auf die Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Vollstreckungsbeamten erfolgen. In der Bundesrepublik Deutschland war den Ärzten für einige Jahre dieser Code in der deutschen Version des ICD-10 unzugänglich gemacht worden. Grundlage für die Beschränkung der Anwendung der Codes bietet das auf Aufgaben der Krankenversicherung abgestimmte Sozialgesetzbuch V. Die Krankenversicherer haben umgekehrt ein dem Gemeinwohl dienendes Interesse, die Verursacher von Körperschäden zu ermitteln. Für den Zeitraum der Sperrung von Y35 kann dies für Geschädigten nur durch Einsichtnahme in die ärztliche Dokumentation erfolgen.
[Bearbeiten] Sonstiges
Sehr ähnlich ist das Vergehen des Widerstandes gemäß § 116 Seemannsgesetz, vgl. Festnahme.
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