Amygdala
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Die Amygdala (Mandelkern, Corpus amygdaloideum) ist ein Kerngebiet des Gehirns im medialen Teil des Temporallappens. Sie gehört zum limbischen System. Die Amygdala ist wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren: sie verarbeitet externe Impulse und leitet die vegetativen Reaktionen ein. Eine Zerstörung beider Amygdalae führt zum Verlust von Furcht- und Aggressionsempfinden und so zum Zusammenbruch der mitunter lebenswichtigen Warn- und Abwehrreaktionen. Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2004 [1] deuten darauf hin, dass die Amygdala an der Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung, also affekt- oder lustbetonter Empfindungen, einschließlich des Sexualtriebes beteiligt sein könnte.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Verschaltung der Amygdala
Die Amygdala besteht aus 13 Einzelkernen (die zum Teil noch in Untereinheiten gegliedert werden) und erhält über Faserverbindungen zahlreiche Informationen aus höheren Hirnzentren.
[Bearbeiten] Afferenzen
Im Unterschied zu den Afferenzen des Hypothalamus sind (bis auf eine Ausnahme) alle Afferenzen zur Amygdala hoch prozessiert, die Informationen wurden also bereits in sekundären visuellen, sensorischen und auditorischen Kortexarealen verarbeitet bzw. thalamisch verschaltet. Die Afferenzen erreichen hauptsächlich den basolateralen Kernkomplex der Amygdala. Die Ausnahme bildet hier der Geruchssinn. Er gibt über den Bulbus olfactorius Kollateralen direkt ohne thalamische Umschaltung zur medialen Amygdala ab.
[Bearbeiten] Efferenzen
Der zentrale Kern der Amygdala erhält den Großteil der Efferenzen des basolateralen Komplexes und sendet seinerseits Efferenzen an:
- den seitlichen Hypothalamus zur Aktivierung des Sympathikus,
- den retikulären Kern (Formatio reticularis) zur Verstärkung von Reflexen,
- den Nucleus motorius des Nervus trigeminus und Nucleus motorius des Nervus facialis zum Auslösen von ängstlichen Gesichtsausdrücken
- den Nucleus parabrachialis zur Stimulierung der Atmung
- den Nucleus paraventricularis des Hypothalamus zur Stimulierung der ACTH-Ausschüttung in der Hypophyse (stress response, "Stressantwort")
- den Nucleus dorsalis des Nervus vagus zur Beeinflussung des Magen-Darm-Trakts und
- den Locus caeruleus, den Nucleus tegmentalis lateralis dorsalis sowie die Area tegmentalis ventralis (VTA) zur Produktion der Neurotransmitter Acetylcholin, Adrenalin und Dopamin. Dies erhöht die Vigilanz und die Aufmerksamkeit.
[Bearbeiten] Medizinische Bedeutung
Fehlfunktionen der Amygdala können beim Menschen zu einer Vielzahl von Erscheinungen führen wie Gedächtnisstörungen, die Unfähigkeit der emotionalen Einschätzung von Situationen, Autismus, Depression, Narkolepsie, Posttraumatische Belastungsstörungen und Phobien. Diese Störungen können durch Beschädigung, Entwicklungsprobleme oder einem Ungleichgewicht der Neurotransmitter hervorgerufen werden, können aber im Gegenteil auch die Folge eines exakten Funktionierens der Amygdala sein. Die Amygdala verknüpft Ereignisse mit Emotionen und speichert diese. War ein Ereignis mit einer Gefahr, Schmerz oder Leid verbunden, können als ähnlich erachtete Situationen zum Auslöser einer starken somatischen Reaktion (etwa Panik, Übelkeit, Apathie, Ohnmacht) werden, unabhängig davon, ob sie objektiv vergleichbar sind und sogar unabhängig davon, ob eine (bewusste) Erinnerung an das ursprüngliche Ereignis besteht, daher taucht in diesen Zusammenhängen oft der Begriff „Körpergedächtnis“ auf. Auslösende Situationen für dieses oftmals dramatische Wiedererleben werden Trigger (engl Auslöser) genannt.
Die Konditionierung von Tieren, bestimmte "neutrale" Reize mit Angst zu verbinden, verändert die Informationen, die in der Amygdala gespeichert sind, wie Experimente im Labor von Joseph LeDoux und anderen Wissenschaftlern zeigen konnten. In dieser Hinsicht dient sie als eine einfache Pawlowsche Lernmaschine, die Aversionen mit neutralen Ereignissen verknüpft und damit Tieren hilft, auf ihre Umwelt zu reagieren. Tiere mit zerstörter Amygdala verlieren die Fähigkeit zur Konditionierung auf Angst-Reize.
In Tierversuchen haben Forscher auch gezeigt, dass die elektrische Stimulation von unterschiedlichen Punkten in der Amygdala unterschiedlichste Reaktionen hervorrufen kann. Signale in den zentralen Kern führen zu Wut oder Fluchtreaktionen. An anderen Stellen können vegetative Reaktionen, beispielsweise Erhöhung des Pulses, aber auch des Fressverhaltens und der Sexualität ausgelöst werden.
Primaten, denen die Amygdala zu Testzwecken entfernt wurde, können zwar Gegenstände sehen, sind aber nicht mehr in der Lage, deren gefühlsmäßige Bedeutung zu erkennen. Zudem verändert sich ihr Verhalten grundlegend und sie verlieren jegliche Aggression. Nach der Entdeckung dieser Tatsache durch Heinrich Klüver und Paul Bucy 1937 wurde auch diskutiert, ob ein solcher Eingriff zur "Behandlung" von Kriminalität geeignet sei.
Das beim Menschen bekannte Urbach-Wiethe-Syndrom ist eine selektive Kalzifizierung der Amygdala mit Funktionsausfall. Diese Patienten können der Emotion Angst keine Bedeutung zuordnen. Sie können weder beschreiben, wie ein ängstliches Gesicht aussieht noch verspüren sie selbst Angst. Diese Beeinträchtigung hat starke Auswirkungen auf das soziale Leben, es fällt den Patienten schwer, in kritischen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Es gibt Überlegungen, dass Erwachsene im Zweitspracherwerb möglicherweise nicht auf das prozedurale Gedächtnis der Amygdala zurückgreifen und deshalb die emotionale Verbindung zu Worten schwerer finden können.
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Amygdala – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
- Funktion der Amygdala - kurz und knapp
- Funktion der Amygdala - ausführlicher
- GEO-Artikel Terror im Kopf
- Stangl-Taller: Gehirn und Emotionen
- www.wissenschaft.de: Wann Vernunft und Gefühl im Team arbeiten
[Bearbeiten] Literatur
- Principles of Neural Science, Eric R. Kandel, James H. Schwartz, Thomas M. Jessell, McGraw-Hill Medical, 4 edition (January 5, 2000), ISBN 0-8385-7701-6
- Neuroscience Including Sylvius, Purves et al., 3. Auflage 2004, Sinauer Verlag, ISBN 0878937250
- Blair HT, Schafe GE, Bauer EP, Rodrigues SM, and LeDoux JE. Synaptic plasticity in the lateral amygdala: a cellular hypothesis of fear conditioning. Learn Mem 8: 229–242, 2001.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Nature ScienceUpdate - Nature News Service Jan 2004
[Bearbeiten] Video
von der Fernsehsendung "Geist & Gehirn" "Angst auf der Osterinsel"